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Polizeirapport

Stapo Zürich erhöht Sicherheitsmassnahmen vor jüdischen Institutionen

Polizeirapport

Opfer ist ausser Lebensgefahr – Video von mutmasslichem Messerstecher aufgetaucht

03.03.2024, 13:4204.03.2024, 13:09

Das ist passiert

Am Samstagabend hat ein junger Mann in Zürich einen 50-jährigen orthodoxen Juden mit einer Stichwaffe lebensbedrohlich verletzt. Der mutmassliche Täter wurde während des Angriffs von Passanten festgehalten und danach von der Polizei festgenommen.

Die Hintergründe und der Tathergang sind noch immer unklar. Der Angriff habe sich im Zürcher Kreis 2 ereignet. Um 21.35 Uhr sei bei der Einsatzzentrale die Meldung über einen Streit unter mehreren Personen eingegangen.

Der Tatort des Messerangriffs.
Der Tatort des Messerangriffs.bild: tele züri

Die Polizei konnte den Verdächtigen wenig später am Tatort festnehmen. Der verletzte 50-jährige Mann musste durch die Sanität hospitalisiert werden, wie die Stadtpolizei Zürich schrieb. Die laufenden Ermittlungen würden die Möglichkeit eines antisemitisch motivierten Verbrechens explizit einschliessen, hiess es.

So geht's dem Opfer

Der Gesundheitszustand des Opfers der Messerattacke hat sich leicht verbessert. Der 50-Jährige schwebt nicht mehr in Lebensgefahr.

«Wir können mitteilten, dass das Opfer ausser Lebensgefahr ist», teilte Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG), am Montagmorgen auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Der Mann müsse aber bis auf Weiteres intensiv betreut werden.

Das weiss man über den Täter

Wie die Stadtpolizei Zürich berichtet, handelt es sich beim Tatverdächtigen um einen 15-jährigen Schweizer. Wie der Schwager des Opfers gegenüber «20 Minuten» sagt, soll der Jugendliche kurz nach dem Angriff gesagt haben, es sei seine Aufgabe, «alle Juden zu töten».

Weiter soll der Tatverdächtige gesagt haben, er gehöre zu den Al-Aqsa-Brigaden. Dabei handelt es sich um einen militanten Flügel der palästinensischen Fatah-Partei. Diese hat international schon mehrere Attentate verübt und Dutzende Menschen getötet. In der EU und in die USA wird sie deshalb als Terrororganisation eingestuft.

Die Zürcher Jugendanwaltschaft hat am Montag auf Anfrage von Keystone-SDA keine weiteren Auskünfte zum Stand des Verfahrens gegen den mutmasslichen Täter des Messerangriffs gemacht.

Ein amerikanisches Newsportal, das seit 20 Jahren jihadistischen Terror überwacht, publizierte am Sonntag (Ortszeit) ein Bekennervideo des mutmasslichen Täters. Darin schwört er dem IS die Treue. Gemäss «Blick» würden Angehörige des Opfers den mutmasslichen Täter im Video erkennen. Eine Bestätigung von offizieller Seite gab es bislang nicht.

So wird in der Stadt reagiert

Die Stadtpolizei Zürich habe nach Rücksprache mit den jüdischen Organisationen der Stadt Zürich die Sicherheitsvorkehrungen rund um spezifische Örtlichkeiten mit jüdischem Bezug vorsorglich erhöht, teilte die Stadtpolizei am Sonntagnachmittag mit. Dabei wird sie auch von der Kantonspolizei Zürich unterstützt.

Hunderte halten Mahnwache

Nach dem Angriff ahaben sich am Sonntagabend nach ersten Schätzungen mehrere Hundert Menschen zu einer Mahnwache versammelt. Viele trugen gelbe Regenschirme. Sie gelten als Symbol gegen Antisemitismus.

Die Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer zogen vom Tatort im Zürcher Kreis 2 zum Helvetiaplatz. Dies laut einer Reporterin von Keystone-SDA in Begleitung von Polizei und Sicherheitsleuten.

Kundgebung auf dem Helvetiaplatz nach einer Mahnwache in Zuerich am Sonntag, 3. Maerz 2024. Die Menschen trugen gelbe Regenschirme als Symbol gegen Antisemitismus. Am Samstagabend hatte ein Jugendlich ...
Zahlreiche gelbe Regenschirme in Zürich als Zeichen gegen Antisemitismus.Bild: keystone

Muslimische Organisationen verurteilen Messerangriff

Die Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich (VIOZ) hat den Angriff auf einen 50-jährigen jüdischen Mann vom Samstagabend in Zürich verurteilt. Auch der Präsident des Dachverbands der Schweizer Muslime zeigte sich schockiert.

«Nicht in unserem Namen!» hiess es in der Stellungnahme der VIOZ vom Sonntagabend. Der Verband reagierte damit auf verschiedene Medienberichte, laut denen der jugendliche Schweizer Täter ein antisemitisches Motiv sowie einen Migrationshintergrund aus einem islamischen Land haben soll.

«Wir erheben unsere Stimme und machen klar, dass dies nichts mit der muslimischen Gemeinschaft in Zürich zu tun hat», hiess es in der Stellungnahme weiter. Nichts rechtfertige einen Angriff auf Unschuldige. Man sei in Gedanken mit dem Betroffenen, seiner Familie und der ganzen jüdischen Gemeinschaft.

Auch Önder Güneş, der Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS), zeigte sich schockiert von dem Vorfall in Zürich. «Es ist einfach schrecklich, eine solche Tat ist in keinem Falle tolerierbar und wir Muslime verurteilen sie aufs Schärfste», sagte er gegenüber «20 Minuten».

Der FIDS wolle das Gespräch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) suchen. Der Krieg im Gazastreifen dürfe nicht als Anlass dienen, um Hass und Zwietracht in der Schweizer Gesellschaft zu streuen.

Antisemitismus-Vorfälle nehmen zu

Antisemitismus-Vorfälle haben sich in der Schweiz seit dem Angriff der Hamas in Israel im Oktober 2023 und dem Krieg in Nahost gehäuft. Kürzlich veröffentlichte die Westschweizer Fachstelle gegen Antisemitismus und Diffamierung (Cicad) Zahlen, wonach antisemitisch motivierte Vorfälle in der Westschweiz 2023 um 68 Prozent zunahmen. Fast die Hälfte davon ereignete sich nach dem 7. Oktober.

Der Bundesrat hat Anfang Februar angekündigt, gemeinsam mit den Kantonen eine Strategie und einen Aktionsplan gegen Rassismus und Antisemitismus auszuarbeiten. Geprüft werden soll auch, ob neu ein Beauftragter für Rassismus- und Antisemitismusbekämpfung eingesetzt werden soll. (sda)

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