Im Sommer steigt in der Schweiz mit der Fussball-Europameisterschaft der Frauen ein grosses Fest. Bereits 550'000 Tickets wurden im Vorfeld abgesetzt, weitere kommen noch heute Nachmittag in den Verkauf. Weltweit soll eine halbe Milliarde Menschen aus 190 Ländern zuschauen – was die EM zum grössten frauenspezifischen Sportevent Europas macht.
Doch was passiert mit dem Hype um den Frauenfussball, wenn die Europameisterschaft zu Ende ist? Geht das Interesse der Öffentlichkeit wieder auf den Status quo zurück? Wollen die Mädchen und Frauen plötzlich doch nicht mehr Fussballspielen? Das will der Schweizerische Fussballverband (SFV) verhindern und hat sich darum intensiv mit diesen Fragen beschäftigt und heute – 50 Tage vor dem Start der EM – präsentiert, wie der Fussball der Mädchen und Frauen nachhaltig gefördert werden soll.
Marion Daube, Direktorin Frauenfussball beim SFV, sagt: «Es ist für Frauen und Mädchen weiterhin schwierig, den Einstieg in den Fussball zu finden.» Um das – und andere Dinge – zu verändern, hat der Verband das Legacy-Projekt «Here to stay» ins Leben gerufen. Unter diesem Namen vereint der Verband diverse Projekte der Mädchen- und Frauenförderung im Schweizer Fussball.
Konkret wird auf drei Ebenen gearbeitet: Breitenfussball, Elitefussball und gesellschaftlicher Einfluss.
Im Breitenfussball hat sich der SFV auch konkrete nummerische Ziele gesetzt: Bis Ende 2027 soll die Anzahl lizenzierter Mädchen und Frauen von aktuell rund 40'000 auf 80'000 verdoppelt werden. Um darauf vorbereitet zu sein, soll auch bei den Trainerinnen (Ziel 4750) und Schiedsrichterinnen (250) eine Verdoppelung erreicht werden.
Hierbei soll auch die neu erstellte Webseite heretostay.ch helfen. Interessierte Spielerinnen, Schiedsrichterinnen oder Trainerinnen finden dort an einem Ort die nötigen Informationen und Ressourcen, um bei einem Verein in ihrer Nähe zu landen oder die entsprechenden Kurse zu absolvieren. Daneben hat der SFV in Zusammenarbeit mit Klubs und Regionalverbänden die Legacy Challenge lanciert, wo mit einem Punktespiel die Vereine zur Mädchen- und Frauenförderung motiviert werden.
Auch bei der Trainerinnenförderung geht der Schweizerische Fussballverband neue Wege. Gemeinsam mit den Regionalverbänden und Kantonen wurden neue, frauenspezifische Trainerkurse (Niveau C-Basic) geschaffen. Diese Arbeit trägt bereits Früchte: 2025 konnten in den Kantonen Waadt und Luzern bereits 55 Trainerinnen ausgebildet werden – was der gleichen Anzahl entspricht wie in den letzten sieben Jahren kombiniert.
Wie auch in anderen (Breiten-)Sportarten ist auch im Fussball die Infrastruktur ein Thema. Dafür erarbeitet der SFV bis im Sommer 2025 einen Guide zur optimierten Infrastrukturnutzung. Dabei geht es sowohl um die Nutzung der Fussballplätze (wie kann ein Klub die verfügbaren Plätze mit innovativen Trainingsmethoden am effizientesten nutzen?) selbst als auch der Garderoben und anderer organisatorischen Infrastruktur. Von diesem Guide sollen nicht nur die Frauen- und Mädchen-, sondern alle Teams und Klubs profitieren.
In der Kategorie Elitefussball geht es um die Frauen-Nationalteams und die Women's Super League. Mit den Nationalteams sollen regelmässige Qualifikationen für internationale Endrunden erreicht werden. Bei der höchsten nationalen Frauenliga soll die Sichtbarkeit gesteigert werden. Konkret möchte der Verband die Anzahl der Konsumentinnen (Fans im Stadion, aber auch Streams, TV-Zuschauer, Social-Media-Follower oder Medienberichte) verdoppeln.
Für die Nati wurde als Zwischenziel natürlich die Endrunde im eigenen Land ausgegeben. Um dort zu performen, wurden monatliche Trainings in den Vereinen unter Nationaltrainerin Pia Sundhage abgehalten, bei denen auch Spielerinnen, die aktuell (noch) nicht zum aktiven Kreis des Teams gehören, mitmachen durften. «Der Austausch unter den Spielerinnen, mit dem Staff und auch zwischen den Klubs ist sehr wertvoll», sagt Projektleiter Johan Djourou.
Bei der Women's Super League geht es einerseits um die Sichtbarkeit, die mit entsprechenden Marketing-Massnahmen gesteigert werden soll. Andererseits will der Verband für höhere Standards im Bereich Infrastruktur und Spielbetrieb sorgen, und es ist ein Nachwuchslabel in Arbeit. «So sollen die Schweizerinnen international konkurrenzfähig bleiben und die Attraktivität der Liga gesteigert werden», erzählt Projektleiterin Alice Holzer.
Auf der dritten Ebene geht es darum, den Frauenfussball in der Gesellschaft weiter zu verankern. In einem ersten Projekt hat der SFV darum 15 Frauen über den Zeitraum von 3 Monaten eine Ausbildung zur Stadion-Speakerin ermöglicht.
Damit der Frauenfussball nachhaltig wachsen kann, müssen mehr weibliche Stimmen den Fussball begleiten, erklärt Holzer diesen Schritt. Acht der fünfzehn Kandidatinnen sollen dann auch an der Europameisterschaft zum Einsatz kommen.
Dieses Legacy-Projekt wurde auch dank der für die EM gesprochenen Mittel des Bundes (und Sponsoren) möglich. Der Fussballverband möchte die momentane politische und gesellschaftliche Unterstützung nutzen, um weitere Massnahmen voranzutreiben. Dann soll es auch Projekte für Torhüterinnen und Schiedsrichterinnen sowie eine Zusammenarbeit mit Schulen geben. «Das wäre sonst eine vergebene Chance», sagt SFV-Generalsekretär Robert Breiter.