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Coronavirus: Warum die Absage des Alba-Festivals diskriminierend ist

Offen gesagt

«Lieber Regierungsrat, die Absage des Alba-Festivals ist diskriminierend* ...»

Der Kanton Zürich entzieht dem Alba-Festival kurzfristig die Bewilligung. Mit der Begründung, die «Community» habe eine zu tiefe Impfquote und eine zu hohe Corona-Inzidenz. Das hat den Goût einer Retour-Kutsche.
03.09.2021, 16:3206.09.2021, 18:07
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Lieber Zürcher Regierungsrat

Wann ist Ihre nächste Sitzung? Ich hätte da einen Traktandenvorschlag: «Wie verhindern wir es, inkohärent zu entscheiden und diskriminierend zu kommunizieren?»

Ein gutes Fallbeispiel als Diskussionsgrundlage liegt aktuell vor und zwar mit der Absage des Alba-Festivals.

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Dieses könne nicht durchgeführt werden, weil es viele Patienten mit Balkanbezug in den Spitälern habe, was darauf hindeute, dass die Impfquote in der «Community» zu tief sei, um eine solche Grossveranstaltung zu rechtfertigen. Und: Es sei ein Akt der «Fürsorge», besagte «Community» vor dem Ansteckungsrisiko zu schützen.

So. Die Albaner sind schuld. Denen nehmen wir jetzt fürsorglich mal die Party weg, damit nicht noch mehr von ihnen krank werden und die Spitäler verstopfen. Wird man ja wohl noch mal sagen dürfen?

Nicht Sie, nicht der Zürcher Regierungsrat. Eine Exekutive muss auch im Krisenmanagement ein bisschen Restwürde an den Tag legen und darf in der Kommunikation nicht Dinge vermischen, die miteinander nichts zu tun haben.

Die Absage des Alba-Festivals ist nichts anderes als eine Kollektivstrafe von symbolischem Charakter, die Begründung kann nur als Retourkutsche gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe aufgefasst werden. Denn sie hat mit dem Gegenstand der materiellen Entscheidung rein gar nichts zu tun.

Die ist: Könnte das Alba-Festival die Infektions- oder Hospitalisierungszahlen im Kanton so steigern, dass es verhältnismässig ist, den Anlass zwei Tage vor Durchführung abzusagen?

Zu dem Schluss kann man kommen, wenn man weiss, dass zusätzliche Häufungen von Kreislaufkollapsen, Überdosen und Schnittwunden in Zusammenhang mit einem Festival die Notaufnahmen unnötig belasten.

Zu dem Schluss kann man auch kommen, wenn man Anhaltspunkte dafür hat, dass die Veranstalter auf die Zertifikatspflicht pfeifen wollen oder nicht darauf vorbereitet sind, die Einlasskontrolle sicher zu stellen.

Aber dann muss man das auch genau so begründen und kommunizieren. Alles andere ist schlicht unseriös, denn das Alba-Festival ist eine Grossveranstaltung mit Zertifikatspflicht. Der Einlass ist nur getesteten, geimpften oder genesenen Individuen erlaubt.

Materiell fällt damit jeder Bezug zur Coronawelle unter der Gruppe der Kosovo-Reiserückkehrer in sich zusammen. Zumindest theoretisch. In der Praxis ist es natürlich so, dass Schnelltests zu wenig zuverlässig Infizierte aussortieren und bei Festivals viele Kontakte stattfinden, was tatsächlich ein epidemiologisches Risiko darstellt.

Aber auch das müsste man dann genau so begründen und kommunizieren. Und folgerichtig immer noch zuerst in Erwägung ziehen, den Einlass nur Genesenen und Geimpften zu gewähren.

Statt eine ganze Bevölkerungsgruppe zur Gefahr für die öffentliche Gesundheit zu brandmarken und sich als Regierungsrat unglaubwürdig zu machen.

Gute Sitzung wünsche ich!

Mit freundlichen Grüssen

Ihr Maurice Thiriet

* Die ursprüngliche Version dieses «Offenen Briefes» war an die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli adressiert und bezeichnete den Widerruf der Bewilligung für das Alba-Festival als «rassistisch». Der Widerruf der Bewilligung erfolgte nach Angaben der Staatskanzlei durch Beschluss des Gesamtregierungsrats und ist lediglich diskriminierend, nicht rassistisch. Wir entschuldigen uns bei Frau Regierungsrätin Rickli für die suggerierte Verantwortlichkeit und die falsche Wortwahl.

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