Es brodelt beim FC Bayern München. Als Sportchef Hasan «Brazzo» Salihamidzic bei der Meisterfeier am Marienplatz vor die Fans trat, wurde er mit Buhrufen und Pfiffen eingedeckt. Die Bayern-Fans sind unzufrieden mit der bisherigen Transferausbeute – einzig die Dienste von Ajax' Noussair Mazraoui konnten sich die Münchner bislang sichern. Nico Schlotterbeck und Karim Adeyemi schlossen sich lieber der Konkurrenz in Dortmund an, als zu den Bayern zu gehen.
Salihamidzic hat zwar grosse Pläne, die unter anderem Liverpools Sadio Mané und Stuttgarts Sasa Kalajdzic umfassen, doch bislang ist in beiden Fällen noch nichts spruchreif. Bei den Abgängen überstürzen sich dagegen die Ereignisse.
Seit Tagen tobt eine öffentliche Schlammschlacht zwischen Robert Lewandowski und den Bayern. «Meine Geschichte beim FC Bayern ist vorbei», sagt der polnische Stürmerstar, der sich dem FC Barcelona anschliessen möchte. Lewandowski gibt mangelnde Wertschätzung beim deutschen Rekordmeister als Grund für den Wechselwunsch an. Dieses Argument ist ein roter Faden bei den jüngsten Bayern-Abgängen.
Neustes Beispiel ist Corentin Tolisso. Der französische Mittelfeldspieler muss die Bayern nach fünf Jahren verlassen und zeigte sich darüber enttäuscht – besonders über den Umgang seitens des Klubs. «Ich hatte seit drei Wochen nichts vom Verein gehört. Ich habe meinem Berater gesagt, er soll anrufen – und da war die Entscheidung schon gefallen», sagte der 27-Jährige gegenüber der französischen Sportzeitung «L'Équipe».
Auch bei Niklas Süle gerieten die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung zuerst ins Stocken. Am Ende war die Trennung Tatsache, Süle schliesst sich nun ablösefrei Erzrivale Borussia Dortmund an. Gleiches Bild bei David Alaba: Stockende Verhandlungen. Unzufriedenheit. Ablösefreier Abgang zu Real Madrid.
Aktuell stocken auch die Vertragsverhandlungen mit Serge Gnabry. Der deutsche Nationalspieler befindet sich seit kurzem auch mit Liverpool in Gesprächen. Bei einer Pressekonferenz mit der deutschen Nationalelf sagte der 26-Jährige: «Bei Wertschätzung von einem Klub geht es nicht nur um Geld. Da sind im Arbeitsverhältnis noch andere Dinge, die eine grosse Rolle spielen.»
«Schade und auffällig, dass immer mehr Spieler den FC Bayern verlassen wollen. Früher war das nicht so. Ein gutes Licht wirft diese Entwicklung auf diesen Verein mit Sicherheit nicht», meinte TV-Experte Lothar Matthäus. Tatsächlich scheint es so, dass unter der früheren Führung durch Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge die Bayern auch für die Spieler noch eine «Herzensangelegenheit» waren.
Doch Hoeness und Rummenigge sind nicht mehr am Drücker, sondern Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic. Und die «neue» Bayern-Führung schreckt offenbar nicht vor Konfrontationen zurück. Zuletzt gab es auch Medienberichte, wonach es zwischen «Brazzo» und Bayern-Trainer Julian Nagelsmann zu Streit gekommen sein soll.
Trotzdem findet Hoeness, der einst Salihamidzic eingestellt hatte, immer noch, dass dieser der richtige Mann ist: «Hasan ist nicht alleine verantwortlich für die Transferpolitik. Die Spieler müssen auch mal unter Druck gesetzt werden». Kahn schweigt und vermeidet es ebenfalls, Salihamidzic zu kritisieren.
Wenn der Exodus der Starspieler aber so weitergeht und die Transferbilanz ähnlich mager bleibt, wird sich der «Titan» früher oder später kritisch mit seinem Sportchef auseinandersetzen müssen.
Bayern muss sich allerdings ankreiden lassen, dass man das Gehaltsgefüge mit Hernandez und Sané zerstört hat.