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SRF-Arena zum Armeebudget: Expertin bezeichnet Grüne als Klimaleugner

SRF-Arena zum Armeebudget: Katja Gentinetta und Marionna Schlatter fetzten sich.
Grüne-Nationalrätin Marionna Schlatter (rechts) hatte mit Politphilosophin Katja Gentinetta (links) ein Hühnchen zu rupfen, liess dann aber selbst Federn.Bild: srf arena
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Wenn die Expertin der Grünen «Klimaleugner» vorwirft, ist Armee-«Arena»

In der Armee-«Arena» war alles anders. Keine Politikerinnen und Politiker der SP und FDP waren geladen, dafür eine «zu optimistische» Grüne und eine Politphilosophin, die der Grünen vorwarf, wie ein Klimawandelleugner zu argumentieren.
21.09.2024, 06:2321.09.2024, 14:35
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Seit Russland die Ukraine angegriffen hat, befindet sich ganz Europa in Alarmbereitschaft. Auch die Schweiz. Wäre unsere Armee für einen russischen Angriff gewappnet? Könnten wir uns verteidigen? Oder müssen wir enger mit der NATO zusammenarbeiten, um uns abzusichern? Aber sind wir dann nicht mehr neutral?

Mit diesen Fragen musste sich Bundesrätin und Vorsteherin des Verteidigungsdepartements (VBS) Viola Amherd in den letzten zwei Jahren intensiv auseinandersetzen. Und kam zum Schluss: Die Armee braucht schon bis 2030 und nicht erst 2035 mehr Geld, die Schweiz soll enger mit der NATO zusammenarbeiten und unsere Neutralität soll flexibler ausgelegt werden.

Das kam bei den Parteien gar nicht gut an – allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Also beauftragte Amherd im August 2023 eine Studienkommission damit, «Impulse und Beiträge für die öffentliche und die parlamentarische Diskussion» zu erarbeiten, die «als Grundlage für die sicherheitspolitische Strategie» des Bundes dienen sollen.

Der Bericht kommt praktisch zu demselben Ergebnis wie Amherd zuvor. Das sorgte für viel Kritik. Denn die Mehrheit der Kommissionsmitglieder tendierte politisch zur bürgerlichen Mitte und FDP.

Deshalb diskutierten in dieser «Arena» über die zentralsten Punkte aus dem Bericht:

  • Michael Götte, St.Galler Nationalrat, Mitglied der SVP-Parteileitung und Oberstleutnant in der Armee
  • Martin Candinas, Bündner Mitte-Nationalrat
  • Marionna Schlatter, Zürcher Nationalrätin und Vizepräsidentin der Grünen Schweiz
  • Katja Gentinetta, Politphilosophin und Autorin des Berichts der Studienkommission Sicherheitspolitik
  • Roxane Steiger, Politische Sekretärin der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA)

Die Aufstellung in dieser Sendung ist überraschend. Keine Vertreterinnen und Vertreter der SP und FDP sind geladen. Am angestammten SP-Platz steht an diesem Abend die Grüne-Nationalrätin Marionna Schlatter. Und hinter dem Pult, den normalerweise die FDP nutzt, hat sich ausnahmsweise eine Expertin aufgestellt: Politphilosophin Katja Gentinetta.

Sie ist nicht irgendeine Politphilosophin. Sie hat den umstrittenen Bericht der Studienkommission Sicherheitspolitik verfasst. Deshalb muss sie sich von Schlatter, die selbst Mitglied der Studienkommission gewesen ist, gleich anhören:

«Der ganze Bericht hatte eigentlich nur die Funktion, den Kurs von Bundesrätin Viola Amherd zu stützen.»
Marionna Schlatter, Grüne-Nationalrätin

Zu keinem Zeitpunkt habe man in der Studienkommission einen ergebnisoffenen Diskurs führen können. Bei den Referaten habe man nie eine Gegenstimme zu Ohren bekommen. «Darum war das, was in diesem Bericht stand, recht absehbar.»

