Carolin Kebekus, letzte Woche hat das Schweizer Fernsehen angekündigt, der einzige Late-Night-Sendeplatz bleibe in männlicher Hand. Überrascht Sie das?
Carolin Kebekus: Ehrlich gesagt, nein. Auch in Deutschland sind Sendungen unter dem Label «Late-Night» nach wie vor männlich besetzt. Auch ich kann mit meiner «Carolin Kebekus Show» in der ARD nur erfolgreich Late-Night machen, weil ich meine Sendung nie als Late-Night-Show bezeichnen würde. Hätte ich das getan, würden sofort alle wieder darüber reden, dass eine Frau kein Late-Night kann.
So wie damals bei Anke Engelke, die mit ihrem Nachfolgeformat der «Harald Schmidt Show» vor zwei Jahrzehnten kläglich scheiterte?
Ja genau. Dieses Format scheint ein männliches Vermächtnis zu sein. Nicht mal die Amerikaner, die es erfunden haben, kriegen eine Show mit einer Frau hin.
Woran liegt das? Ein bisschen Reden über Politik, eine Band und Talkshowgäste. Das können Frauen doch auch, oder?
Es ist wie mit allem männlich Geprägtem eine Frage der Gewohnheit. Der Humor, den ich als Kind im Fernsehen konsumiert habe, wurde von Männern präsentiert. Frauen waren höchstens die lustigen Stichwortgeberinnen oder die, auf deren Kosten Witze gemacht wurden. Deshalb war es für mich auch so ein krasser Moment, als ich diese lustigen Frauen wie Anke Engelke oder Gaby Köster in den 1990ern zum ersten Mal im deutschen Fernsehen sah. Die Vorstellung davon, etwas auch als Frau schaffen zu können, ist das eine, noch viel wichtiger ist es aber, das auch vor Augen geführt zu bekommen.
Ihre ebenfalls in Köln lebende Berufskollegin und Freundin Hazel Brugger wäre fürs Schweizer Fernsehen erste Wahl gewesen, hat aber abgelehnt. Ein Zeichen des Fortschritts, dass Frauen zu solchen Formaten heute auch mal «Nein» sagen können?
Vielleicht. Sie hat auf jeden Fall genug andere Dinge zu tun. Aber sie ist ja nicht die einzige Schweizerin, die Comedy macht.
Haben Frauen eventuell einfach keine Lust, sich zu exponieren?
Ich glaube, dass Frauen grundsätzlich ein viel klareres Bewusstsein dafür haben, was sie tun auf der Bühne und wie gut das ankommt. Ich habe schon so viele Frauen erlebt, die als Gescheiterte runterkamen von der Bühne und sagten: «Wow, das habe ich richtig schlecht gemacht.» Wenn Männer es richtig verkackt haben, sagen die nur: «Boah, die Leute waren aber schlecht drauf heute.»
Ist Selbstkritik ein Hinderungsgrund?
Männer lernen Scheitern viel früher anzunehmen und machen früher die Erfahrung, dass man aus Scheitern lernen kann. Frauen wird von Kind auf kompetitives Verhalten abtrainiert. Da kommen sofort Sprüche wie: «Das ist kein Wettbewerb, alle haben gewonnen», während man die Jungs um die Wette laufen lässt.
Konnten Sie denn in Ihrer Jugend Grenzen austesten?
Klar, aber ich war nie eine, die immer aneckte, oder immer mit dem Kopf durch die Wand wollte. Was mich aber schon damals genervt hat: Dass ich wegen meines Geschlechts vorverurteilt, in irgendeine Schublade gesteckt werde. Selbst wenn ich Dinge tatsächlich nicht so gut konnte wie manche Jungs, fand ich es immer anstrengend, dass von vornherein gesagt wurde, «ach, das ist nichts für Mädchen».
Was stand in der Schülerzeitung über Sie?
Alle Schüler haben über unsere berufliche Zukunft abgestimmt. Bei mir stand, dass ich Popstar, Komikerin oder Schauspielerin werden würde.
Volltreffer. Waren Sie in Ihrem Selbstbild bestätigt?
Ich war schon gerne lustig, aber zu jener Zeit dachte ich, Comedian sei kein richtiger Beruf. Lustige Frauen gab es fast keine am Bildschirm.
Ich habe mir einen Clip aus dem Jahr 2008 angeschaut. Da treten Sie, 28-jährig, bei Harald Schmidt auf und spotten über hirnlose Spielerfrauen. Heute wäre so ein Sketch bei Ihnen ein No-Go, oder?
Man entwickelt sich mit der Gesellschaft weiter. Damals gefiel ich mir in dieser «Ich-bin-nicht-so-wie-alle-anderen-Frauen»-Rolle. Das ist eine Strategie, die man als Frau wählt, wenn man merkt, die patriarchalen Strukturen sind so stark, dass dir nichts anderes übrig bleibt als dich anzupassen. Also gab ich mich aus als die Coolste aller Frauen, die mit den Jungs am gleichen Tisch sitzt und findet: «Alle Frauen sind Scheisse.»
