Der Abstimmungstermin steht fest: Im September entscheidet die Schweiz über die Abschaffung des Eigenmietwerts. Weil das Parlament gleichzeitig eine neue Steuer für Zweitwohnungen einführen will, braucht es eine Verfassungsänderung. Und damit nicht nur eine Mehrheit der Stimmbevölkerung, die Ja sagt – sondern auch der Kantone. Und genau daran könnte die Vorlage scheitern.
Viele der Kantone sind skeptisch gegenüber dem Systemwechsel – auch, da ihnen grosse Einnahmeausfälle drohen. Das gilt besonders für die Bergkantone mit einem hohen Zweitwohnungsanteil. Nach langem Ringen hat sich das Parlament für einen kompletten Systemwechsel ausgesprochen. Was heisst: Der Eigenmietwert soll auch für Zweitwohnungen fallen.
Voraussichtlich werden sich die Kantone positionieren. Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) will das Geschäft an ihrer Plenarversammlung nächster Woche besprechen. Das auf Antrag der Finanzdirektorenkonferenz (FDK), wie deren Generalsekretär Peter Mischler bestätigt. Unter den kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren war der Widerstand gegen die Vorlage offensichtlich gross.
Zwar verrät Mischler das Stimmverhältnis nicht, aber er sagt: «Damit die KdK eine Abstimmungsempfehlung aussprechen kann, braucht es die Zustimmung von mindestens 18 Kantonen.» Hätte man sich keine Chancen ausgerechnet, eine solch deutliche Mehrheit zu erreichen, hätte man wohl keinen Positionsbezug der Kantonsregierungen beantragt, sagt er. Bereits in der Vernehmlassung hatten sich viele Kantone deutlich gegen die Vorlage ausgesprochen – viele bevorzugten den Status quo.
Damit kämpft die Vorlage schon jetzt mit starkem Gegenwind. Sagen die Bergkantone Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Tessin und Wallis und dazu die traditionell mieterfreundlichen Westschweizer Kantone Nein, wird die Abstimmung zur grossen Zitterpartie. Kippt noch ein weiterer Kanton ins Nein, ist die Abschaffung gescheitert. Und bei einem klaren Positionsbezug der KdK ist das ein wahrscheinliches Szenario.
Zählen können die Gegner des Eigenmietwerts dafür auf den Gewerbeverband (sgv). Dieser unterstützt den Systemwechsel mit «deutlicher Mehrheit», wie er schreibt. Das ist überraschend. Im Februar erschien in der Zeitung des Gewerbeverbands noch ein Artikel, der genau das Gegenteil propagierte. «Der sgv spricht sich klar gegen eine Reform aus, die gleichzeitig die Abschaffung wesentlicher Steuerabzüge und die Schaffung neuer Steuern kumuliert», schrieb der Ressortleiter Steuerpolitik.
Kurz darauf wurde er zurückgepfiffen, der Artikel wurde online gelöscht. Die Zeitung war da längst gedruckt und verschickt. Auch im entsprechenden E-Paper kann der Text noch nachgelesen werden. Gegenüber der NZZ sagte der Direktor des Gewerbeverbands, dass der Verfasser «vorgeprescht» sei und noch gar keine Parole beschlossen sei.
Beim Gewerbe gibt es Bedenken, dass es künftig ohne die Abzugsmöglichkeiten für Unterhaltsarbeiten weniger Aufträge gibt. Am liebsten wäre es dem bürgerlichen Gewerbeverband gewesen, der Eigenmietwert wäre abgeschafft worden, ohne dass dabei auch die Abzugsmöglichkeiten gestrichen werden. Das hätte allerdings zu noch viel grösseren Einbussen für den Fiskus geführt und die Absturzgefahr für die Vorlage noch einmal deutlich erhöht.
Das Preisschild ist sonst schon hoch. Bei einem Hypothekarzinsniveau von 1,5 Prozent wird mit Ausfällen von 1,78 Milliarden Franken gerechnet. Unter anderem durch die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump sinken die Festhypotheken im Moment in der Tendenz. Der Mittelwert für eine fünfjährige Hypothek liegt laut dem Vergleichsdienst Comparis bei 1,5 Prozent.
Die Steuerverwaltung hat neuerdings auch ein Szenario für die Abschaffung des Eigenmietwerts bei einem Zinssatz von 1 Prozent errechnet. Dann betragen die Ausfälle bereits 2,45 Milliarden Franken. Bei einem Zinsniveau von 3 Prozent wäre der Systemwechsel dagegen ohne Folgen für die Staatskasse, steigt es noch höher, macht der Staat sogar Gewinn – das ist allerdings das deutlich unwahrscheinlichere Szenario als ein weiteres Sinken der Zinssätze. (nib/aargauerzeitung.ch)
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