Am Dienstag lanciert CH Media, zu dem auch diese Zeitung gehört, den Streaming-Dienst oneplus. Roger Elsener, Chef der Entertainment-Sparte mit TV-Sendern wie 3+, Tele Züri und TV 24 und Radiosendern wie Radio 24, FM1 und Radio Argovia, sagt, warum es noch eine Plattform braucht und wieso ihn der Bund kritisiert.
Am Dienstag lancieren Sie den Streamingdienst oneplus. Warum?
Roger Elsener: Es ist Zeit für uns, in den Streaming-Bereich einzusteigen. Inhalte werden vermehrt zeitversetzt und online konsumiert, vor allem in der jungen Zielgruppe, auf die wir uns fokussieren. Es gibt schon viele Streamingdienste, aber keine mit Schweizer Unterhaltungsinhalten. Diese Lücke können wir füllen.
Mit was denn? Werden die Eigenproduktionen der CH-Media-Sender wie 3+ oder TV24 vor ihrer Ausstrahlung im Fernsehen auf der Plattform zu sehen sein?
Ja. Abonnentinnen und Abonnenten werden diese Inhalte auf oneplus werbefrei streamen können. Das wird ein wichtiges Zugpferd für die Abozahlen. Wir werden auch «Originals» produzieren, also Schweizer Eigenproduktionen nur für die Plattform. Ab 2022 werden wir die Zahl der Eigenproduktionen damit fast verdoppeln.
Können Sie ein Beispiel für «Originals» geben?
Wir stellen uns breiter auf als bisher, bleiben aber unseren Kernthemen treu. Wir werden nächste Woche mit der Reality-Sendung «Reality Shore» starten. Aber wir werden zum Beispiel auch Dokumentationen oder fiktionale Spielfilme produzieren - etwas, das wir bisher noch nie gemacht haben.
Inhalte nur für eine Schweizer Streaming-Plattform – können Sie sich das leisten?
Unser Businessplan sieht einen Break-Even nach wenigen Jahren vor. Der Verwaltungsrat würde keine Investments genehmigen, die sich erst nach 50 Jahren refinanzieren lassen.
oneplus kann gratis genutzt werden, aber es gibt auch ein kostenpflichtiges Angebot für 5.90 Franken im Monat. Was ist der Unterschied?
Das Premium-Abo für 5.90 Franken hat keine Werbung. Zudem werden die «Originals» zunächst nur für Abonnentinnen und Abonnenten zu sehen sein. Weiter wird es exklusive Filme, Serien und ein riesiges Angebot an Inhalten für Kinder geben, die nur für Abonnentinnen und Abonnenten zugänglich sind.
Trotzdem dürfte das Gratis-Angebot deutlich beliebter werden.
Auch wenn wir mit oneplus das schweizweit kostengünstigste werbefreie Streamingangebot bieten, wird es deutlich mehr Gratis-Nutzer geben als zahlenden Abonnentinnen und Abonnenten. Erlösseitig dürfte es genau umgekehrt sein: Die Abonnenten werden mehr zu den Einnahmen beitragen. Das ist wichtig, denn nur so können wir uns die teuren Schweizer Eigenproduktionen leisten.
Welche Filme und Serien werden auf oneplus zu sehen sein?
Einerseits sind es die Inhalte, die wir im Fernsehen zeigen. Die werden bis 30 Tage nach Ausstrahlung auf oneplus zu streamen sein. Für Abonnentinnen und Abonnenten haben wir zusätzlich sehr viele Inhalte zugekauft. Das sind zigtausend Film- und Serien-Titel, sehr viele davon gibt es exklusiv bei uns zu sehen. Wir haben Verträge mit diversen Hollywood-Studios sowie mit unseren Schweizer Joint-Venture-Partnern Ascot Elite und Impuls Pictures. Wir haben privilegierten Zugriff auf deren Kinofilme. Pro Woche werden wir so auch je einen Film, eine Serie und ein Original exklusiv auf oneplus zeigen können, die es sonst nirgends zum Streamen gibt.
Und Sportinhalte?
Sport ist ebenfalls Bestandteil von oneplus. Wir werden die grossen Sportereignisse auch dort live streamen - das Champions-League-Final beispielsweise. Es wird dabei bei der Zusammenarbeit mit der Swisscom-Tochter Blue bleiben. Wir haben einen guten und langfristigen Vertrag.
