Der Chef einer Luzerner Holzkooperative wies seine Zivildienstler an, 12 Kubikmeter Altholz aus dem Abbruch einer Alphütte zu verbrennen, die eigentlich hätten entsorgt werden müssen. Er sparte so 2000 Franken.
Der Geschäftsführer einer Baufirma in Sursee liess beim Bau eines Swimmingpools Baustellenabwasser ungefiltert in die Kanalisation pumpen – unter «massiver Überschreitung des pH-Grenzwerts», wie es im Strafbefehl der Staatsanwaltschaft heisst. Er sparte Entsorgungsgebühren von 2200 Franken.
Besonders trickreich agierte ein Firmeninhaber eines Gossauer Betriebs, der sich auf Oberflächenbehandlung spezialisiert hatte. Als das lokale Amt für Umwelt dessen Entsorgungspraxis bemängelte und Messsonden in die Spülbäder mit Schmutzwasser installierte, entfernte der Chef die Sonden und platzierte sie in einem anderen, weniger kontaminierten Wasserbecken. Über Monate leitete er mit Zink und Chrom verschmutztes Wasser in die Kanalisation. Er sparte so 32'000 Franken Entsorgungskosten, schätzt die Staatsanwaltschaft St.Gallen.
Die drei Fälle stammen aus einer Sammlung von 1331 Umweltdelikten, die die Kantone im Jahr 2020 dem Bund gemeldet haben. CH Media konnte sie gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen und auswerten. Die drei ausgewählten Fälle werfen ein Licht auf eine Strafpraxis, die die Behörden künftig vermehrt anwenden wollen: die sogenannte Einziehung und die Ersatzforderung. Denn die drei gewerbsmässigen Umweltsünder erhielten nicht nur eine Busse, sondern mussten auch den Gewinn, den sie durch ihre Delikte erzielt hatten, zurückzahlen.
Zu diesem Mittel griffen die Strafverfolgungsbehörden im Umweltrecht bisher selten. Im Kanton Bern, wo 2020 immerhin 229 Strafentscheide gegen Umweltsünder verhängt wurden, verordneten die Behörden sie in lediglich 6 Fällen. Auch die Bussen bleiben entweder ganz aus oder schmerzen wenig: Bei Delikten im Bereich Gewässerverschmutzung betrug die mittlere Busse 745 Franken, wie aus einer internen Präsentation des Bundesamts für Umwelt (Bafu) hervorgeht.
Dass diese Bussen zumindest in der Baubranche in der Praxis wenig Wirkung zeigen, verdeutlicht ein Fall aus dem Kanton Zug: Ein Projektleiter einer Baufirma leitete wissentlich Abwasser aus einer Betongrube in einen Bach. Das Betonwasser verätzte die Kiemen von 200 Forellen, heisst es im Strafbefehl vom Mai 2020. Dabei war der Projektleiter von den Behörden über die Auflage zur korrekten Entwässerung und über die Konsequenzen informiert worden. Trotzdem ignorierte er das Gesetz und nahm offenbar eine Busse von 2900 Franken und eine bedingte Geldstrafe in Kauf.
Zur abschreckenden Wirkung empfiehlt die Koordinationsgruppe Umweltkriminalität des Bundes deshalb in einem neuen Bericht an den Bundesrat, dass Behörden verstärkt auf die Gewinnherausgabe pochen sollten. Viele Täter, gerade Unternehmen, würden mit einer milden Busse kalkulieren.
«In diesen Fällen ist die Einziehung ein besonders gutes Instrument, da sie die Straftäter meist härter trifft als die Strafe selber», halten die Experten fest. Für Firmen seien Entsorgungskosten und damit der Antrieb, sich um Umweltschutzgesetze zu foutieren, nicht zu unterschätzen: «Das Unternehmen kann sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.»
Adrian Ettwein ermittelte in der Bundesanwaltschaft zwischen 2002 und 2015 unter anderem im Bereich Wirtschaftskriminalität und doziert heute auch zu Umweltstrafrecht. Er begrüsst empfindlichere Strafen, betont aber gleichzeitig, dass der Vollzug durch die Kantone entscheidend sei:
Kleinräumigkeit könne zu einer «klebrigen Nähe» führen, sagt Ettwein. Ein weiterer Faktor, der das Aufdecken von gewerbsmässiger Umweltkriminalität hindert, ist die Wirtschaft als Standortfaktor: Gerade die lokale Politik trete Firmen, die für Arbeitsplätze sorgten, ungern wegen des Umweltschutzes auf die Füsse. «Und meist fehlt es gerade den kleinen Kantonen an personellen Ressourcen, um allen Fällen konsequent nachzugehen», sagt Ettwein.
Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Strafentscheide, welche die Kantone im Jahr 2020 dem Bund gemeldet hatten, dass kleine Kantone teils nur wenige Fälle von Umweltkriminalität verfolgen. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden waren es 11, im Jura 7, in Obwalden gerade mal 2. Weiter fällt auf, dass Basel-Stadt nur 4 Fälle zählte. Demgegenüber stehen die Kantone Bern und Zürich, die spezialisierte Staatsanwälte für solche Delikte beschäftigen. Dort ermittelten die Behörden im selben Jahr in 229 beziehungsweise 184 Fällen – wobei Zürich als wirtschaftsstarker Kanton wohl auch noch Potenzial für mehr Ermittlungen hätte.
Das fragwürdige Gebaren einiger Firmen beim Umweltschutz hatte 2018 der Fall Blausee wieder an die Öffentlichkeit gezerrt. Um Deponiegebühren zu sparen, deklarierte die Transportfirma TGC den Hunderte Tonnen mit Schadstoffen belasteten Schlamm um und kippte ihn in den Steinbruch Mitholz. Der Baustoffkonzern Vigier steht als Besitzer des Steinbruchs Mitholz zudem im Verdacht, giftigen Bahnschotter aus dem Lötschberg-Tunnel deponiert zu haben. Die Betreiber des Blausees vermuten, dies habe im See zu einem Fischsterben geführt, was Vigier dementiert.
Auf Anfrage bei der Berner Staatsanwaltschaft heisst es, das Strafverfahren sei weiterhin hängig. Ob und wann mit einer Anklage zu rechnen ist, werde kommuniziert. Klar ist: Auch hier könnte bei einem Schuldspruch eine Ersatzforderung eine empfindliche Strafe darstellen.
Und da beginnt die Krux: Wie lässt sich ein Gewinn, den eine Firma durch eine Umweltsünde generiert, genau berechnen? Es fehle dazu an Wissen bei den Praktikern an der Front, stellen die Expertinnen und Experten des Bundes fest. Geplant ist deshalb neben Schulungen für Polizisten ein Nachschlagewerk mit Fallbeispielen zur Einziehung von Vermögenswerten, «die nämlich oft schwierig zu berechnen sind und ein besonderes Mass an Umweltfachwissen erfordern».
Adrian Ettwein geht noch weiter. Er will bei der Nähe zwischen Wirtschaft und den kantonalen Behörden ansetzen. «Um diese aufzulösen, braucht es Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die von ausserhalb kommen und gänzlich unvoreingenommen ermitteln können», sagt er. Dazu biete sich eine Lösung im Rahmen eines Konkordats unter den Kantonen an, in dem sich verschiedene – gerade kleine – Kantone zusammenschliessen und dort spezialisierte Staatsanwälte mit den Untersuchungen betrauen. Dasselbe gelte für polizeiliche Ermittlungen.
Zumindest diesen Austausch zwischen den Behörden will der Bundesrat mit dem revidierten Umweltschutzgesetz. Neu dürften die Ämter auch persönliche Daten von Umweltsündern austauschen. Zudem will der Bundesrat den Straftatbestand «Umweltverbrechen» schaffen – bisher sind solche Delikte meist nur Übertretungen und Vergehen.
Die Kantone, die für ihre «klebrige Nähe» zur Wirtschaft in der Kritik stehen, können den Vorwurf nicht nachvollziehen. Matthias Nabholz, Leiter des Umweltamts Basel-Stadt, gibt aber zu: «Aufgrund einer kurzen Einschätzung liegen tatsächlich sehr wenige Straffälle in den angesprochenen Umweltbereichen vor.»
Die Hypothese, wonach die Grösse eines Kantons und die Verflechtung wirtschaftlicher Interessen und lokaler Behörden die Ermittlungen bei der Umweltkriminalität hemmen könnten, teilt er nicht. Es fehle dazu an Datenmaterial, das etwa mit einer Meldepflicht verbessert werden könne.
Alexander Imhof, Vorsteher des Amts für Umweltschutz im Kanton Uri, stellt ebenfalls in Abrede, nicht genügend gegen Umweltkriminalität zu tun. Was zutreffe: Es fehle an Personal und Fachwissen. Härtere Strafen begrüsst er: «Die Wirkung ist sicher gegeben.» (aargauerzeitung.ch)
Man muss aufhören, einen starken (demokratischen!!!) Staat und marktwirtschaftliche Regeln zu verteufeln. Wichtiger ist, diese Regeln mit Digitalisierung rasch und übersichtlich zur Verfügung zu stellen, damit die Firmen trotzdem Effizient bleiben.