Selten gab es in der Schweiz einen derartigen Rummel um ein Volksbegehren. Die Lancierung der Initiative «Stopp-F-35» von der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA), SP und Grünen konnte die Öffentlichkeit in Echtzeit verfolgen. Regelmässig gab es Wasserstandsmeldungen zu den gesammelten Unterschriften; Gerüchten zufolge lauerten manche Journalisten sogar Standaktionen auf, um die dort erzählten Zahlen mit jenen auf der Webseite abzugleichen.
Das öffentliche Interesse erklärt sich aus der vielschichtigen Gemengelage. Es geht schliesslich um viel Geld, das die Schweiz für neue Kampfjets ausgeben will, sechs Milliarden Franken - und Kampfjets waren schon in der Vergangenheit oft eine Plattform für Richtungsentscheide, nicht selten an der Urne hoch umstritten. Schnell einmal dreht sich die Frage darum, ob die Schweiz eine klassische Armee haben sollte.
Die Diskussion um den F-35 hat mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs zusätzlichen Schub erhalten, nicht zuletzt dank Verteidigungsministerin Viola Amherd. Zuerst wollte sie die Initiative abwarten, bevor sie die Kaufverträge unterzeichnet. Später setzte sie Druck auf, dass die Initiative am liebsten gar nicht zur Abstimmung gelange.
Allem Geplänkel zum Trotz: Nun ist es so weit. Mehreren Quellen zufolge hat die GSoA bei der Bundeskanzlei einen Termin für die offizielle Einreichung beantragt. Es ist der Donnerstag, 11. August, also nächste Woche. Es handelt sich dabei allerdings um einen frühestmöglichen Termin. Ob er eingehalten werden kann, liegt nicht in den Händen der Initiantinnen und Initianten. «Es liegt an den Gemeinden, die beglaubigten Unterschriften so rasch als möglich zurückzuschicken», heisst es auf Anfrage bei der GSoA. Am Montag macht das Initiativkomitee einen Kassensturz. Dann sollte feststehen, ob es bereits für nächsten Donnerstag reicht.
Der noch grössere Wettlauf gegen die Zeit beginnt aber erst mit der Übergabe der Unterschriften. Die Schweiz hat mit den USA einen Vorvertrag für den Kampfjet-Deal ausgehandelt, der Ende März ausläuft. Sollte die Schweizer Stimmbevölkerung vorher ihren Segen zu diesem Typenentscheid geben, kommt eigentlich nur noch der Abstimmungstermin von Mitte März infrage. Doch dass dieser eingehalten werden kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt zu bezweifeln, wie schon der «Tages-Anzeiger» vorrechnete.
«Damit die «Stopp-F-35»-Initiative für eine Abstimmung am 12. März 2023 in Frage käme, müssten die Maximalfristen von Bundesrat (Verabschiedung Botschaft) und Parlament (Bundesbeschluss) erheblich unterschritten werden», lässt die Bundeskanzlei auf Anfrage verlauten. Konkret: Damit der Bundesrat spätestens im November die Abstimmung ansetzen kann, müssen National- und Ständerat bereits in der Herbstsession das Geschäft behandeln. Noch davor bräuchte es dazu eine Botschaft des Bundesrates.
Zum Vergleich: Normalerweise kann sich der Bundesrat bis zu einem Jahr Zeit lassen, die Botschaft zu einer Initiative zu formulieren. Für das Parlament gilt sogar eine Maximalfrist zwischen Einreichung und Schlussabstimmungen von 30 Monaten. Es bräuchte also ein Eilverfahren auf allen Ebenen der Bundespolitik - und damit viel guten Willen, der Initiative einen Sonderstatus einzureichen. Davon ist nicht unbedingt auszugehen; in beiden Kammern dürfte die Initiative einen schweren Stand haben.
Dass der Bundesrat Tempo aufnehmen kann, bewies er anlässlich der Minarettinitiative. Nach der Einreichung vergingen keine 24 Stunden, da hatte die Landesregierung das Anliegen bereits zur Ablehnung empfohlen. Doch selbst dann verging bis zum Abstimmungstermin noch mehr als ein ganzes Jahr.