Gut möglich, dass Sandro Aeschlimann bei dieser WM kein Spiel bestreiten wird. Aber keiner aus dem aktuellen WM-Team hält die Sportchefs so auf Trab wie der HCD-Goalie. Sein Vertrag läuft – offiziell – erst im Frühjahr 2027 aus. Aber was nur wenige wissen: Er hat die Option auf eine Auflösung per 2026 eingelöst. Er kann also bereits nach der nächsten Saison den Klub wechseln. Er bestätigt: «Ja, das ist so.» Und präzisiert: «Das heisst nicht, dass ich den HCD verlassen werde. Ich fühle mich in Davos sehr wohl. Aber die Torhütersituation in der Liga ist 2026 so speziell, dass ich mir einfach alle Möglichkeiten offenhalten will.»
Wo er recht hat, da hat er recht: Die Torhütersituation wird im Frühjahr 2026 eine spezielle, ja eine verrückte sein. Unter anderem laufen die Verträge von Ludovic Waeber (Kloten), Reto Berra (Gottéron), Luca Boltshauser (Langnau), Harri Säteri (Biel), Melvin Nyffeler (Lakers), Simon Hrubec (ZSC Lions), Benjamin Conz, Damiano Ciaccio (Ajoie), Niklas Schlegel (Lugano), Akira Schmid (Las Vegas), Luca Hollenstein (Davos), Tim Wolf (Zug) oder Adam Reideborn (Bern) aus. Das Angebot an guten Torhütern ist so gross wie noch nie seit Einführung der Playoffs – aber eben auch die Nachfrage von den grossen Klubs. Dass sich Sandro Aeschlimann alle Möglichkeiten offenhalten will, ist also nachgerade seine Pflicht. Und bei dieser Ausgangslage auf dem Markt gilt natürlich auch: Money talks.
Sandro Aeschlimann hat jetzt einen maximalen Marktwert: Im Sommer 2019 wechselte er von Zug nach Davos und hat für den HCD sechs Saisons hintereinander mehr als 90 Prozent der Pucks abgewehrt. Nun ist er zum zweiten Mal nach 2022 ins WM-Team berufen worden. Er wird im Dezember 31. Der nächste Vertrag wird der wichtigste und beste seiner Karriere sein. Money talks.
Einen Agenten hat er nicht. Seine Angelegenheiten regelt er persönlich. Er sagt, es gehe ihm nicht primär um mehr Geld. «Nicht nur die sportliche Situation spielt eine Rolle. Wichtig ist auch, dass ich mich wohlfühle.» Wenn die Lebensqualität für ihn und seine Frau stimme, nehme er auch weniger Geld in Kauf. Aeschlimanns haben noch keine Kinder. Sie sind bei der Wahl des Arbeitsplatzes flexibel.
Sandro Aeschlimann ist Emmentaler, aufgewachsen in Zäziwil. Der HCD ist nach Zug zwar erst sein zweiter Arbeitgeber in der höchsten Liga. Aber er ist schon weit in der Hockeywelt herumgekommen. Zur Aus- und Weiterbildung weilte er zwei Jahre in einer Hockey-Akademie in Österreich und verbrachte anschliessend drei Jahre im US-College-Hockey. In dieser Zeit machte er die Matura. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz 2016 war er drei Jahre lang die Nummer 2 in Zug – und im Frühjahr 2019 schien seine Karriere in eine Sackgasse zu münden. Leonardo Genoni kommt vom SCB und Sandro Aeschlimann hat bloss eine Offerte aus der zweithöchsten Liga oder für eine Verlängerung als chancenlose Nummer 2 in Zug. Weil Joren van Pottelberghe nach Biel wechselt, bekommt er im letzten Moment eine Chance beim HCD. Die er gepackt hat.
Sandro Aeschlimann fehlt zwar die Magie eines Meistergoalies. Aber es liegt nicht an ihm, dass der HCD seit 2015 nicht mehr Meister geworden ist. Er ist einer der verlässlichsten, konstantesten und mental robustesten Torhüter der Liga geworden. Bei weitem gut genug für ein Meisterteam. Und so ist er nun auch bei den grossen Klubs im Flachland ein Thema. Die Goalie-Position ist zentral. Kein Sportchef kann es sich leisten, mit der Verpflichtung der Nummer 1 bis im nächsten Frühjahr zu warten.
Auch in Davos will Sportdirektor Jan Alston so früh wie möglich wissen, woran er ist. Ob er sich nach einer anderen Nummer 1 umsehen muss. Wofür Aeschlimann Verständnis hat. «Ich kann mit meiner Entscheidung nicht zu lange warten.» Mit seiner Unterschrift unter einem neuen Vertrag wird er eine Art «Domino-Effekt» auf dem Goalie-Markt auslösen: Wenn er vergeben ist, dürften weitere Entscheidungen zügig fallen.
Sandro Aeschlimann findet es eigentlich respektlos, vor oder während der Saison bereits bei einem anderen Klub zu unterschreiben. «Aber die Situation ist bei uns halt so.»
Womit er nicht gesagt haben will, dass er den HCD verlassen werde. Eine Verlängerung in Davos bleibt auch eine Option. Und doch: Die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr ins Unterland oder gar ins Bernbiet ist ziemlich hoch. Intensiv bemüht sich SCB-Untersportchef Patrik Bärtschi um den HCD-Schlussmann. Und wenn der SCB im Spiel ist, gilt: Money talks.
Seit Leonardo Genoni Bern im Sommer 2019 verlassen hat, taumelt der SCB auch wegen anhaltenden Torhüterproblemen von Enttäuschung zu Enttäuschung. Ein Mehrjahresvertrag mit Sandro Aeschlimann würde den SCB auf der wichtigsten Position aufwerten und sportlich stabilisieren. Womit wir natürlich noch nicht wissen, wo Aeschlimann ab der Saison 2026/27 die Pucks stoppen wird. Aber immerhin haben wir eine Antwort auf die Frage, was eigentlich der SCB-Untersportchef den ganzen lieblangen Tag macht.
Aber was soll‘s. Er möchte Klarheit und wird bei Davos bleiben und wohl mehr verdienen, was legitim ist. Und Klarheit bringt Ruhe ins Umfeld.