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Scheitert die Abschaffung des Eigenmietwerts am Ständemehr?

Scheitert die Abschaffung des Eigenmietwerts am Ständemehr? Druck auf die Kantone wächst

Nach langem Ringen hat sich das Parlament auf eine Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts geeinigt. Im September wird abgestimmt. Für die Befürworter des umstrittenen Systemwechsels zeichnet sich eine Zitterpartie ab.
10.06.2025, 07:4210.06.2025, 07:42
Michael Graber / ch media
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Der Abstimmungstermin steht fest: Im September entscheidet die Schweiz über die Abschaffung des Eigenmietwerts. Weil das Parlament gleichzeitig eine neue Steuer für Zweitwohnungen einführen will, braucht es eine Verfassungsänderung. Und damit nicht nur eine Mehrheit der Stimmbevölkerung, die Ja sagt – sondern auch der Kantone. Und genau daran könnte die Vorlage scheitern.

Eigenheimbesitzer könnten bald keinen Eigenmietwert mehr bezahlen müssen - dafür wären aber weniger Abzüge möglich.
Was passiert mit dem Eigenmietwert?Bild: keystone

Viele der Kantone sind skeptisch gegenüber dem Systemwechsel – auch, da ihnen grosse Einnahmeausfälle drohen. Das gilt besonders für die Bergkantone mit einem hohen Zweitwohnungsanteil. Nach langem Ringen hat sich das Parlament für einen kompletten Systemwechsel ausgesprochen. Was heisst: Der Eigenmietwert soll auch für Zweitwohnungen fallen.

Voraussichtlich werden sich die Kantone positionieren. Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) will das Geschäft an ihrer Plenarversammlung nächster Woche besprechen. Das auf Antrag der Finanzdirektorenkonferenz (FDK), wie deren Generalsekretär Peter Mischler bestätigt. Unter den kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren war der Widerstand gegen die Vorlage offensichtlich gross.

Es wird eine Zitterpartie

Zwar verrät Mischler das Stimmverhältnis nicht, aber er sagt: «Damit die KdK eine Abstimmungsempfehlung aussprechen kann, braucht es die Zustimmung von mindestens 18 Kantonen.» Hätte man sich keine Chancen ausgerechnet, eine solch deutliche Mehrheit zu erreichen, hätte man wohl keinen Positionsbezug der Kantonsregierungen beantragt, sagt er. Bereits in der Vernehmlassung hatten sich viele Kantone deutlich gegen die Vorlage ausgesprochen – viele bevorzugten den Status quo.

Damit kämpft die Vorlage schon jetzt mit starkem Gegenwind. Sagen die Bergkantone Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Tessin und Wallis und dazu die traditionell mieterfreundlichen Westschweizer Kantone Nein, wird die Abstimmung zur grossen Zitterpartie. Kippt noch ein weiterer Kanton ins Nein, ist die Abschaffung gescheitert. Und bei einem klaren Positionsbezug der KdK ist das ein wahrscheinliches Szenario.

Zählen können die Gegner des Eigenmietwerts dafür auf den Gewerbeverband (sgv). Dieser unterstützt den Systemwechsel mit «deutlicher Mehrheit», wie er schreibt. Das ist überraschend. Im Februar erschien in der Zeitung des Gewerbeverbands noch ein Artikel, der genau das Gegenteil propagierte. «Der sgv spricht sich klar gegen eine Reform aus, die gleichzeitig die Abschaffung wesentlicher Steuerabzüge und die Schaffung neuer Steuern kumuliert», schrieb der Ressortleiter Steuerpolitik.

Hin und Her beim Gewerbeverband

Kurz darauf wurde er zurückgepfiffen, der Artikel wurde online gelöscht. Die Zeitung war da längst gedruckt und verschickt. Auch im entsprechenden E-Paper kann der Text noch nachgelesen werden. Gegenüber der NZZ sagte der Direktor des Gewerbeverbands, dass der Verfasser «vorgeprescht» sei und noch gar keine Parole beschlossen sei.

Beim Gewerbe gibt es Bedenken, dass es künftig ohne die Abzugsmöglichkeiten für Unterhaltsarbeiten weniger Aufträge gibt. Am liebsten wäre es dem bürgerlichen Gewerbeverband gewesen, der Eigenmietwert wäre abgeschafft worden, ohne dass dabei auch die Abzugsmöglichkeiten gestrichen werden. Das hätte allerdings zu noch viel grösseren Einbussen für den Fiskus geführt und die Absturzgefahr für die Vorlage noch einmal deutlich erhöht.

Das Preisschild ist sonst schon hoch. Bei einem Hypothekarzinsniveau von 1,5 Prozent wird mit Ausfällen von 1,78 Milliarden Franken gerechnet. Unter anderem durch die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump sinken die Festhypotheken im Moment in der Tendenz. Der Mittelwert für eine fünfjährige Hypothek liegt laut dem Vergleichsdienst Comparis bei 1,5 Prozent.

Die Steuerverwaltung hat neuerdings auch ein Szenario für die Abschaffung des Eigenmietwerts bei einem Zinssatz von 1 Prozent errechnet. Dann betragen die Ausfälle bereits 2,45 Milliarden Franken. Bei einem Zinsniveau von 3 Prozent wäre der Systemwechsel dagegen ohne Folgen für die Staatskasse, steigt es noch höher, macht der Staat sogar Gewinn – das ist allerdings das deutlich unwahrscheinlichere Szenario als ein weiteres Sinken der Zinssätze. (nib/aargauerzeitung.ch)

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234 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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1 Stein
10.06.2025 08:06registriert November 2021
Da diskutiert das Parlament schier ein Jahrzehnt über die Abschaffung des EMW, und dann gebärt es einen Vorschlag, der an der Urne versenkt werden wird... was für ein unnützer Leerlauf!
Und damit wieder zurück zu Feld 1
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Il piccone
10.06.2025 08:25registriert August 2021
Neu dürfen Kantone eine Steuer auf den Objektwert von Zweitwohnungen erheben. Gleichzeitig fallen Abzüge für Unterhalt und Hypozinsen (außer für Ersterwerbende) weg. Dir Immobilie fällt zudem bei der vermögenssteuer ins gewicht. Macht doch alles sinn so? Verstehe wie man das jetzt wieder drehen will ohne es absurdum zu führen..
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Tubel vom Dienst
10.06.2025 09:25registriert Januar 2021
Der Eigenmietwert ist nichts anderes als eine verkappte Steuer und gehört grundsätzlich abgeschafft. Im Gegenzug gehören sämtliche Abzugsmöglichkeiten, im Zusammenhang mit Wohneigentum abgeschafft. Das wäre die sauberste Lösung.
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