Der Herbst ist da und mit ihm auch das leckere Herbstessen. Auf dem Restaurant-Menü stehen wieder Gerichte wie «Kürbissuppe zur Vorspeise und zum Hauptgang ein saftiger Wildbraten serviert an einer Pilzsauce und Rotkraut». Doch was viele nicht wissen: Nur ein Bruchteil des Wildfleisches stammt aus der Schweiz.
Der grösste Teil des verkauften Wildfleisches wird importiert. Rund 2646 Tonnen wurden 2022 in die Schweiz geliefert, mehrheitlich stammt das importierte Fleisch aus Europa. Die Wild-Nachfrage kann laut der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, Proviande, nicht mit heimischem Wild gedeckt werden. Ein Grund dafür ist die in der Schweiz begrenzte Jagdsaison. 2022 gab es jedoch einen Rekordwert des Inlandanteils von 38,4 Prozent, was 1637 Tonnen entspricht.
Im Vergleich zu anderen Fleischarten wird Wildfleisch wenig konsumiert und bleibt somit ein Nischenprodukt. So lag der Pro-Kopf-Konsum 2022 in der Schweiz bei 480 Gramm. Zum Vergleich: der Pro-Kopf-Fleischkonsum lag im Vorjahr bei 50,8 Kilogramm.
Bevor das Wildfleisch auf dem Teller landet, muss das Tier zuerst gejagt und erlegt werden. Dafür müssen sich Jäger und Jägerinnen an die Jagdzeiten und Jagdgesetze halten.
In den meisten Kantonen dauert das Jagdjahr vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres. Im Jagdjahr 2022 wurden insgesamt 129'238 Tiere erlegt (ohne Fallwild), darunter 22'204 Vögel und 101'315 Säugetiere. Zusätzlich wurden 5719 Spezialabschüsse verrichtet. Unter Fallwild wird Wild bezeichnet, welches ohne Gewalteinwirkung eines Jägers oder einer Jägerin zu Tode kommt, 2022 waren es 38'236 Tiere.
Melitta Maradi, die Geschäftsleiterin von Wildtier Schweiz, erklärt die Gründe der Jagd wie folgt:
Nebst den zwei Jagdsystemen gelten vom Bund für die Kantone verschiedene Gesetze. Für das Einhalten und Überprüfen der Richtlinien sind die Kantone zuständig, welche gemäss Melitta Maradi, Geschäftsführerin von Wildtier Schweiz, ganz genau hinschauen:
Jäger und Jägerinnen dürfen nicht willkürlich Tiere erlegen, sondern müssen sich beim Abschuss an vorgegebene Bestand-Richtlinien und Jagdgesetze halten. Der Jäger oder die Jägerin muss beispielsweise dem Kanton das erlegte Tier innerhalb von 24 Stunden melden. Geschützte Tierarten dürfen nicht oder nur bis zu einer bestimmten Anzahl geschossen werden.
Auch bei den nicht geschützten Tieren wird mit der Jagd der Bestand reguliert. 2022 lebten 39'431 Rothirsche, 136'325 Rehe, 86'287 Gämse und 19'095 Steinböcke in der Schweiz. Aufgrund des hohen Reh-Bestandes werden dementsprechend auch mehr Rehe erlegt. Der Wildschwein-Bestand kann nicht genau bestimmt werden, da das Aufspüren der Tiere schwierig ist und Schätzungen bei dieser Tierart ungenau wären.
Tiere werden aber nicht ausschliesslich für die Regulierung der Bestände erlegt, sondern auch beispielsweise für den Wildfleischkonsum. Alle Tiere, die gegessen werden können, werden auch verwertet und für den Wildfleischkonsum genutzt.
Gejagt werden aber nicht nur die für Wildfleisch bekannten Tiere, sondern auch diverse andere.
Die folgende Grafik zeigt nur eine Auswahl an Tieren, die erlegt wurden. Neben diesen sind auch Tiere wie Waschbären, Fischotter, Nutria und Wildkaninchen von der Jagd betroffen.
Die Bestände der Tiere sind laut der vom Bundesamt für Umwelt publizierten Jagdstatistik auch hier nicht klar bestimmbar. Dies wird vonseiten der Tierschützer kritisiert.
Da der Fuchsbestand sehr hoch geschätzt wird, dürfen dementsprechend viele Füchse erlegt werden.
Die meisten Vögel werden nicht für den Fleischkonsum erlegt, trotzdem werden sie gejagt. Äusserst selten gegessen werden beispielsweise Stockenten und Birkhähne. Oft gejagt werden Rabenkrähen, deren Bestand in der Schweiz sehr hoch ist. Da die Tiere oft Schäden in der Landwirtschaft anrichten, gehören sie zu den am häufigsten gejagten Vogelarten der Schweiz.
Auch für Jagd-Laien untypische Vögel wie Elstern und Eichelhäher dürfen gejagt werden und sind keine geschützten Vogelarten. Weshalb das so ist, erklärt uns Melitta Maradi von Wildtier Schweiz so:
Unter Spezialabschüssen versteht man Regulierungsabschüsse von geschützten Tieren, wie beispielsweise Wolf oder Luchs, die mit einer Ausnahmebewilligung geschossen werden dürfen. Eine Ausnahmebewilligung wird genehmigt, wenn Wildschäden entstehen, damit Tierseuchen bekämpft werden können, um Lebensräume bestimmter Tierarten zu erhalten oder um verletzte Tiere erlegen zu dürfen. Häufig haben solche Abschüsse mit Nutztierrissen zu tun. Weitere Abschüsse werden bei kranken, verletzten und überalterten Tieren geleistet und zählen je nach Kanton auch als Spezialabschüsse. Die Kantone haben bislang keine einheitliche Regelung definiert, welche Art von Abschüssen unter die Kategorie «Spezialabschüsse» gehört.
2022 wurden insgesamt 23 Wölfe geschossen – ein neuer Höchstwert in der Schweiz seit der Rückkehr in den 1990er-Jahren. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden in der Schweiz nur zwei Luchse geschossen. Der Wolf reisst jedoch mehr Nutztiere und wird deshalb öfter zum Abschuss freigegeben. Laut der Stiftung Kora für Raubtierökologie und Wildtiermanagement streifen ungefähr 240 Wölfe und 300 Luchse durch die Schweiz. Raubtiere wie Wölfe und Luchse dürfen nicht von Jägern erlegt werden, sondern müssen von Wildhütern geschossen werden, welche Angestellte der Kantone sind.
Die Anzahl an Spezialabschüssen von Rabenkrähen ist im Vergleich zu den anderen Tierarten hoch. Laut Melitta Maradi wurden diese hinsichtlich der Schäden, welche die Tiere beispielsweise in der Landwirtschaft angerichtet haben, zusätzlich und ausserhalb der Jagdsaison erlegt und gehören deshalb zu den Spezialabschüssen.
Der Kanton Genf wird von Jagdgegnern ja soo gerne als Beispiel für eine jagdlose Zone gelobt (Jagdverbot seit 1974).
Dabei geht gerne vergessen, dass in Genf rund 14 bezahlte Wildhüter (=ehemalige Jäger) die Bestandesregulierung (= Jagd) vornehmen. Im Unterschied zu den übrigen Kantonen erhalten sie dafür einen Lohn.
Und weil in Genf ja angeblich nicht gejagt wird, erscheinen diese Abschüsse in der eidg. Jagdstatistik halt eben nicht als Abschüsse, sondern als Spezialabschüsse...
Wieder was neues gelernt😁