Die Tendenz bei Vertragsverlängerungen oder wichtigen Transfers ist inzwischen die langfristige Bindung. Einerseits setzen gute Spieler ihre starke Position angesichts starker ausländischer Konkurrenz (sechs Ausländer) nicht mehr leichtfertig aufs Spiel und bleiben dort, wo sie sich wohlfühlen. Andererseits ist das Jahressalär bei einem langfristigen Vertrag für den Klub etwas günstiger: Leonardo Genonis (36) vorzeitige Verlängerung in Zug bis 2027 oder Christian Martis (30) Prolongation bis 2028 in Zürich passen zu diesem Trend.
Das Risiko bei Mehrjahresverträgen ist heute sowieso gering: Es gibt die Möglichkeit Spieler zu tauschen, mit laufendem Vertrag zu transferieren oder ein Arbeitsverhältnis halt aufzulösen.
Leonardo Genoni bleibt also bis 2027 in Zug. Seine Vertragsunterschrift hat weitreichende Auswirkungen auf die Torhütersituation in Langnau und Biel. Hätte Leonardo Genoni nicht verlängert und ein letztes Karriere-Hurra an einem anderen Ort gesucht (beispielsweise bei den ZSC Lions), dann wäre bei einem Hockeyunternehmen mit vollen Geldspeichern der wichtigste Arbeitsplatz freigeworden. Die Verhandlungsposition von Langnaus Luca Boltshauser und Biels Joren Van Pottelberghe – beide haben auslaufende Verträge – hätte sich im Quadrat verbessert.
Für ein Team, das Meister werden will, gibt es nur drei Schweizer Goalies, die nächste Saison für Zug als Genoni-Ersatz in Frage gekommen wären: Biels Joren van Pottelberghe (26) sowie Langnaus Luca Boltshauser (30) und Servettes Robert Mayer (33) in der letztjährigen Form. Langnaus Sportchef Pascal Müller hat es einmal treffend formuliert: «Bis Genoni entschieden hat, halten alle die Füsse still.» Leonardo Genoni hat entschieden – und die Sportchefs und Spieleragenten werden rührig.
Die Option Zug fällt nun weg und es wird für Martin Steinegger und Biel und für Pascal Müller in Langnau einfacher und vor allem auch etwas kostengünstiger, ihre Torhüter zu halten. Luca Boltshauser ist in Langnau zum ersten Mal seit dem Abstieg mit Kloten die Nummer 1 in der höchsten Liga und noch nie ging es ihm hockeytechnisch so gut wie im Emmental. Zug wäre eine Versuchung gewesen. Zwar beschäftigen neben Biel auch Bern, Lugano, Kloten, Ambri und die ZSC Lions ausländische Goalies und es gibt immer wieder Überlegungen, ob es vielleicht doch besser wäre, mit sechs ausländischen Feldspielern anzutreten, statt eine Ausländer-Lizenz für den hintersten Mann zu opfern. Aber die komfortable Situation in Langnau für ein Abenteuer in Lugano, Ambri oder Kloten aufs Spiel setzen? Nein. Und für die ZSC Lions und Bern kommt Luca Boltshauser als Nummer 1 kaum in Frage. Zumindest hofft Langnaus Sportchef Pascal Müller, dass es so ist und dass er bald mit den Vertragsgesprächen mit seiner Nummer 1 beginnen kann.
Noch grösser ist die Erleichterung bei Biels Sportchef Martin Steinegger. Joren van Pottelberghe hat letzte Saison nach der Rückkehr aus seiner langen Verletzungspause bewiesen, dass er das Format für eine Nummer 1 in der höchsten Liga hat. Künftig hat Biel keinen Bedarf mehr an einem ausländischen Goalie.
Zug war die ganz grosse «Gefahr»: Hätte Zug Leonardo Genoni ersetzen müssen, dann wäre eine Vertragsverlängerung mit dem einst in Zug ausgebildeten Joren van Pottelberghe um eine sechsstellige Summe höher geworden. Beim Vertragspoker kann sein Agent zwar darauf hinweisen, dass auch die ZSC Lions, Lugano, Kloten, Bern und Ambri die Option Schweizer Goalie prüfen. Aber wird Joren van Pottelberghe das, was er in Biel hat, für ein Abenteuer bei einem anderen Schweizer Klub aufs Spiel setzen? Martin Steinegger hofft, dass es nicht der Fall sein wird. Allerdings muss er zeitnah offiziell erklären, dass Biel nächste Saison keinen ausländischen Torhüter mehr beschäftigen wird.
Interessant ist nun, wer in Zug die Nummer 2 wird. Kann sich Luca Hollenstein (23) in Zug neben Leonardo Genoni zur Nummer 1 entwickeln? Das ist die Hoffnung der Romantiker. Realisten sehen Zugs aktuelle Nummer 2 in einer Karriere-Sackgasse und als ewige Nummer zwei, wenn er in der Komfortzone Zug bleibt, wo er neben einer so prominenten Nummer 1 nie den Kopf in den Wind halten muss. Sein Agent wird prüfen, ob ihm andere Klubs eine Chance als Nummer 1 oder als Nummer 2 mit mehr Verantwortung (Kloten, Ambri, Gottéron) geben. Bekommt er die, dann gibt es einige junge Goalies, die von einer Lehrzeit neben Leonardo Genoni profitieren könnten: In Bern läuft beispielsweise der Vertrag von Junioren-Nationaltorhüter Andri Henauer (21) aus und mit Christian Kirsch (17) hat Zug sogar eines der besten Goalietalente des Landes in der eigenen Juniorenabteilung ausgebildet.
Bleibt noch die Frage, ob es klug war, mit Leonardo Genoni gleich um drei Jahre zu verlängern? Ja. Erstens, weil Reto Kläy gar keine andere Option hatte. Die Strahlkraft einer ruhmreichen Vergangenheit ist ganz einfach zu gross. Mit dem grössten Torhüter der Klubgeschichte nicht verlängern und dann wechselt er zu Konkurrenz und holt womöglich mit einem anderen Team, beispielsweise den ZSC Lions, den Titel? Diese Gefahr war erheblich und in so einem Fall wäre Zugs Sportchef in die heftigste Polemik der Klubgeschichte geraten. Für Zug gilt: Wir haben Leonardo Genoni im Tor, also sind wir.
Zweitens ist das Risiko bei einer Verlängerung um drei Jahre nicht grösser als bei einer Prolongation lediglich ein Jahr. Wenn Leonardo Genoni nicht mehr dazu in der Lage sein sollte, sein bestes Hockey zu spielen, dann wird er von sich aus einer neuen Nummer 1 Platz machen. Unabhängig von der Vertragsdauer. Leonardo Genoni ist entweder ganz und gar eine Nummer 1 – oder er tritt zurück. So wie alle ganz grossen Torhüter. Und solange er sein bestes Hockey spielt, gibt es keinen besseren Schweizer Goalie.