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Migros entlässt Kassiererin wegen ihrem Kopftuch – nun klagt sie

Wegen Kopftuch-Knatsch: Migros entlässt Kassiererin – nun klagt sie gegen den Händler

Der Detailhändler hat eine langjährige Angestellte vor die Tür gestellt, weil sie ohne Kopfbedeckung nicht arbeiten wollte. Andere bekannte Schweizer Firmen wie die Post oder Valora handhaben das Thema unterschiedlich.
22.02.2024, 12:5322.02.2024, 12:53
Benjamin Weinmann / ch media
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Migros Kasse
In den USA oder England erlaubt, bei der Migros an der Kasse hingegen tabu: Kopftuch, Kippa und Turban.Bild: ch media/andrea tina stalder

Die Migros ist mit Diskriminierungsvorwürfen konfrontiert. Wie «20 Minuten» berichtet, hat der Händler eine Kassiererin fristlos entlassen, weil diese sich entschlossen hatte, ein Kopftuch zu tragen. Nun hat diese gegen die Migros geklagt.

Doch der Reihe nach: M.A.*, wie die anonym bleiben wollende Frau im Bericht genannt wird, arbeitete seit 2017 in einer Luzerner Filiale des orangen Riesen an der Kasse. Die Kurdin, die seit Jahren in der Schweiz wohnt, verzichtete lange auf ein Kopftuch. Im Juli 2023 beschloss sie, eines zu tragen. «Mein Chef sagte mir, dass ich nicht mit dem Kopftuch zur Arbeit kommen dürfe. Sonst würde ich nach Hause geschickt», erzählt M.A. gegenüber «20 Minuten».

Die Verkaeuferinnen Stefania Kaufmann, rechts, und Arbenita Dalipi, links, bedienen Tammy Gross, Mitte, in der Migros am Limmatplatz, am Donnerstag, 17. Februar 2022 in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buho ...
Die Migros ist mit einer Klage einer ehemaligen Angestellten konfrontiert. Der Vorwurf: Diskriminierung. (Symbolbild)Bild: keystone

Als Argument brachten ihre Vorgesetzten die Kleiderordnung vor. Diese dürfe keine religiösen Symbole enthalten. Diese Erklärung überzeugte M.A. nicht: «Meine Mitarbeiterinnen durften mit riesigen tätowierten Kreuzen auf der Hand arbeiten», sagt die 42-Jährige. «Ich fühle mich wirklich diskriminiert.»

Entlassung nach sechs Jahren

Eine Versetzung in eine andere Abteilung wurde ebenfalls nicht gutgeheissen. M.A. meldete sich in der Folge für die nächsten Tage von der Arbeit ab, weil sie sich ohne Kopftuch nicht mehr wohlgefühlt habe. Die Folge: Vom Arbeitgeber kam die fristlose Kündigung. Nun klagt M.A. gegen die Migros, für die sie sechs Jahre gearbeitet hat.

Laut Migros-Sprecherin Carmen Hefti ist die Kleiderordnung für das Filialpersonal der Genossenschaften national geregelt, «mit Raum für die Genossenschafts- beziehungsweise unternehmensspezifische Ausgestaltung». Konkret: Allen Mitarbeitenden mit Kundenkontakt ist die Kopfbedeckung verboten. «Dies schliesst religiöse Kopfbedeckung, so auch Kopftücher, Turbane oder Kippas mit ein.»

Zudem betont die Migros in ihrer Antwort, dass die Sicherheits- und Hygienevorschriften jederzeit eingehalten werden müssten. Auf Nachfrage von CH Media, was das genau mit der Ausübung der Arbeit an der Kasse zu tun habe, sagt Sprecherin Hefti, dass diese Aussage ganz generell in Bezug auf die Arbeit bei der Migros gemeint sei.

Migros will Regelung überdenken

Allerdings scheint es der Migros mit diesen Richtlinien nicht mehr ganz wohl zu sein. Denn aktuell, so die Sprecherin, sei man mit den Genossenschaften in Diskussion, um die Kleiderordnung in einigen Punkten anzupassen. Teil dieser Diskussion sei auch die Handhabung der Kopfbedeckung.