Schlatter rechnet mit dem Bericht ab

Video: srf/arena

Die Marionette von Amherd gewesen zu sein, diesen indirekten Vorwurf lässt Gentinetta nicht auf sich sitzen. Alle Mitglieder hätten andere Referentinnen einladen können. Es sei überhaupt nicht so gewesen, dass die Studienkommission einfach abnickte, was Amherd ihnen vorgesetzt hatte. «Es ist darum gegangen, dass man solide Grundlagen hat, solide Inputs bekommt von Leuten, die wirklich ein Verständnis von der Materie haben, und dass man dann zusammen diskutieren kann», sagt Gentinetta.

Autsch, der hat gesessen. Aber Gentinetta ist noch nicht fertig: «Wir haben gemerkt, dass es keinen Konsens gibt. Also müssen wir, wenn wir uns nicht auf eine Empfehlung einigen können, abstimmen.»

Gentinetta: «Wir haben nicht einfach abgenickt»

Video: srf/arena

Schlatter betont, dass es schwer gewesen sei, in der Minderheit in der Studienkommission zu sein: «Es ist kein Referent und keine Referentin eingeladen worden, die ich vorgeschlagen habe. Natürlich nicht!» Sie habe auch Vorschläge zu anderen Themen gemacht, auf die nicht eingegangen worden sei.

An dieser Stelle muss natürlich – wie könnte es anders bei einer Grünen sein – das Stichwort «Klimawandel» fallen:

«Man kann heute keinen Bericht über die Sicherheit der Schweiz machen, in dem man das Thema Klima komplett ausklammert.»
Marionna Schlatter, Grüne-Nationalrätin

Dass die Schweiz sich gegen Cyberangriffe, Desinformationskampagnen und Luftangriffe wappnen muss, könne Schlatter noch nachvollziehen. Aber nicht, weshalb alle auch die Bodentruppen aufrüsten wollten. Der Bericht der Studienkommission selbst halte ja fest, dass es extrem unwahrscheinlich sei, dass Russland plötzlich mit seinen Panzern vor der Schweizer Grenze stehe.

Gentinetta stellt klar: «Es geht um Ausrüstung, nicht um Aufrüstung!» Nur weil ein Szenario unwahrscheinlich sei, könne man trotzdem nicht einfach nichts tun. Wenn das Szenario trotzdem eintrete, sei es zu spät für Massnahmen. Und zudem:

«Jede Armee hat auch die Aufgabe, abzuschrecken, um gegen aussen klarzumachen: ‹Schaut, wir sind bereit!›»
Katja Gentinetta, Politphilosophin

Diese psychologische Wirkung sei auch Teil der Sicherheitspolitik, so Gentinetta. In diese Wirkung müsse man jetzt investieren.

Gentinetta: «Armee muss auch abschrecken»

Video: srf/arena

Schlatter findet hingegen: «Unsere Sicherheit und Stabilität hängt nicht von der Abschreckungswirkung unserer Armee ab!» Sie hänge davon ab, wie die Schweiz mit ihren Nachbarländern auskomme. Die Sicherheitspolitik müsse grösser gedacht werden.

Gentinetta holt mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen zum grossen Schlag aus: «Wenn ich Ihnen so zuhöre, höre ich quasi einen Klimaleugner, der sagt: ‹Was ihr hier für Szenarien malt, das kann ich irgendwie nicht nachvollziehen.›»

Gentinetta findet, Schlatter argumentiert wie «Klimaleugner»

Video: srf/arena

Eine Grüne, eine Klimawandelleugnerin? Da wird auch Moderator Sandro Brotz hellhörig und fragt nach: «Können Sie das mit dem Klimaleugnen nochmals erklären?»

