Nur der Schwingerkönig Christian Stucki rückt ab Sonntag noch stärker in den Fokus der helvetischen Öffentlichkeit als der ewige Pechvogel. Der Herrscher im Sägemehl gewinnt meistens. Breu verliert fast immer, seit er 1982 als bis dato einziger Schweizer die Alpe d’Huez als Erster erstürmte. Das schafften an der bekanntesten Steigung der Tour de France nicht einmal die Giganten Kübler und Koblet.
Wenn etwas schiefgeht, ist Breu beileibe nicht immer selber schuld. Er ist gutgläubig. Zu gutgläubig, wie er selber eingesteht. Sein Bruder, ein Bankbeamter, hat zweimal viel Geld verlocht, das Breu auf dem Velo verdiente. Man sprach von je einer Million. In seinen besten Jahren als Veloprofi war Breu, gelernter Pöstler aus St. Gallen, wohl der Schweizer Profisportler mit den lukrativsten Verträgen.
Der Velosport stand Mitte der Achtzigerjahre in der Blüte. Aber schon damals fing die Unbill an für Breu. Die Italiener zahlten dem Schweizer nicht jene Beträge, die vereinbart waren. Schon früh ging es für den Mann, der so schnell bergauf fahren konnte wie kein anderer, zum ersten Mal bergab.
Aber Breu gibt nie auf. Geht wieder einmal etwas in die Brüche, greift er gerne auf den Rennfahrerjargon zurück und sagt: «Ich habe nur eine Etappe verloren, aber das Rennen ist weiter offen.» Verdruss ist für Breu ebenfalls ein Fremdwort. Er wirkte nicht einmal niedergeschlagen, als er Anfang Woche das Zirkusprojekt begraben musste und sagte: «Wir kommen wieder.»
Auch in seinem bevorzugten Metier liess er sich nie unterkriegen. Er bestritt sogar als 50-Jähriger noch ein Querfeldeinrennen, weil er Geld brauchte. Seither stieg er nie wieder auf ein Velo. Zirkusdirektor wollte Breu nicht genannt werden, als er die finanziellen Mittel für den «Circus Breu» beisammen hatte. «Nein, nein», sagte er, «ich habe höchstens einen Ranzen wie ein Zirkusdirektor.»
In der öffentlichen Wahrnehmung ist der bald 62-jährige Breu ein etwas naiver Typ mit Hang zu Tagträumen. Viele haben mittlerweile Mitleid. Breu geniesst aber auch viele Sympathien im Land. Seine sportlichen Erfolge sind unvergessen, die Qualitäten als Stehaufmännchen unbestritten. Ein Phänomen helvetischer Prägung: volksnah und häufig mit dem Herz auf der Zunge. Unvergessen ist sein Spruch: «Dä Gottfried isch für mi gschtorbe.» Das war 1981, als ihn Teamkollege Godi Schmutz an der Tour de Suisse angriff. Breu gewann trotzdem.
Breu muss sich vorkommen wie Sisyphus in der Antike. Dieser war zunächst König von Korinth. Dann zog er den Zorn der Götter auf sich und musste in der Unterwelt auf ewig einen Felsblock den Berg hinaufwälzen. Fast am Gipfel angekommen, entglitt Sisyphus der Stein wieder. Sinnlose Arbeit ohne Ziel und Erfolg. Welche Götter hat wohl Breu erzürnt?
Für die Boulevardmedien ist Breu wegen seiner Kapriolen ein dankbarer Kunde. Im Nachgang zum Zirkus-Aus warf der Geschäftspartner Breu vor, dieser hätte mit Artistinnen Sex-orgien gefeiert. Breus Leben ist wie ein Zirkus. Das Bordell, das er betrieb, hiess «Long Horn City». Erfolg im Puff? Wie erwartet mässig. Wie jetzt auch im Zirkus.
Als Komiker und Sänger war Breu ebenfalls kein Erfolg beschieden. Später war er während Jahren als Auslieferer von Fahrzeugersatzteilen unterwegs. Mit dem Lieferwagen fuhr er durchs Land und sagte: «Ich muss doch Geld verdienen.» Trotzdem gab es einen Privatkonkurs.
Der Boulevard kann freilich unerbittlich sein. Sein zuweilen ausuferndes Privatleben wurde in den einschlägigen Gazetten genüsslich unters Volk gebracht. Vor noch nicht allzu langer Zeit zog Breu seine Konsequenzen daraus. Das heisst: Er sprach nicht mehr mit Journalisten, wollte nichts mehr über sich lesen in der Zeitung. Das ist wieder vorbei. Für den Zirkus brauchte Breu Publicity.
Breu ist bekannt wie ein bunter Hund, selten um einen Spruch verlegen. Eines seiner Bonmots: «Wenn ich mit Rominger und Zülle irgendwo hingehe, kennen die Leute nur mich. Dabei waren die beiden die viel besseren Rennfahrer als ich.» Das sagt eigentlich alles über das Phänomen Breu.
Immer an der Seite von Breu ist Heidi, seine zweite Ehefrau. Eine Solothurnerin, die mit beiden Füssen im Leben zu stehen scheint. Sie nimmt meistens das Telefon ab, wenn man Beat Breus Handynummer wählt. Eine Tochter aus Breus erster Ehe wurde Polizistin und bestritt Velorennen, der Sohn war sportlich im Motocross aktiv. Er stürzte oft. «Wir kennen jede Intensivstation im Land», sagt der Vater. Sein Sohn kam immer wieder auf die Füsse. Kein Wunder bei diesem Vater.
Gespannt darf man sein, was Breu, der Mann mit dem ungezügelten Tatendrang, als Nächstes auf die Beine stellen wird. Scheitern ist Programm im Leben des Ostschweizers. Aber er scheitert meistens mit Stil. Gelernt zu verlieren hat Breu im Sport. Da, wo er die grössten Triumphe feierte.