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Oliver Pocher provoziert bei Büsser im SRF-Late Night Switzerland

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Oliver Pocher zu Gast bei Stefan Büssers «Late Night Switzerland».bild: srf
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Oliver Pocher bei Büsser – ein unangenehmer Auftritt

Am Sonntagabend lief eine neue Episode von Stefan Büssers «Late Night Switzerland» mit Comedian Oliver Pocher als Gast. Hier sind die Highlights – beziehungsweise Lowlights – der Sendung.
04.11.2024, 17:3605.11.2024, 15:14
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Stefan Büssers «Late Night Switzerland» läuft seit Februar 2024 auf SRF 1 und steht seit Beginn in der Kritik. In der aktuellen Folge holt sich Büsser den deutschen Comedian Oliver Pocher in die Sendung.

Eins vorweg: Es gab im Gespräch wenig Inhalt, aber dafür Witze über Muslime, Hitler, Menschen mit Behinderung und Frauen. Eine ganz normale Late-Night-Show im Jahr 2024 also.

Hahnenkampf zwischen Büsser und Pocher

Das Gespräch ist überschattet von einer angespannten Stimmung. Harmonie oder ein natürlicher Gesprächsfluss sehen anders aus. Man spürt einen Spässli-Konkurrenz-Kampf zwischen den beiden.

Büsser steht einem deutschen Comedy-Titan gegenüber, er wirkt unsicher, verfolgt aber ein Ziel: Er hat sich einen grossen Namen in seine Show geholt und möchte ihn ein wenig auflaufen lassen. Pocher kontert zwar meist unstrukturiert, ungeschliffen und zerstreut, lässt sich trotzdem wenig anmerken und lehnt sich selbstbewusst im Stuhl zurück. Er hat ja auch schon alles erlebt – was soll ihn hier noch erschüttern?

Pocher ist bekannt als Enfant terrible, sein Wikipedia-Artikel hat einen Abschnitt mit dem Titel «Kontroversen». Büsser erwähnt in der Sendung, sie hätten bei der Ankündigung eines Studiogasts noch nie so viele negative Reaktionen bekommen wie bei ihm.

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Pocher steht regelmässig in der Kritik wegen seinen Statements.bild: srf

Unangenehm ist eine Untertreibung

Büsser will ihn aus der Reserve locken und spricht ihn auf seine persönlichen Schlagzeilen in Bezug auf die gescheiterten Ehen an: «Bei gewissen Sachen dachte ich mir, so würde ich ja nie über die Mutter meiner Kinder reden.» Pocher entgegnet: «Doch. Doch. Ab einem gewissen Zeitpunkt muss man so über die Mutter seiner Kinder reden.» Bei diesem Satz unterdrückt Pocher ein Lachen.

Ich habe das Gefühl, er kann seine Aussagen selbst nicht so richtig glauben, das purzelt einfach so aus ihm heraus und jetzt kann er nicht mehr zurückrudern: «Putin hat ja auch eine Mutter, das vergessen ja viele.» Er strauchelt und legt nach mit: «Selbst Hitler hatte eine Mutter.» Büsser verzieht ein wenig das Gesicht und antwortet nur trocken: «Davon ist auszugehen.» Auch mir entgleisen die Gesichtszüge. Mit diesen Aussagen erreicht der Cringe-Faktor dieses Interviews rasend schnell seinen Zenit.

«Putin hat ja auch eine Mutter, das vergessen ja viele.»
Oliver Pocher

Auf den Vorschlag von Büsser, mit seinen Problemen zu einem Psychologen zu gehen, erwidert Pocher, er bespreche das lieber im Podcast mit seiner Ex-Frau Sandy Meyer-Wölden. So weit so unreflektiert. Sie sei ja «eine der Betroffenen» und mittlerweile «ganz handzahm». Diese misogyne Aussage wird natürlich wieder unkommentiert stehen gelassen.

Call me crazy, aber die Anwesenheit einer Frau würde dem Ganzen sicherlich gut tun und könnte die unkritische Boys'-Club-Dynamik durchbrechen. Oder zumindest wäre es mal einen Versuch wert.

Kurz darauf folgt ein weiterer unangenehmer Witz zwischen Büsser und Pocher zum Thema Beschneidung bei Muslimen und Juden, den ich dir an dieser Stelle mal erspare.

«Ich polarisiere halt, das bin ich gewohnt. Aber das ist immer noch besser, als dass es den Leuten scheissegal ist.»
Oliver Pocher

Es ist Zeit, erwachsen zu werden

Büsser schafft es nicht, Pocher die Stirn zu bieten oder ihn in die Ecke zu drängen. Ich hatte irgendwie erwartet, dass er ein wenig gegen Pocher stichelt, ihn herausfordert oder seine Witze und Aussagen hinterfragt. Scheitert es hier an Büssis Willen oder seinen Fähigkeiten?

Ich verstehe ja auch, dass es schwierig ist, Comedy oder Satire zu machen. Und ja, in meiner bequemen Position vom watson-Bürostuhl aus kann ich mich leicht beschweren. Mein Anspruch ist ja nur, dass man Witze macht, die nicht immerzu nach unten treten und die endlich mal wieder originell sind. Wo bleibt die Selbstironie? C’mon, Oliver, Stefan, ihr seid keine Teenies mehr, die «boys will be boys»-Mentalitität könnt ihr langsam mal ablegen.

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Büsser strauchelt und die Konter bleiben aus.bild: srf

Egal, ob Oliver Pocher, Stefan Büsser oder auch Stefan Raab mit seinem TV-Comeback: Ich kann mein Augenrollen beim zwanzigsten Witz über beschnittene Muslime oder handzahme Frauen nicht unterdrücken. Wir haben eine Sonntagabend-Show im öffentlichen Rundfunk und bespielen die Plattform mit solchen Typen und Themen.

Die beiden fühlen sich nach all der Zeit auf der Bühne einfach zu wohl und zu sicher, aber meiner Meinung nach sollten Comedy und Satire hinterfragen und offen kritisieren – und kritisiert werden.

Humor darf nicht nur eine plumpes Sprachrohr für jegliche Arten von Aussagen sein. Er sollte zur Diskussion anregen und die gab es in dieser Sendung leider nicht, obwohl das eigentlich der Job eines Hosts wie Büsser wäre. Ich finde, es wäre mal Zeit für die beiden, die Bühne an jemand anderen abzugeben. Vielleicht täte dem Format ja mal eine Frau als Host gut.

Wen möchtest du in einer Late-Night-Show sehen? Schreib es uns in die Kommentare.

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156 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Statler
04.11.2024 18:00registriert März 2014
Pocher ein «Comedy Titan»???
Hab' ich was verpasst? Seine «Witze» waren schon immer schlecht und meistens so weit unter der Gürtellinie, dass sie zur Stolperfalle in der Hölle wurden.
Und Büsser ist einfach nur schlecht. Ich hab mehr als einmal versucht, diese Sendung zu schauen und musste jeweils nach ein paar Minuten abschalten. Das ist so hölzern, daneben wirkt Pinocchio wie ein richtiger Junge.
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Habibti03
04.11.2024 17:55registriert August 2019
Wenn man als SRF gerade an dem Punkt steht, die Bevölkerung zu überzeugen, dass die Serafe nicht gekürzt werden soll, finde ich solche Sendungen ehrlich gesagt etwas fragwürdig.
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arni99
04.11.2024 18:09registriert Juli 2016
Eine taktisch geschickte Wahl, Gäste einzuladen bei denen man sicher ist, das sie noch schlechter sind als man selber. So merkt eventuell niemand das man selber einfach nur schlecht ist.
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