«Parasiten!», «Chetteliwixer», «Di grösste Vollidiote», «Fuck off 🤮», «Dumms grüens Saupack», «Mach dich ned peinlich», «Velofahrer gehören unter den LKW».
Willkommen auf der Facebook-Seite von Umverkehr, einer Umweltorganisation, die den Verkehr vermindern, umweltfreundlicher und platzsparender machen will. So beschreibt sich der Verein auf seiner Webseite. Aktuell plant er mit den Stadtklima-Initiativen in Basel, Bern, Genf, St. Gallen, Winterthur und Zürich, einen Teil des Strassenraums in Grünraum mit vielen Bäumen zu verwandeln. Auch der öffentliche Verkehr, Velofahrende sowie Fussgängerinnen und Fussgänger sollen mehr Platz bekommen.
Doch das gefällt nicht allen, wie die eingangs erwähnten Beleidigungen und Bedrohungen zeigen. Sie sind allesamt Reaktionen auf ein Kampagnenvideo für die Stadtklima-Initiativen von Umverkehr. Dass derartige Bösartigkeiten bis hin zu Morddrohungen ausgesprochen würden, sei Zeichen einer sich verschärfenden Debatte, sagt deren Geschäftsleiter Silas Hobi: «Die Diskussion wird zunehmend aggressiv.» Dies beobachte er insbesondere im Netz auf den sozialen Medien, aber nicht nur.
«Erst vor drei Wochen hab ich es in Zürich selbst erlebt», berichtet er. Die Ampel sei dabei gewesen auf Grün zu schalten und da sei er auf dem Veloweg an einem noch stehenden Auto vorbeigefahren. Dessen Fahrer habe ihn daraufhin mit überhöhter Geschwindigkeit gefährlich eng überholt und abgedrängt. «Dann stieg er aus dem Auto, beleidigte mich aufs Übelste und wollte sich mit mir prügeln», so Hobi. Dass jemand wegen einer Lappalie in Kauf nahm, ihn ernsthaft zu verletzen oder gar in Lebensgefahr zu bringen, habe ihn schockiert.
Der Streit zwischen Auto- und Velofahrenden ist nicht neu. Doch die hitzige Debatte über das CO2-Gesetz und die wachsende Critical-Mass-Bewegung hätten die Aggressivität seitens der Autofahrenden nochmals erhöht, sagt Hobi. Bei der Critical Mass trifft man sich immer am letzten Freitag im Monat zum gemeinsamen Velofahren. Das hat bisher nur wenige interessiert und kaum jemanden gestört.
Doch seit sich der Fahrt mehr und mehr Leute anschliessen, wächst die Aufmerksamkeit für den Event. An der letzten Critical Mass in Zürich vom 28. Mai nahmen mehrere tausend Velofahrende teil. So viele wie noch nie.
Umso grösser war der Ärger bei den Autolenkenden. Sie standen fast eine Stunde lang im Stau. Am Rand des Umzugs kam es zu mehreren verbalen Auseinandersetzungen zwischen Auto- und Velofahrenden. Ausserdem fuhr laut der Zürcher Stadtpolizei ein Autofahrer aus noch unbekannten Gründen einen Velofahrer an.
Der Geschäftsleiter von Umverkehr sieht es so: «Durch die Critical Mass sehen sich die Autofahrenden in ihrem hegemonialen Anspruch auf den öffentlichen Raum bedroht. Wenn Velos den Autos plötzlich den Platz strittig machen, trifft sie das.» Und das führt offenbar zu Anfeindungen und immer wieder auch zu verbalen oder physischen Angriffen. Auch ausserhalb der Critical Mass im normalen Strassenverkehr. «Insbesondere in Zürich, wo das Verkehrsaufkommen bei engen Platzverhältnissen am grössten ist, intensiviert sich der Druck auf den öffentlichen Raum», so Hobi.
Einen verschärften Konflikt beobachtet auch Thomas Hurter, Präsident des Automobil Club der Schweiz. Der ACS setzt sich für die Verkehrssicherheit ein und befürwortet eine möglichst grosse Entflechtung des Langsamverkehrs vom motorisierten Individualverkehr. Gerade die enorme Zunahme der E-Bikes fordere eine verstärkte Rücksichtnahme und ein striktes Einhalten der Verkehrsregeln, «was leider auf Seite der Velofahrer oft nicht der Fall ist», so Hurter. Erst letzte Woche habe ihn ein E-Bike Fahrer rechts überholt, obschon er mit den erlaubten 50 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen sei.
Andrea Freiermuth kennt die Kritik an Velofahrerenden. Sie ist Kommunikationsverantwortliche beim Verein Pro Velo Kanton Zürich. «Es ist die selektive Wahrnehmung von Autofahrenden, dass Leute auf Velos öfters Regeln übertreten», sagt sie. Doch es gebe keine Statistik, die das belege. Wer auf dem Velo sitze, sehe hingegen vor allem wie Autofahrende die Regeln missachten würden. Es werde falsch geparkt, am Steuer aufs Handy geschaut oder mit übersetztem Tempo überholt.
Dass sich Autofahrende zunehmend in ihrem Platz beschränkt fühlen, könne sie nachvollziehen. «Es ist tatsächlich ein Kämpfen um Recht und Raum. Aber wenn wir die Klimaziele erreichen, die Veloinfrastruktur sicherer und die Stadt lebensfreundlicher machen wollen, dann muss das Auto zugunsten von mehr Velo und mehr Grün zurückstecken», sagt Freiermuth.
Heute Freitag sind in den grösseren Schweizer Städten erneut Critical-Mass-Fahrten geplant. Die Stadtpolizei in Zürich wird die Velofahrenden mit einem Aufgebot begleiten. Freiermuth von Pro Velo Zürich, wie auch Silas Hobi von Umverkehr finden es angesichts der aufgeheizten Stimmung sinnvoll, dass die Critical Mass mit einem Kastenwagen am Ende des Trosses geschützt wird. Hobi sagt, in der Vergangenheit sei es schon zu heiklen Situationen gekommen. In Basel habe er beobachten können, wie ein Auto einem Critical-Mass-Teilnehmer ins Velo fuhr und das Hinterrad zerquetschte. Er hofft, dass die Fahrt am Freitag friedlich verlaufen wird.
Viel Autofahrende fahren ganz rechts, damit man ja nicht mit dem Velo vorbeifahren (trotz Streifen) kann. Traf gestern auch zu. Wollte links überholen, gab's einen entsprechenden Schwenker nach links. Schlussendlich ich fuhr auf dem Trottoir vorbei. Ein wüstes Gehupe des Fahrer, der mich einige Kilometer später knapp überholte und ausbremste. Das gehört heute leider auch auf dem Land dazu.
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