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So hat der EV Zug die historische Final-Wende gegen den ZSC geschafft

Die Zuger jubeln mit dem Pokal nach ihrem Sieg im siebten Playoff-Final Eishockeyspiel der National League zwischen dem EV Zug und ZSC Lions am Sonntag, 1. Mai 2022, in der Bossard Arena in Zug. (KEYS ...
Der EVZ hat Historisches geschafft.Bild: keystone
Analyse

So hat der EV Zug die historische Final-Wende gegen den ZSC geschafft

Der EV Zug hat gegen die ZSC Lions Geschichte geschrieben und den Playoff-Final nach einem 0:3-Rückstand noch gedreht. Das waren die Gründe.
02.05.2022, 11:1502.05.2022, 12:33
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In Zug wurde gestern ein Stück Eishockey-Geschichte geschrieben. Es war nicht nur das erste Mal im Schweizer Eishockey, dass eine Mannschaft eine Finalserie nach einem 0:3-Rückstand noch gewann. Nein, es war auch im internationalen Profi-Eishockey das erste Mal, dass dies geschah, seit 1942 die Toronto Maple Leafs dieses Wunder im Stanley-Cup-Final vollbrachten.

Doch wie war das möglich? Hat der EVZ nach dem dritten Spiel etwas verändert, um die Wende zu schaffen? Eine Analyse.

Der Trainerglaube

Dan Tangnes war einer der wichtigsten Faktoren in dieser Serie. Auch nachdem seine Mannschaft mit 0:3 in Rückstand geriet und erstmals überhaupt in diesen Playoffs Spiele verlor, blieb der Norweger ruhig. Das beeindruckende war, dass man dem EVZ-Trainer in jedem Moment abkaufte, dass er keinerlei Zweifel an seiner Mannschaft hatte. Dass er daran glaubt, dass diese Wende noch möglich ist. Wenn wir ihm das als Aussenstehende glaubten, dann konnte er das auch seiner Mannschaft glaubwürdig vermitteln.

So hat sich Tangnes auch nach der dritten Niederlage nicht zu Kurzschlussreaktionen hinreissen lassen. Er stellte einzig die Sturmformationen leicht um, schenkte aber weiterhin den gleichen Leuten das Vertrauen. Er neigte auch nicht dazu, einzelne Spieler zu stark zu forcieren, sondern verteilte weiterhin die Eiszeit auf alle vier Linien. Tangnes wusste, dass Zug fast immer in dieser Serie die bessere Mannschaft war, vertraute dem System und wurde dafür belohnt

Das Goalieduell

Die ganze Finalserie war auf einem extrem hohen Niveau, aber insbesondere die Torhüter waren unfassbar gut. Während ZSC-Goalie Jakub Kovar vordergründig die ersten vier Spiele dominierte, war danach Leonardo Genoni die prägende Figur zwischen den Pfosten.

Es erinnert ein wenig an den Viertelfinal, als Davos gegen die Rapperswil-Jona Lakers ebenfalls eine Wende nach 0:3-Rückstand gelang. Damals lieferten sich der Davoser Sandro Aeschlimann und Rapperswils Melvin Nyffeler ein Duell auf Augenhöhe, mit dem besseren Ende für Aeschlimann. Nun hat Genoni das letzte und entscheidende Duell für sich entscheiden können. Mit seinem siebten Titel im siebten Final verewigt sich der 34-Jährige einmal mehr in den Geschichtsbüchern.

Der bessere Malgin

Zu Beginn der Finalserie sprach alles über Denis Malgin und seine kongenialen ZSC-Linienpartner Sven Andrighetto und Denis Hollenstein. Doch je länger die Serie dauerte, desto mehr spielte sich der Zuger Dario Simion in den Vordergrund mit soliden Argumenten für den Titel des MVPs der Finalserie.

Gemäss dem Tracking von nlicedata.com war der Zuger Flügelstürmer der Feldspieler, der in dieser Serie den grössten Einfluss hatte. Über die sieben Spiele gegen die ZSC Lions häufte Simion einen Game-Score-Wert von 3,12 an – der nächstbeste Spieler ist Denis Malgin mit 2,75. Game Score ist eine Statistik, die den Einfluss eines Spielers misst, in dem es seine Beiträge (Tore, Assists, Schüsse, Blocks, Strafen etc.) mit einem Wert versieht und kumuliert.

