Beat Breu ist Leader der Tour de Suisse 1981, als es in der 6. Etappe von Genf nach Brig geht. Der St.Galler will seinen Vorsprung in der Gesamtwertung ausbauen, also steht der Plan: Breu wird unterwegs, im Aufstieg nach Crans-Montana, angreifen.
Doch Breu hat die Rechnung ohne Godi Schmutz gemacht. Auch sein Teamkollege möchte die Tour de Suisse gewinnen. Also fährt er, noch bevor Breu attackieren kann, zu ihm hin. Und er richtet ihm aus, der sportliche Leiter habe entschieden, dass Breu besser nicht angreifen solle. Der naive Ostschweizer glaubt Schmutz und hält sich zurück. Kurz darauf greift der Zürcher selber an. Schmutz kommt weg, kommt mit dem Etappensieger ins Ziel und hat nach 231 Kilometern Breu das Leadertrikot ausgezogen.
Als Breu in Brig ankommt, will er zunächst keinen Kommentar zur ungewöhnlichen Aktion seines Mannschaftskameraden abgeben. Doch die Journalisten verfolgen ihn bis unter die Dusche, wo der Ostschweizer den bekanntesten Satz seines Lebens von sich gibt:
Es ist ein Zitat, das unzweifelhaft zu den berühmtesten der Schweizer Sportgeschichte gehört. Und es ist ein Zitat, das dafür sorgt, dass man sich auch heute noch an Godi Schmutz erinnert, dessen grösste Erfolge ein neunter Gesamtrang am Giro d'Italia und drei Schweizermeister-Titel waren.
Schmutz, den Breu auch noch als «Sauhund» bezeichnet, hat nach seinem Coup 1:23 Minuten Vorsprung auf Breu. Aber das eigene Team hat Schmutz gegen sich. Der sportliche Leiter Auguste Girard tobt, dass sich der Fahrer seinen Anweisungen widersetzt hat. Nach der Etappe staucht er den neuen Leader zusammen, worauf nun die ganze Mannschaft hässig ist – dabei belegen Schmutz, Breu und der Routinier Josef Fuchs die ersten drei Plätze der Gesamtwertung!
Das Frühstück am nächsten Morgen: Schmutz isst alleine im Speisesaal. Auch am Etappenstart findet er sich alleine ein. Obwohl sein Team gegen ihn zu sein scheint, darf sich Schmutz am Abend in Lugano erneut ins Leadertrikot einkleiden lassen.
Es folgen der 16. Juni und zwei Halbetappen in Lugano. Die erste gewinnt Sprinter Urs Freuler, danach steht ein Bergzeitfahren auf den Monte Brè an. 9,5 Kilometer müssen bewältigt werden – ein Anstieg wie gemacht für einen Bergfloh wie Beat Breu. Seine ganze Wut stampft er in die Pedalen, er stürmt entfesselt dem Ziel entgegen.
Breu gewinnt die Etappe und ist wieder Leader. Denn Godi Schmutz, dem die Isolation innerhalb der Equipe offensichtlich zugesetzt hat, verliert 1:29 Minuten. Der Monte Brè wird in Monte Breu umgetauft und die Schweiz hat einen neuen Volkshelden.
Im Ziel gibt Breu dem Fernsehreporter Hans Jucker ein legendäres Interview. Umringt von Fans weist Jucker den Leader darauf hin, dass es knapp geworden sei. «Sie haben nur sechs Sekunden Vorsprung im Gesamtklassement, das wissen Sie?» Breus schlagfertige Antwort: «Jo da langet, scho eini langet!»
Der Vorsprung reicht in der Tat. Zwei Tage später darf sich Beat Breu erstmals als Gesamtsieger der Tour de Suisse feiern lassen.
Es ist der Auftakt zu einer Karriere, in welcher der bodenständige Ostschweizer mit den träfen Sprüchen zum Liebling der Massen wird. Breu gewinnt die Schweizer Landesrundfahrt 1989 ein zweites Mal und er triumphiert an zwei legendären Aufstiegen: An der Tour de France auf der Alpe d'Huez und am Giro d'Italia bei den Drei Zinnen von Lavaredo.
Breu steigt nach 17 Jahren als Profi vom Velo und stolpert fortan durchs Leben. Denn vom ganzen Geld, das er verdient hat, bleibt kein Rappen übrig. Breu hat sein Vermögen dem Bruder anvertraut und als dessen Immobilien-Betrügereien auffliegen, haftet auch der Sportstar.
Also tingelt Breu, um wieder zu Geld zu kommen, als Komiker durch die Provinz. Er eröffnet das Bordell «Longhorn City» und scheitert damit, er erleidet einen Schlaganfall, gibt als 50-Jähriger ein (eher peinliches) Comeback und versucht, ein «Wunderwässerli» an den Mann zu bringen.
«Ich habe für meine Erfolge und für meine Popularität einen hohen Preis bezahlt», sagt Breu einst. «Wenn ich kein Stehaufmännchen wäre, wäre ich schon längst erledigt. Aber man darf die Lebensfreude nicht verlieren.»
Seit einigen Jahren scheint sich Breu gefangen zu haben. Er arbeitete im Aussendienst für einen Händler von Ersatzteilen für Velos, Töfflis und Rollern. Zuletzt war er in den Medien mit einem Weihnachts-Zirkus, dessen Direktor er war. An der Tour de Suisse chauffiert er während Jahren Gäste von Sponsoren – und muss höchstwahrscheinlich Tag für Tag davon erzählen, wie er aus Godi Schmutz «dä Godi, dä Sauhund» machte, der für ihn gestorben sei.
Breus Rivale stürzt an der Tour de Suisse 1981 noch vom Podest, er wird undankbarer Vierter. Bis heute wird Schmutz oft daran erinnert, dass er doch eigentlich tot sei. «In der breiten Öffentlichkeit bin ich erst mit Breus Sprüchen bekannt geworden», erinnert er sich. Schmutz hat Breu längst verziehen, die Rivalen von einst kommen miteinander aus. Und auch vier Jahrzehnte, nachdem er gestorben ist, lebt Godi Schmutz noch.