Wann haben Sie bemerkt, dass dieser Weg für Sie nicht stimmt?
Ich wurde einmal in einem Interview gefragt, ob ich Feministin sei. Ich antwortete, das sei mir zu krass. Darauf meinte meine Gesprächspartnerin, das sei schade, weil ich viele feministische Anliegen vertreten würde. Ich habe mir dann tatsächlich «Das andere Geschlecht» von Simone de Beauvoir gekauft, und realisierte, dass ich mit der Rolle, die ich im Comedy-Business einnehme, voll Teil dieses Patriarchats bin.
Wie gelingt es Ihnen, feministische Anliegen so fair und humorvoll zu vermitteln?
Dahinter steht keine grosse Strategie. Ich bin ja auch nicht wahnsinnig radikal in dem, was ich vertrete. In der Comedy ist es wichtig, die Balance zu behalten: Wo fängt Aktivismus an und wo hört Humor auf? Wo ist es wichtig und richtig, wütend zu werden um auf etwas aufmerksam zu machen, und wo geht es einfach um Spass.
Kommt man als wütende Frau an auf der Bühne?
Sicher nicht so gut wie der wütende Mann. Emotionen werden bei Frauen viel stärker beurteilt als bei Männern. Wut bei Frauen wird als Hysterie ausgelegt, als Kontrollverlust, bei Männern als Stärke – im Sinne von «Endlich sagt es mal einer!»
Sie fördern seit Jahren Frauen im Showbusiness. Im Herbst nehmen Sie für eine «Mixed Show» mehrere lustige Comedy-Frauen nach Zürich und Basel mit. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Ich hatte das Gefühl, dass ich wahnsinnig viel Platz einnehme, vor allem, seit ich berühmt bin. Früher wurde ich oft als einzige Frau zu Comedy-Shows eingeladen. Es galt damals so ein unausgesprochenes Gesetz, dass immer nur eine Frau in so einer Männerrunde geduldet war, was natürlich Quatsch ist. Nicht jede Frau ist so wie ich und es gibt ja Frauen in allen möglichen Farben, Formen und Facetten. Ich hatte das Bedürfnis, da einen Ausgleich zu schaffen.
Sie störten sich an der Rolle der Quotenfrau?
Genau. Als ich in der Dankesrede einer Preisverleihung die Namen mehrerer Comedy-Frauen vorgelesen habe, wurde das vom Sender mit der Begründung «zu lang» wieder rausgeschnitten. Seitdem ist mir klar: Ich muss mich schon selbst für die Sichtbarkeit von Frauen einsetzen, also auf meiner eigenen Bühne.
Apropos Showbusiness: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie vom Skandal um die deutsche Band Rammstein hörten?
Das Bild vom Rockstar, der von seinen Groupies angehimmelt wird und Sex mit ihnen hat, ist ja ein gängiges Klischee. Diese ausgeklügelte Struktur und Effizienz, wie Frauen wohl für sexuelle Handlungen rekrutiert wurden und unter Drogen gesetzt worden sein sollen, gibt dem Ganzen aber eine ganz andere Dimension. Deswegen habe ich mich mit ein paar Leuten zusammengetan und einen Fonds aufgemacht.
Mit welchem Ziel?
Rammstein haben in ihrem Statement gesagt, dass jeder ein Recht auf seine Sicht der Dinge habe. Aber um dieses Recht werden Frauen gebracht, wenn die hochkarätigen Rammstein-Anwälte mutmassliche Opfer mit Unterlassungsklagen eindecken. Mit dem Geld sollen sich die Frauen wehren können. Es kann doch nicht sein, dass das Machtgefälle in dieser Debatte so hoch ist. Es geht hier nicht um Schuldzuweisung, sondern um das Herstellen von Chancengleichheit.
Apropos Zensur: Wurden Sie in Ihrer Karriere auch schon eingeschüchtert?
Schon vor Beginn meiner Fernsehkarriere konnte ich gut von meinen Tourneen leben und war entsprechend unabhängig. Natürlich gab es Momente, wo Senderverantwortliche zu mir gesagt haben, diese Nummer kannst du so nicht machen. Wenn es mir wichtig war, habe ich geantwortet: «Entweder wir machen sie so oder ich mache sie gar nicht!» Dann hat man das akzeptiert oder die Nummer manchmal auch wieder rausgeschnitten. Es hat sich aber nie ein Mann in einer Schlüsselposition mir in den Weg gestellt und mir gesagt:«Wenn du weiterkommen willst, musst du erst einmal mit mir essen gehen.»
Die Comedy bzw. Late Night Shows sind sicher männerdominiert. Dafür ist das was mit Mode oder Bouleward zu tun hat eher von Frauen dominiert. So ist das Leben!
Kebekus ist viel zu sehr in den Aktivismus abgedriftet und ihre Witze zielen heute meistens auf den "alten weissen Mann", was einerseits langsam ausgelutscht ist und andererseits so extrem verallgemeinert, dass man sich als Mann fast genötigt fühlt, sich zu entschuldigen, dass man nicht zwei X Chromosomen mit auf den Weg erhalten hat.