Zunächst wird es Apps für iOS- und Android-Geräte geben, zudem wird oneplus auf die Box von Quickline integriert. Wann folgt die Integration bei der Swisscom, Sunrise UPC oder auf Smart TVs?
Das kommt. Es ist eine hohe Belastung für das Team, neue Apps zu entwickeln. Deshalb haben wir uns in einem ersten Schritt auf die wichtigsten Apps fokussiert. Weitere werden in absehbarer Zeit folgen, etwa für Swisscom, Sunrise UPC oder Samsung Smart TV's.
Wäre es nicht auf der Hand gelegen, mit deutschen Privatsendern zusammenzuarbeiten, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen?
Wir haben alle Optionen ausgelotet. Wir waren offen für eine Kooperation mit der SRG, aber deren Einschränkungen wären zu gross gewesen. Der «Bachelor» zum Beispiel hätte auf einer gemeinsamen Plattform nicht stattfinden dürfen. Die SRG wollte zudem «Play Suisse» so schnell wie möglich an den Start bringen und sich darauf fokussieren.
Wir sprechen aber weiter über gemeinsame Logins. Das finden beide Seiten sinnvoll. RTL wiederum sieht seine Prioritäten zunächst mal in Deutschland. Auch Pro7 bringt ihren Streaming-Dienst «Joyn» vorderhand nicht in die Schweiz. Pro7 Schweiz hat deshalb die österreichische Online-TV-Plattform «Zappn» für die Schweiz adaptiert. Insgesamt war es deshalb nur richtig, dass wir unseren eigenen Streaming-Dienst machen.
Fürs Publikum wird es langsam unübersichtlich. Es gibt bereits etliche Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime, nun kommen auch noch jene der Fernsehsender hinzu.
Im Fernsehen gibt es de facto mehrere Tausend Sender. Bei den Streaming-Diensten ist es ähnlich. Wir sind gerne auf Plattformen neben anderen Anbietern platziert und stellen uns dem Wettbewerb. Aggregatoren wie Swisscom oder Sunrise UPC werden Mittel finden, über Such- und Empfehlungsfunktionen ein ähnliches Universum der Streaming-Dienste zu schaffen, wie es heute im Fernsehen der Fall ist. Wenn wir dafür Hand reichen können, machen wir das. Wenn Bewegtbild über mehrere Plattformen hinweg bequem genutzt werden kann, hilft uns das.
Das Replay TV, das in einer Branchenlösung geregelt ist, wird nicht wie ursprünglich geplant auf 14 Tage ausgedehnt, sondern bleibt bei nur 7 Tagen – ein Nachteil fürs Fernsehpublikum. Waren Projekte wie oneplus mit ein Grund dafür?
Nein. Wir waren für 14 Tage. Die SRG war dagegen und konnte sich durchsetzen. Natürlich können wir jetzt davon profitieren, wenn wir die Inhalte auf oneplus länger anbieten können.
Wie viel Werbung wird es auf oneplus geben?
Es wird einzelne Spots zu Beginn und während der Videos geben, aber keine längeren Werbeblöcke, ähnlich wie bei Youtube. Aber wir werden die Spots im Gegensatz zu Youtube so platzieren, dass sie nicht einfach mitten im Satz abgespielt werden, sondern dramaturgisch sauber eingebettet sind.
Mit Schweizer Eigeninhalten haben Sie mit ihren Fernsehsendern mehr Erfolg als die deutsche Konkurrenz, die sich in der Vergangenheit auch schon daran versucht hat. Warum?
RTL und Pro7Sat1 sind ja in der Schweiz durchaus beliebt. Aber ihr Erzählstil und die Art und Weise, wie sie Protagonisten auswählen und behandeln, ist deutsch. Zuschauerinnen und Zuschauer in der Schweiz mögen die oft zu direkte und zuweilen fast schon fiese Erzählart nicht so sehr. Deshalb muss man in Schweizer Formaten alles etwas anders erzählen. Wir setzen immer Mitarbeitende von uns auf die Produktionen, die darauf achten. Am meisten Einfluss nehmen kann man beim Casting. Das machen wir darum immer selbst. Wir casten jedes Jahr über 1500 Protagonisten für unsere Formate. Wir schauen dabei, dass das Schweizer Werteschema gut repräsentiert wird.