Aber auch wenn man die reinen Expected Goals und Expected Assists anschaut, dann wird klar, dass vielleicht schon zu Beginn der Serie über Simion und nicht nur über Malgin hätte gesprochen werden sollen. In den ersten beiden Partien waren die beiden Spieler etwa gleich gut, in den Spielen 4 bis 7 war der Tessiner besser. Einzig in Spiel 3 hatte der Zürcher Malgin die Nase vorn. Simion hatte bei den drei Niederlagen etwas Abschlusspech zu beklagen. Er belohnte sich aber im Laufe der Serie für seine guten Leistungen mit Toren – und mit dem Gewinn des Pokals.

Das erarbeitete Glück

Und das ist dann auch gleich der letzte wichtige Punkt in der Zuger Wende. «Irgendeinisch fingt ds Glück eim», lautet eine bekannte Songzeile der Berner Band Züri West. Und das war auch irgendwie das inoffizielle Motto der Zuger in dieser Serie. Wie bereits erwähnt, war der EVZ über weite Strecken des Finals die bessere Mannschaft. Doch in den ersten drei Spielen hatten die ZSC Lions auch das Glück für sie gepachtet. Zug scheiterte an Kovar oder am Gehäuse und die Zürcher Schüsse kullerten noch irgendwie rein.

Doch ab Spiel 4 drehte das. Zug hat sich das Glück erarbeitet. Und plötzlich waren es die Schüsse der ZSC Lions, die an den Pfosten sprangen oder – wie im Fall von Justin Sigrist – selbst vor dem Tor noch abgelenkt wurden.

In Spiel 6 war es so, dass für einmal die ZSC Lions dominierten, sie die Scheibe aber nicht an Genoni vorbeibrachten. Zug seinerseits profitierte beim Hallenstadion-Abschied beim 1:0 von einem glücklichen Flipperkasten-Treffer.

Fazit

Am Ende gab es genau das, was im Vorfeld erwartet wurde: Eine extrem ausgeglichene Serie auf hohem Niveau. Zu Beginn der Serie sprangen die Pucks für den ZSC, doch Zug glaubte, angeführt von Dan Tangnes, immer an die Wende. Die Zuger wussten, dass sie eigentlich nichts ändern mussten. Eine Steigerung von Leonardo Genoni, ein bärenstarker Dario Simion und das nötige Glück sorgten dafür, dass die Wende Realität wurde.

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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James R
02.05.2022 11:45registriert Februar 2014
Ich glaube der Hauptunterschied war das Coaching.

Grönborg hat seine erste Linie zu sehr strapaziert. Das wäre richtig gewesen, wenn nach dem 4. oder 5. Spiel Schluss gewesen wäre. Aber so war es ein Fehler.
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maylander
02.05.2022 11:31registriert September 2018
Die Zuger haben nicht, nichts geändert, sondern die Linien umgestellt. Erst dies machte die Wende möglich.
Die Mannschaft ist schon lange zusammen und jeder kann mit jedem spielen. Das eröffnet dann dem Trainer neue Optionen.
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Lars mit Mars
02.05.2022 11:50registriert März 2020
Auch als Nicht-ZSC-Fan: Justin Sigrist tut mir echt leid.
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Die ZSC Lions finden immer eine Lösung – 9. Folge
So nah und doch so fern: Lausanne war beim Finalauftakt einer Sensation so nahe und doch war der Sieg so fern: Die ZSC Lions finden halt immer eine Lösung. Diesmal sorgte mit Yannick Weber einer für die Wende, der eigentlich Tore zu verhindern hat.

Yannick Weber (35) ist ein weitgereister Haudegen aus dem Bernbiet. Erfahren aus 14 Jahren Nordamerika, mehr als 500 NHL-Spielen und Auftritten auf der ganz grossen Bühne: 2017 verliert er an der Seite von Roman Josi mit Nashville den Stanley Cup-Final.

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