Ja, das kann Gentinetta: «Wenn man sagt, man kann die Bedrohungslage nicht nachvollziehen, dann frage ich mich, worauf man sich hier stützt, wenn man sieht, wie sich die Welt seit 2014 und seit zwei Jahren verändert.»

Also leugne Schlatter aus ihrer Sicht die Bedrohungslage? Nein, das habe sie damit nicht gemeint. Aber was sie habe sagen wollen:

«Es klingt so, als ob man sagen würde: ‹Alles, was ich in den Nachrichten lese, alles, was Fachleute sagen, glaube ich einfach nicht.›»
Katja Gentinetta, Politphilosophin

Schlatter entgegnet:

«Das ist eine völlig falsche Unterstellung.»
Marionna Schlatter, Grüne-Nationalrätin

Sie laufe mit offenen Augen durch die Welt, sie beschäftige sich seit fünf Jahren in der Sicherheitskommission mit Fragen der Sicherheitspolitik. Zu diesen gehöre auch die Frage: «Welche Rolle kann die Schweiz als kleines Land spielen? Da bin ich der Überzeugung, dass unsere Stärke eben nicht im Militärischen ist.»

Gut, findet Gentinetta. Über die Rolle der Schweiz könne man diskutieren. Über die Bedrohungslage aber nicht. Damit zieht Gentinetta den Schlussstrich für diese Diskussion.

Wer von beiden am Ende mehr überzeugen konnte? Brotz läuft ins Publikum zu einer jungen Frau, die zu Beginn der Sendung gesagt hat, sie sei in ihrer Haltung zur Armeeaufrüstung noch unentschlossen. Ihr habe die Diskussion zwischen den beiden sehr gefallen. Aber: «Die Argumente für die Unterstützung der Armee haben mich mehr überzeugt.» Sie glaube nicht, dass die Schweiz ohne ein Aufrüsten in der Armee in die Zukunft gehen könne. Und sie fügt an:

«Ich wäre sehr gerne auch so optimistisch wie Frau Schlatter. Aber leider ist die Welt dafür aktuell zu instabil.»
Frau aus dem Publikum

Diese Zuschauerin hat das letzte Wort:

Video: srf/arena
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182 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Andi Weibel
21.09.2024 07:16registriert März 2018
Alle Militärexperten: Die Wahrscheinlichkeit eines russischen Angriffs auf die Schweiz ist quasi inexistent.

Alle Atmosphärenphysiker: Wenn wir nicht sofort massiv in den Klimaschutz investieren, wird unsere Zivilisation untergehen.

Bundesrat: Wir streichen alle Klimaschutz-Massnahmen und verpulvern stattdessen Milliarden für Panzer und Kampfjets, die nachher gelangweilt durch die Alpen kurven.
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Andi Weibel
21.09.2024 07:23registriert März 2018
Es ist bezeichnend für die Schweizer Medienlandschaft, dass Gentinetta als Expertin für Sicherheitspolitik bezeichnet wird.

Expertenwissen hätte jemand, der die Kampfkraft der russischen Armee mit der Nato vergleicht und darauf basierend die Wahrscheinlichkeit abschätzt, dass Russland zuerst die Nato besiegt, um danach die Schweiz angreifen zu können. Solche Experten kommen in der Debatte nicht vor, weil dann klar würde, wie absurd die Schweizer Aufrüstungspläne sind.
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G-Protein-gekoppelter Rezeptor
21.09.2024 08:38registriert Oktober 2020
Es wird in dieser Diskussion viel zu sehr auf Russland fokussiert. Aber wenn ich mir anschaue, welche politischen Kräfte in Frankreich, Deutschland, Österreich auf dem Vormarsch sind, dann wäre ich mir nicht so sicher ob die Lage in Zentraleuropa auch in 20 Jahren noch so stabil sein wird wie heute. Vor allem in Kombination mit den Umwälzungen, die aufgrund des Klimawandels noch auf uns zu kommen werden.
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