Franziska Quadri wirkt verhalten glücklich, als sie das Telefon abnimmt. Die 47-jährige Tetraplegikerin brach sich vor 13 Jahren mehrere Halswirbel bei einem Gleitschirmunfall und ist seither vom Hals an abwärts gelähmt. Das einzige, was ihr gegen die permanenten Schmerzen hilft: Cannabis. Neu könnte sie sich dieses vom Hausarzt verschreiben lassen.
Grund dafür ist eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, die das Verbot von Cannabis zu medizinischen Zwecken aufhebt. Die Zeiten, in denen man eine Ausnahmebewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) einholen musste, sind vorbei. «Das ist ein Schritt in die richtige Richtung», sagt Franziska Quadri. Als Präsidentin des Vereins Medical Cannabis (Medcan) setzt sie sich seit Jahren für die Förderung von medizinischem Marihuana ein.
Die Nachfrage nach Behandlungen mit Cannabis ist in den letzten Jahren signifikant angestiegen. Schätzungen des BAG zufolge therapieren sich 100'000 Menschen in der Schweiz mit Cannabis. Es sind Patienten mit Multipler Sklerose (MS), Epilepsie, Krebs oder Querschnittlähmungen. Davon hatten 2018 aber nur 3000 Personen eine Ausnahmebewilligung.
An diesen Verhältnissen wird sich nicht viel ändern, glaubt Quadri. Sie selbst besitzt eine Ausnahmebewilligung, nutzt sie allerdings nicht. «Die meisten Patienten holen sich eine Bewilligung, probieren die Medikamente einmal und wechseln dann wieder auf den Schwarzmarkt, weil die Medikamente nicht stark genug und zu teuer sind.»
Quadri selbst besorgt sich ihr Gras auch auf dem Schwarzmarkt. Sie verbraucht bis zu 300 Gramm im Monat – in Form von Cremes, Butter, Ölen und Blüten, welche sie inhaliert. «Es gibt momentan drei zugelassene Cannabismedikamente. Eine Flasche Cannabisextrakt kostet 700 Franken.» Cremes, Blüten oder Butter gebe es nicht. Würde sie nur auf das legale Mittel setzen, so müsste sie ein Fläschchen pro Tag trinken. Die monatlichen Kosten würden sich auf 21'000 Franken belaufen. Die Krankenkasse zahlt nichts davon.
«Die Behandlungen werden derzeit nur in Ausnahmefällen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergütet», heisst es vom BAG. Der Grund: fehlende Nachweise zur Wirksamkeit. «Die Krankenkassen wollen Studien. Am besten für jede Krankheit eine eigene. Das wird aber in naher Zukunft nicht passieren», sagt Quadri.
Die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte sind zwar verpflichtet, dem BAG während der ersten Jahre Angaben zur Behandlung zu übermitteln. Eine wissenschaftliche Begleitung der Patienten, so wie es sich Medcan wünscht, wird es jedoch nicht geben. «Die Ärzte werden weder Zeit noch Lust haben, die Patienten intensiv zu begleiten. Das sieht man in Deutschland, wo kürzlich Daten aus fünf Jahren Begleitung veröffentlicht wurden. Kurz gesagt: Sie sind nicht zu gebrauchen», sagt Quadri.
Medcan befindet sich deswegen mit verschiedenen Patienten und Interessengruppen im Gespräch, um eine eigene Datenbank auf die Beine zu stellen. «Daraus könnte man vielleicht zukünftig wissenschaftliche Erkenntnisse ziehen. Aber das bleibt wahrscheinlich ein Wunschtraum.»
Damit nicht genug der Probleme. Das BAG hat angekündigt, dass die Verschreibung zukünftig «unkompliziert» erfolgen wird. Oft muss die Patientin aber «austherapiert» sein, sprich alle pharmazeutischen Medikamente getestet haben, bevor Cannabis überhaupt ausprobiert werden darf.
Die Rolle der Ärzteschaft könnte ebenfalls zum Stolperstein werden, da Cannabis nie Teil ihrer medizinischen Ausbildung war. «Die Ärzte haben keine Erfahrung in diesem Bereich», sagt Quadri. Es benötige Aufklärungsarbeit. «Die Ärztin wird nicht von sich aus auf die Patienten zugehen und sagen: ‹Hey, Cannabis wäre auch noch eine Option.›»
Mit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes dürfte sich also vorerst nicht viel ändern. Das Angebot an Medikamenten ist momentan noch unzureichend und oftmals unerschwinglich. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten nur in Ausnahmefällen und die Ärzte sind zu wenig aufgeklärt.
Trotzdem ist Franziska Quadri optimistisch. «Die Gesetzesänderung ist für mich eine Bestätigung der Politik, dass Cannabis eine medizinische Wirkung hat.» Sie ist sich zudem sicher, dass in den nächsten Jahren neue Medikamente auf den Markt kommen werden. «Wir wurden in den letzten Monaten von vielen Firmen kontaktiert. Die Pharmabranche steht in den Startlöchern. Sie ist bereit, um im Cannabismarkt mitzumischen», sagt Quadri. Bis es so weit ist, werden sich aber wahrscheinlich zehntausende Patienten weiterhin selbst therapieren müssen.
Aber Homöopathie ist seit 2017 sogar von der Grundversicherung gedeckt...
Ich glaub ich bin im falschen Film...
Zahlen aber Homöopathie als ob dort eine einzige Studie gäbe die eine Wirksamkeit bestätigen würde. Die Krankenkassen haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun.