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Jagd: So viele Tiere werden in der Schweiz für den Wildkonsum geschossen

teaserbild Jagd Wildfleisch
bild: watson

So viele Tiere werden in der Schweiz für den Wildkonsum geschossen

Jäger und Jägerinnen sind derzeit wieder auf der Pirsch – die Jagdsaison ist in vollem Gange. In der Schweiz wurden im Vorjahr knapp 130'000 Tiere erlegt. Doch längst nicht alle davon landen in der Pfanne.
09.10.2023, 05:0409.10.2023, 05:04
Julia Neukomm
Julia Neukomm
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Wir essen vor allem importiertes Wildfleisch

Der Herbst ist da und mit ihm auch das leckere Herbstessen. Auf dem Restaurant-Menü stehen wieder Gerichte wie «Kürbissuppe zur Vorspeise und zum Hauptgang ein saftiger Wildbraten serviert an einer Pilzsauce und Rotkraut». Doch was viele nicht wissen: Nur ein Bruchteil des Wildfleisches stammt aus der Schweiz.

Der grösste Teil des verkauften Wildfleisches wird importiert. Rund 2646 Tonnen wurden 2022 in die Schweiz geliefert, mehrheitlich stammt das importierte Fleisch aus Europa. Die Wild-Nachfrage kann laut der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, Proviande, nicht mit heimischem Wild gedeckt werden. Ein Grund dafür ist die in der Schweiz begrenzte Jagdsaison. 2022 gab es jedoch einen Rekordwert des Inlandanteils von 38,4 Prozent, was 1637 Tonnen entspricht.

Im Vergleich zu anderen Fleischarten wird Wildfleisch wenig konsumiert und bleibt somit ein Nischenprodukt. So lag der Pro-Kopf-Konsum 2022 in der Schweiz bei 480 Gramm. Zum Vergleich: der Pro-Kopf-Fleischkonsum lag im Vorjahr bei 50,8 Kilogramm.

Nach diesen Regeln wird gejagt

Bevor das Wildfleisch auf dem Teller landet, muss das Tier zuerst gejagt und erlegt werden. Dafür müssen sich Jäger und Jägerinnen an die Jagdzeiten und Jagdgesetze halten.

In den meisten Kantonen dauert das Jagdjahr vom 1. April bis zum 31. März des Folgejahres. Im Jagdjahr 2022 wurden insgesamt 129'238 Tiere erlegt (ohne Fallwild), darunter 22'204 Vögel und 101'315 Säugetiere. Zusätzlich wurden 5719 Spezialabschüsse verrichtet. Unter Fallwild wird Wild bezeichnet, welches ohne Gewalteinwirkung eines Jägers oder einer Jägerin zu Tode kommt, 2022 waren es 38'236 Tiere.

Statistik erlegte Tiere
Quelle: jagdgesetz.ch

Melitta Maradi, die Geschäftsleiterin von Wildtier Schweiz, erklärt die Gründe der Jagd wie folgt:

«Die Jagd hat ganz viele Aufgaben zu erfüllen. Die Jagd ist ein Teil des Wildtiermanagements. Weitere Aufgaben der Jäger sind u. a. Hegemassnahmen, Lebensraumaufwertungen und das Ausrücken bei Wildunfällen. Die Wildtierbestände sollten an den Lebensraum angepasst sein, sodass es nicht zu viel oder zu wenig hat. Letztlich ist die Jagd aber auch eine Bewirtschaftung einer nachwachsenden Ressource.»
Zwei Jagdsysteme
Es gibt zwei Jagdsysteme in der Schweiz, die sich je nach Kanton unterscheiden. Bei der Patentjagd ist es erlaubt, auf dem ganzen Gebiet des Kantons zu jagen. Die Jäger und Jägerinnen müssen beim Kanton eine Patentgebühr entrichten und ein Patent erwerben. Pro Patent darf eine bestimmte Anzahl an Tieren erlegt werden.

