Der Bundesrat will nicht warten. Er hat letzte Woche entschieden, die Beschaffungsverträge für den Kampfjet F-35 mit der US-Regierung «bis spätestens am 31. März 2023 und damit innerhalb der Gültigkeit der Offerten zu unterzeichnen». Dies ungeachtet einer Abstimmung über die Volksinitiative «Gegen den F-35 (Stopp F-35)» von GSoA, SP und Grünen.
«Wir könnten frühestens im Frühjahr 2024 über die Initiative abstimmen», hatte Verteidigungsministerin Viola Amherd während der Debatte über die Aufstockung des Armeebudgets in der Sondersession des Nationalrats am 9. Mai erklärt. Denn 2023 ist ein Wahljahr. In der zweiten Jahreshälfte finden dann in der Regel keine Sachabstimmungen statt.
Juristisch befindet sich der Bundesrat auf der sicheren Seite. Eine Volksinitiative hat keine aufschiebende Wirkung. Die Auswirkungen auf den politischen Prozess wären unabsehbar. Dennoch hat sein Vorpreschen mehr als nur einen Schönheitsfehler. Es degradiert die Abstimmung über die Anti-F-35-Initiative zu einem symbolischen Akt ohne konkrete Folgen.
Vor allem aber widerspricht es den Gepflogenheiten unserer direkten Demokratie. Viola Amherd ist sich dessen bewusst, weshalb sie kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs einen eher hilflosen Appell an die Initianten richtete, ihre noch gar nicht eingereichte Volksinitiative zurückzuziehen. Nun aber eröffnet sich die Möglichkeit, das Dilemma elegant zu lösen.
Am Freitag teilte das Initiativkomitee mit, es habe mehr als 100’000 Unterschriften beisammen. Zur Absicherung würden «mit Hochdruck» Reserveunterschriften gesammelt, doch einem baldigen Abschluss dürfte nichts im Wege stehen. Man werde die Initiative in den Sommermonaten einreichen, sagte GSoA-Sekretärin Anja Gada dem «Sonntagsblick».
Wenn Bundesrat und Parlament es wollen, könnte danach rasch abgestimmt werden. Einen mehr als passenden Präzedenzfall gibt es: Vor genau 30 Jahren sammelte die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee schon einmal Unterschriften für eine Volksinitiative, um den Kauf eines amerikanischen Kampfflugzeugs zu verhindern. Damals ging es um den F/A-18.
In nur 34 Tagen kamen mehr als 500’000 Unterschriften zusammen, von denen rund 180’000 für gültig erklärt wurden. Eingereicht wurde die Initiative am 1. Juni 1992, und nur etwas mehr als ein Jahr später, am 6. Juni 1993, fand die Volksabstimmung statt. Sie endete für die GSoA nach dem tollen Sammelerfolg ernüchternd: 57,2 Prozent sagten Nein.
Dieser Zeitplan liesse sich beschleunigen: Wird die Initiative gegen den F-35 zeitnah eingereicht, kann der Bundesrat seine Botschaft in einer der ersten Sitzungen nach der Sommerpause verabschieden. Sie lässt sich salopp formuliert auf einen Satz beschränken: «Der Bundesrat empfiehlt die Volksinitiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung.»
Ähnlich rasch könnten National- und Ständerat die Vorlage in den Kommissionen und im Plenum abfertigen, bis zur Schlussabstimmung der Wintersession am 16. Dezember. Die Mehrheitsverhältnisse in beiden Kammern sind eindeutig. Die Abstimmung liesse sich auf den 12. März 2023 terminieren. Das wäre schneller als gewöhnlich, aber machbar.
«Eine Abstimmung im März 2023 ist weiterhin möglich, juristisch steht dem nichts im Weg», schreibt das Komitee in seiner Mitteilung. Es stimmt, die Initiative gegen den F-35 ist eine fragwürdige Zwängerei. Denn das Stimmvolk hat den Kauf eines neuen Kampfflugzeugs im November 2020 im Grundsatz bereits angenommen, wenn auch äusserst knapp.
Dennoch gebietet es der Respekt vor der direkten Demokratie, die Volksabstimmung wenn möglich vor dem endgültigen Kaufentscheid durchzuführen. Ausserdem können so die Berichte der Geschäftsprüfungskommission (GPK) und der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) abgewartet werden. Sie untersuchen den Beschaffungsprozess für den F-35.
Linke und Grüne erhoffen sich dadurch Munition für den «Abschuss» des US-Jets. Ob das gelingt, ist fraglich. Die Erfolgschancen der Initiative sind mit dem Ukraine-Krieg ohnehin in den Keller gesunken. Sagt das Stimmvolk am 12. März 2023 Nein, kann Viola Amherd tags darauf die Verträge unterzeichnen – wie im Entscheid von letzter Woche vorgesehen.
Es geht in diesem Artikel vergessen, dass man bereits zum Kauf einer dieser vier zur Auswahl stehenden Flugzeuge entschieden hat. Somit ist es wahrlich nicht nötig, diesen Entscheid abzuwarten. Die Scheinargumente wie "nicht erprobt" (einer der meistbestellten Jets) oder "zu teuer" (hat sich finanziell gegen EF, Superhornet und Rafale durchgesetzt) uvm. sind nicht ergründbar. Ausserdem kauft das europäische Ausland ebenfalls grosse Stückzahlen, womit der EF wohl an Bedeutung verlieren wird. Unter dem Strich also eine schwierig zu begründende Initiative, ausser ideologisch.