Eine Sendung wie «Frauentausch» würde also auch hier funktionieren, aber nur mit netten Familien?
Die Frage ist, ob wir das überhaupt produzieren würden. Das Konzept geht an eine Grenze, die hierzulande wohl nicht goutiert würde. Deshalb hat auch die frühere 3+-Sendung «Liebesglück im Osten» nicht so gut funktioniert. Richtig erfolgreiche Formate sind jene, welche die Protagonisten ernst nehmen. Wir machen Reality-Shows, aber immer mit Humor und indem wir die Menschen ernst nehmen.
Welche Formate stehen auf der Wunschliste?
Die ist lang. Wir gehen empirisch vor und nicht nach Bauchgefühl. Wir machen Formate, die weltweit gut funktionieren, um das Risiko zu minimieren. Es sind deshalb häufig solche, die wir in der Schweiz aus dem Ausland schon kennen. Gute Formate funktionieren global durch alle Kulturschichten, wenn sie intelligent für das jeweilige Land adaptiert werden.
Der Deutschschweizer Markt ist klein. Ein Schweizer «Dschungelcamp» wäre wohl zu teuer.
Das haben wir tatsächlich schon oft durchgerechnet. Wir haben es bisher nicht geschafft, das Format auf eine tragfähige Basis zu stellen. Wir schaffen es aber trotzdem, viele internationale Top-Formate in die Schweiz zu bringen - mit gewissen Kniffs, welche die Formate günstiger machen, aber sich nicht negativ auf die Qualität auswirken und damit für den Zuschauenden unbemerkt bleiben.
Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) hat CH Media gerade eben wegen der publizistischen Leistung von vier Regionalfernsehsendern gerügt. Sie zeigten zu wenige regionale Nachrichten. Wie reagieren Sie darauf?
Wir erhalten Konzessionsgelder und die sollen sinnvoll eingesetzt werden. Das respektieren wir und dafür stehen wir. Es ist auch richtig, dass das Bakom eine Aufsichtspflicht hat. Aber die neue Art, wie es journalistische Qualität misst, nämlich, indem Minuten gezählt werden, ist der falsche Ansatz.
Warum?
Qualität misst sich nicht in der Dauer der Erzählung, sondern an anderen Parametern. Ich habe selbst Publizistik studiert. Dort hiess es immer, dass News neutral, ausgewogen, zusammenfassend und einordnend sein sollen. Je kondensierter man das schafft, desto besser, da die Aufmerksamkeitsspanne der Rezipienten beschränkt ist. Die Methode geht darum genau in die falsche Richtung. Die gemäss Bakom besten TV-Sender haben proportional zur Population im Konzessionsgebiet nicht einmal halb so viel Publikum wie wir. Und dann gibt es Absurditäten: Ein Heimspiel des FC Aarau gilt für Tele M1 in den Augen des Bakom als relevant, aber wenn der FC Aarau auswärts spielt, ist das nicht mehr relevant.
Trotzdem hat das Bakom ein Aufsichtsverfahren eröffnet.
Wir sind der Auffassung, dass wir den Leistungsauftrag erfüllt haben und wir haben das dem Bakom auch entsprechend mitgeteilt. Dennoch machen wir uns selbstverständlich Gedanken, wie wir mehr zählbare Minuten erreichen können, ohne die Hälfte unseres Publikums zu verlieren.
CH Media betreibt auch diverse Radiosender nur auf DAB, etwa Virgin Radio Rock und Virgin Radio Switzerland. Bei letzterem gab es in der jüngeren Vergangenheit viele Umpositionierungen. Wurde nun ein Rezept gefunden?
Virgin Radio Rock ist sehr erfolgreich und wächst schnell und gut. Bei Virgin Radio Switzerland sind wir tatsächlich nicht so gewachsen, wie wir uns das vorgestellt haben. Die Hörerzahlen sind nicht schlecht und stabil, aber auf zu tiefem Niveau. Wir werden den Sender deshalb umpositionieren. Zunächst einmal wird es in der Weihnachtszeit ein Weihnachts-Hitradio werden. Das gab es in der Schweiz noch nicht. Ab Anfang Jahr werden wir einen neuen nationalen Radiosender lancieren. Details dazu sind noch geheim.