Das zweite Jagdsystem ist die Revierjagd. Hier verpachten die politischen Gemeinden das Jagdrecht durch einen Vertrag an eine Gruppe von Jägern für einen bestimmten Zeitraum (meist 8 Jahre). Nach einer Jagdsaison müssen die Jäger und Jägerinnen dem Kanton die Anzahl der erlegten Tiere melden.
Wo in der Schweiz überall gejagt wird
Quelle: jagdgesetz.ch

Nebst den zwei Jagdsystemen gelten vom Bund für die Kantone verschiedene Gesetze. Für das Einhalten und Überprüfen der Richtlinien sind die Kantone zuständig, welche gemäss Melitta Maradi, Geschäftsführerin von Wildtier Schweiz, ganz genau hinschauen:

«Es gibt für ALLES eine Vorschrift: Für jede Tierart, deren Geschlecht, mit welchem Kaliber sie erlegt werden darf, zu welcher Tages- oder Nachtzeit und Jahreszeit und vieles mehr. Schliesslich muss über jedes erlegte Tier Buch geführt werden.»

Diese Tiere landen auf dem Teller

Jäger und Jägerinnen dürfen nicht willkürlich Tiere erlegen, sondern müssen sich beim Abschuss an vorgegebene Bestand-Richtlinien und Jagdgesetze halten. Der Jäger oder die Jägerin muss beispielsweise dem Kanton das erlegte Tier innerhalb von 24 Stunden melden. Geschützte Tierarten dürfen nicht oder nur bis zu einer bestimmten Anzahl geschossen werden.

Anzahl an Tieren, die erlegt wurden:

Entwicklung Anzahl geschossene Tiere
Quelle: jagdstatistik.ch

Auch bei den nicht geschützten Tieren wird mit der Jagd der Bestand reguliert. 2022 lebten 39'431 Rothirsche, 136'325 Rehe, 86'287 Gämse und 19'095 Steinböcke in der Schweiz. Aufgrund des hohen Reh-Bestandes werden dementsprechend auch mehr Rehe erlegt. Der Wildschwein-Bestand kann nicht genau bestimmt werden, da das Aufspüren der Tiere schwierig ist und Schätzungen bei dieser Tierart ungenau wären.

Tiere werden aber nicht ausschliesslich für die Regulierung der Bestände erlegt, sondern auch beispielsweise für den Wildfleischkonsum. Alle Tiere, die gegessen werden können, werden auch verwertet und für den Wildfleischkonsum genutzt.

Auch Murmeltiere und Schneehasen werden gejagt

Gejagt werden aber nicht nur die für Wildfleisch bekannten Tiere, sondern auch diverse andere.

Die folgende Grafik zeigt nur eine Auswahl an Tieren, die erlegt wurden. Neben diesen sind auch Tiere wie Waschbären, Fischotter, Nutria und Wildkaninchen von der Jagd betroffen.
Die Bestände der Tiere sind laut der vom Bundesamt für Umwelt publizierten Jagdstatistik auch hier nicht klar bestimmbar. Dies wird vonseiten der Tierschützer kritisiert.

Da der Fuchsbestand sehr hoch geschätzt wird, dürfen dementsprechend viele Füchse erlegt werden.

Anzahl an Tieren, die erlegt wurden:

Entwicklung Anzahl erlegte Tiere Schweiz
Quelle: jagdstatistik.ch

Vögel sind beliebte Jagdziele

Die meisten Vögel werden nicht für den Fleischkonsum erlegt, trotzdem werden sie gejagt. Äusserst selten gegessen werden beispielsweise Stockenten und Birkhähne. Oft gejagt werden Rabenkrähen, deren Bestand in der Schweiz sehr hoch ist. Da die Tiere oft Schäden in der Landwirtschaft anrichten, gehören sie zu den am häufigsten gejagten Vogelarten der Schweiz.

Die 10 meist gejagten Vogelarten 2022:

Anzahl geschossene Vögel Jagd
Quelle: jagdstatistik.ch

Auch für Jagd-Laien untypische Vögel wie Elstern und Eichelhäher dürfen gejagt werden und sind keine geschützten Vogelarten. Weshalb das so ist, erklärt uns Melitta Maradi von Wildtier Schweiz so:

«Bestimmte Vögel wie beispielsweise die Elster gehören in die Kategorie ‹Jagdbare Arten›. Sie ist keine gefährdete Vogelart. Solche Vögel werden teilweise präpariert.»

Für diese Tiere braucht es Ausnahmebewilligungen

Unter Spezialabschüssen versteht man Regulierungsabschüsse von geschützten Tieren, wie beispielsweise Wolf oder Luchs, die mit einer Ausnahmebewilligung geschossen werden dürfen. Eine Ausnahmebewilligung wird genehmigt, wenn Wildschäden entstehen, damit Tierseuchen bekämpft werden können, um Lebensräume bestimmter Tierarten zu erhalten oder um verletzte Tiere erlegen zu dürfen. Häufig haben solche Abschüsse mit Nutztierrissen zu tun. Weitere Abschüsse werden bei kranken, verletzten und überalterten Tieren geleistet und zählen je nach Kanton auch als Spezialabschüsse. Die Kantone haben bislang keine einheitliche Regelung definiert, welche Art von Abschüssen unter die Kategorie «Spezialabschüsse» gehört.

2022 wurden insgesamt 23 Wölfe geschossen – ein neuer Höchstwert in der Schweiz seit der Rückkehr in den 1990er-Jahren. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden in der Schweiz nur zwei Luchse geschossen. Der Wolf reisst jedoch mehr Nutztiere und wird deshalb öfter zum Abschuss freigegeben. Laut der Stiftung Kora für Raubtierökologie und Wildtiermanagement streifen ungefähr 240 Wölfe und 300 Luchse durch die Schweiz. Raubtiere wie Wölfe und Luchse dürfen nicht von Jägern erlegt werden, sondern müssen von Wildhütern geschossen werden, welche Angestellte der Kantone sind.

Diese Tiere wurden durch Spezialabschüsse erlegt:

Anzahl geschossene Wildtiere Jagd
Quelle: jagdstatistik.ch das verhältnis der balken dient lediglich der veranschaulichung.

Die Anzahl an Spezialabschüssen von Rabenkrähen ist im Vergleich zu den anderen Tierarten hoch. Laut Melitta Maradi wurden diese hinsichtlich der Schäden, welche die Tiere beispielsweise in der Landwirtschaft angerichtet haben, zusätzlich und ausserhalb der Jagdsaison erlegt und gehören deshalb zu den Spezialabschüssen.

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135 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Frau Heinz
09.10.2023 05:44registriert Juli 2015
Elstern, Rabenkrähen und Eichelhäher sind Nesträuber, deshalb schiesst man sie. Jagd heisst nicht nur, dass man Tiere isst, sondern auch, dass man andere Tiere schützt oder ihren Lebensraum verbessert. Füchse sind zB Kulturfolger, also Gewinnerarten unserer Zivilisation. Kulturflüchter, zB Kibitz profitieren von ihrer Reduktion. Völliger Blödsinn ist übrigens, dass Stockenten nicht gegessen werden. Ausgelöst sind sie in Speck oder Orangensauce sehr lecker.
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Roli_ZH
09.10.2023 09:05registriert Oktober 2023
Was beim Thema Spezialabschüsse gerne vergessen wird...
Der Kanton Genf wird von Jagdgegnern ja soo gerne als Beispiel für eine jagdlose Zone gelobt (Jagdverbot seit 1974).
Dabei geht gerne vergessen, dass in Genf rund 14 bezahlte Wildhüter (=ehemalige Jäger) die Bestandesregulierung (= Jagd) vornehmen. Im Unterschied zu den übrigen Kantonen erhalten sie dafür einen Lohn.
Und weil in Genf ja angeblich nicht gejagt wird, erscheinen diese Abschüsse in der eidg. Jagdstatistik halt eben nicht als Abschüsse, sondern als Spezialabschüsse...
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(╯°□°)╯︵ ┻━┻ I
09.10.2023 09:52registriert Dezember 2020
"Bevor das Wildfleisch auf dem Teller landet, muss das Tier zuerst gejagt und erlegt werden."

Wieder was neues gelernt😁
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135
    Irreguläre Migration halbiert sich im Vorjahresvergleich

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