Autofahrer:innen hatten es gestern Freitag schwer in der Stadt Zürich. Das hatte zwei Gründe: Einerseits war richtig gutes Wetter. Die Sonne strahlte und mit 19 Grad Aussentemperatur war es angenehm mild. Andererseits war Freitag. Der letzte Freitag vom Wonnemonat Mai. Und das bedeutete für Velöler:innen eines: Raus auf die Strasse. Und Velo fahren.
Critical Mass heisst das, was gestern los war. Von aussen betrachtet wirkt es wie eine grosse Velodemo, die Beteiligten widersprechen aber. Die «Critical Mass» ist ihrer Ansicht nach ein scheinbar zufällig und unorganisiertes Treffen von Velofahrenden, die immer am letzten Freitag eines Monats gemeinsam durch die Städte ziehen. Nicht als Demonstration oder als Kundgebung für etwas, sondern um die schiere Masse an Velofahrenden zu präsentieren. Deshalb auch der Begriff «Critical Mass».
Und diese war gestern riesig. Der Zürcher SP-Kantonsrat Nicola Sigrist hat mitgezählt und kam auf 2550 «schöne Menschen auf dem Velo», wie er in einem Chat schreibt. Die Zahl dürfte aber deutlich grösser gewesen sein. Im «Tages-Anzeiger» berichteten Beobachter:innen von gegen 10'000 Leuten. Die Stadtpolizei Zürich, die seit geraumer Zeit diese Grossvelofahrten begleitet, kommunizierte keine Zahl.
Die riesige Anzahl an Velofahrenden hatte enorme Konsequenzen für den motorisierten Verkehr. Als die Critical Mass die Zürcher Hardbrücke erreichte, staute sich der Verkehr zeitweise über mehrere hundert Meter, beinahe bis zum Bucheggplatz. Der Velo-«Zug» erstreckte laut App-Daten auf rund 3,5 Kilometern – was wenig überraschend auch den öffentlichen Verkehr betraf. Mehrere Bus- und Tramlinien standen still.
Das passte erwartungsgemäss nicht allen. Von zahlreichen Autos ertönten wütende Hupgeräusche, die sich lokal auch zu Hupkonzerten aufschaukelten. Andere machten ihre Verärgerung mit lauter Musik aus den Fahrzeugen oder mit gegenprovozierendem Aufheulen der Motore zum Ausdruck.
Ein Twitter-User beschwerte sich: «Wow! Die ‹Critical Mass› will den Velo-Verkehr in der Stadt Zürich fördern, indem sie den ganzen ÖV-/Autoverkehr lahmlegen und ein Verkehrschaos verursachen … ein Mitenand auf der Strasse ist so nicht möglich!»
Am Rande der Velodemo kam es zu zwei Unfällen. Eine Person wurde leicht verletzt. Nach Angaben der Stadtpolizei Zürich vom Samstag fuhr ein Autofahrer um 20 Uhr auf der Kasernenstrasse aus noch unbekannten Gründen einen Velofahrer an, der dabei leicht verletzt wurde. Gegen 21.45 Uhr habe sich an der Verzweigung Lang-/Militärstrasse ein weiterer Unfall ereignet. Die Beteiligten hätten den Ort jedoch noch vor dem Eintreffen der Einsatzkräfte verlassen.
Die Critical Mass kommt ursprünglich aus San Francisco. 1992 fand sie dort erstmals statt und etablierte sich in den Jahren darauf weltweit in anderen Städten. In Zürich wird lockt sie – je nach Wetter – jeden Monat zwischen wenigen hundert, bis tausend Menschen an.
Sie findet getreu dem Motto, wonach sich die Bewegung lediglich als grösserer «Verkehr» versteht, ohne polizeiliche Bewilligung statt. Die Stadtpolizei ist jedoch mit Dialogteams präsent und interveniert bei Konflikten zwischen Velo- und Autofahrenden, oder wenn Einsatzfahrzeuge unterwegs sind. Politische Elemente, wie sie sonst an Demonstrationen zu sehen sind, fehlen an solchen Veranstaltungen. Die Bewegung macht sich stattdessen durch «Hallo, Velo!»-Rufe, Klingeln und Musikboxen bemerkbar.
(pit)
G. Mächlicher
Plöder
Ist das nicht fast jeden zweiten Tag der Fall?
Der_Radiator
Ich halte mich immer an die Verkehrsregeln und halte zum Beispiel lieber einmal mehr an, anstatt gefährliche Situationen zu provozieren. Trotzdem werde ich immer häufiger mit Automobilisten konfrontiert, welche hochagressiv auf Velofahrer reagieren. Danke "dafür", an die Provokateure auf den Velos, ihr seid die welche dafür verantwortlich sind.