Weil Roger Schawinski gegen die UKW-Abschaltung mobil machte, erfolgt sie für Privatradios jetzt erst Ende 2024 statt 2023. Sind Sie damit zufrieden?
Wir hätten es lieber anders und früher gehabt. Jetzt gilt es, das zu akzeptieren. Das bedeutet für uns jetzt doppelte Verbreitungskosten für DAB und UKW. Die Technologieförderung des Bundes für DAB fällt nächstes Jahr weg. Wir würden uns wünschen, dass dies im Lichte der aktuellen Entwicklung nochmals überdacht würde. Unsere grössere Sorge ist aber etwas anderes, nämlich die geplante neue Regelung der Radiokonzessionen.
Wieso ist das ein Problem?
Künftig soll es pro Region ein Gebührenradio mit Konzession geben, das keinen Gewinn ausschütten darf. Wir betreiben kommerzielle Radios. Wenn wir uns nicht auf die Konzessionen bewerben, erhalten wir in jedem Gebiet einen staatlich subventionierten Konkurrenten. So besteht die Gefahr, dass neben den heute erfolgreichen Radiosendern flächendeckend neue subventionierte Zombieradios entstehen, die zu wenig Publikumserfolg zum Leben und durch die Subventionen zu viel zum Sterben haben. Sie konkurrenzieren uns auf dem Werbemarkt trotzdem, wodurch auch wir gezwungen wären, publizistische Leistung abzubauen. Das könnte den ganzen Radiomarkt und damit die publizistische Medienvielfalt schwächen.
Was wäre eine sinnvolle Lösung?
Der Radiomarkt spielt gut. Indirekte Förderung würde mehr Sinn machen, etwa mit der Weiterführung der Technologieförderung.
An der Regulierungsfront haben Sie viel zu tun. CH Media ist auch gegen die Lex Netflix. Warum?
Wir müssten 4 Prozent des Bruttoertrags unserer TV-Sender und des Streaming-Dienstes oneplus in die Schweizer Filmförderung investieren. Das kommt einer Steuer gleich, aber wir bezahlen als privates Unternehmen schon Steuern. Ausserdem bringt es eine ganze Industrie von privaten TV-Sendern in Nöte. Wir sind mit sinkenden Werbemärkten konfrontiert. Die 4 Prozent müssen selbst dann abgeführt werden, wenn wir Verluste schreiben würden.
Ein durchschnittlicher TV-Sender hat eine Gewinnmarge von 5 Prozent. Nimmt man davon 4 Prozent weg, wird es schnell kritisch. Hier werden unabhängigen Filmproduzenten auf dem Buckel der Schweizer TV-Sender subventioniert. 3+, TV24 und Co. haben ohne jede Subvention erfolgreich viele Arbeitsplätze geschaffen und müssen jetzt quasi Branchen-Kollegen zwangssubventionieren. Zudem gibt es fragliche Teilaspekte.
Was meinen Sie damit?
Warum werden wir verpflichtet, in unabhängiges Filmschaffen zu investieren? Wir könnten mit unseren Crews auch selbst Spielfilme, Serien oder Dokumentationen für unseren Streaming-Dienst oneplus produzieren. Wären durch uns produzierte Inhalte schlechter als die von unabhängigen Produzenten? Ich wage das zu bezweifeln.
Das Gesetz fördert die Branche der unabhängigen Filmproduzenten, die mit jeweils einer Hand voll fix Angestellten und sehr viel freien, oft ausländischen Mitarbeitenden agieren, die auf Projektbasis angeheuert werden. Wollen wir das? Zudem würde das neue Gesetz uns TV-Sender schlechter stellen. Wir können Werbung für Kinofilme nicht mehr im bisherigen Umfang anrechnen. Dies, obwohl niemand ernsthaft bezweifeln kann, dass Filme Werbung brauchen, um Erfolg haben zu können. Es ist kein gut durchdachtes Gesetz. (aargauerzeitung.ch)
Das Aus wird also in 2-3 Jahren kommuniziert.