Coop untersagt es derweil seinem Personal im Verkauf ebenfalls, eine Kopfbedeckung zu tragen. Dies werde bei der Vertragsunterzeichnung klar kommuniziert, sagt Sprecherin Sina Gebel. «Wir respektieren die privaten Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden, möchten aber zwischen Privatleben und Berufstätigkeit unterscheiden.» An Orten mit Kundenkontakt verzichte man daher möglichst auf Symbole jeglicher Art. «Dazu gehören beispielsweise Symbole für politische Engagements oder Fan-Zugehörigkeiten sowie religiöse Symbole aller Religionen.»

Der Kiosk-Konzern Valora, bekannt für seine Marken Brezelkönig, Avec oder Caffè Spettacolo, handhabt das Thema hingegen liberaler, wie Sprecher Sascha Heiniger auf Anfrage bestätigt: «Wir haben keine derartigen Vorgaben gegenüber unserem Personal, also auch kein Kopftuchverbot.»

Post und Valora mit liberalerer Regelung

Und wie geht die Schweizerische Post mit der Thematik um? «Die Post bekennt sich zur Chancengleichheit und damit zu Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Religionen», sagt Sprecherin Jacqueline Bühlmann. «Darum dürfen die Mitarbeitenden Kleidungs- und Schmuckstücke mit religiöser Motivation, zum Beispiel Kreuze oder der Davidsstern an einer Kette, Hindu-Stirnzeichen, Kippa, Kopftuch oder Dastar grundsätzlich tragen.» Diese Regelung gelte auch im Kundenkontakt.

Post-Sprecherin Jacqueline Bühlmann sagt, dass beim Staatskonzern kein Kopftuchverbot besteht fürs Personal.
Post-Sprecherin Jacqueline Bühlmann sagt, dass beim Staatskonzern kein Kopftuchverbot besteht fürs Personal.Bild: zvg

Bühlmann verweist auf den verfassungsmässigen Anspruch auf die Wahrung der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Bei der Post würden Menschen aus über 100 Nationen arbeiten, entsprechend gross sei die kulturelle Vielfalt. «Wir wollen bewusst das Potenzial dieser Vielfalt nutzen und eine Unternehmenskultur pflegen, die von Wertschätzung und Vielfalt geprägt ist.»

Deshalb bestünden keine konzernweiten Richtlinien in Bezug auf das Tragen von Kleidungs- und Schmuckstücken mit religiöser Motivation am Arbeitsplatz und entsprechend auch keine generelle Bewilligungspflicht bezüglich des Tragens von Kopftüchern, sagt Bühlmann.

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346 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Schoggistängel
22.02.2024 06:07registriert April 2021
Der Kündigungsgrund wird nicht das Kopftuch sein, sondern die anschliessende Arbeitsverweigerung.
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Garp
22.02.2024 06:46registriert August 2018
Arbeitgeber können Kleidervorschriften machen, an die hat man sich dann zu halten, wenn man den Vertrag unterschreibt.
Will man sich nicht mehr daran halten, muss man sich einen neuen Job suchen.
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Alice im Wunderland
22.02.2024 06:30registriert Mai 2020
Was mich an diesem Fall stört ist, dass erst nach Jahren ein Bedürfnis entsteht (das kann es ja geben), und dieses dann mit Vehemenz durchzusetzen versucht wird.
Ich frage mich ob dies bei der Einstellung nicht klar kommuniziert wurde?
Im Personalreglement wird es bestimmt enthalten sein.
Das fehlen aufgrund von Unwohlsein nachdem man seinen Willen nicht durchsetzen konnte finde ich ebenfalls problematisch.
Da wäre es wohl sinnvoller gewesen, zu klagen während man weiter seiner Arbeit nachgeht, evtl. hätte man so auch bessere Chancen zu gewinnen.
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