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Eismeister Zaugg

Wenn wir in Prag nicht ans Ziel kommen, wann dann?

Switzerland
Patrick Fischer blickt zu einem seiner Stars, Nico Hischier.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Wenn wir in Prag nicht ans Ziel kommen, wann dann?

Das Schweizer Eishockey-Nationalteam 2024 ist nominell noch besser als die WM-Silbermannschaft von 2018. Für ein ruhmloses Scheitern gibt es keine Ausreden mehr.
10.05.2024, 06:0410.05.2024, 13:43
Klaus Zaugg, Prag
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Seit dem ehrenhaften Scheitern im WM-Viertelfinal von 2019 gegen Kanada befinden sich die Schweizer auf einer Pilgerreise. Auf dem Jakobsweg zu neuem Ruhm. Sie befolgen dabei den Rat des grossen chinesischen Philosophen Konfuzius: «Der Weg ist das Ziel.»

Das Ziel ist unter Verbands-Sportdirektor Lars Weibel nach wie vor nicht erreicht worden. Lars Weibel vor der WM 2021: «Wir sind auf dem richtigen Weg.» Schmähliches Scheitern im Viertelfinal gegen Deutschland. Lars Weibel vor der WM 2022: «Wir sind auf dem richtigen Weg.» Schmähliches Scheitern im Viertelfinal gegen die USA. Lars Weibel vor der WM 2023: «Wir sind auf dem richtigen Weg.» Schmähliches Scheitern im Viertelfinal gegen Deutschland. Lars Weibel vor der WM 2024: «Wir sind auf dem richtigen Weg.»

Auf dem Jakobsweg zum neuen Ruhm haben die Schweizer unter der Führung von Lars Weibel bei den WM-Turnieren von 2021, 2022 und 2023 immerhin 24 Stationen (Spiele) zurückgelegt. Aber das Ziel – den WM-Halbfinal – haben sie nach wie vor nicht erreicht. Die WM 2020 in der Schweiz ist wegen der Pandemie nicht ausgetragen worden. Wie stehen die Chancen, dass die Schweizer nun in Prag endlich erstmals seit 2018 wieder am Ziel (im WM-Halbfinal) ankommen werden?

Switzerland's head coach Patrick Fischer, back, during an ice hockey World Cup preparation match between Switzerland and France at the St. Jakob-Arena in Basel, Switzerland, on Friday, April 19,  ...
Patrick Fischer muss mit der Nati an der WM in Tschechien abliefern.Bild: keystone

Sie stehen sehr gut. So gut wie seit der Silber-WM 2018 nicht mehr. Zum ersten Mal überhaupt stehen die drei NHL-Titanen Roman Josi, Nico Hischier und Nino Niederreiter – drei Führungsspieler in der besten Liga der Welt – vom ersten Spieltag an zur Verfügung.

Kommt auch Fiala?
Gemäss Eismeister Zaugg sind die Chancen gross, dass mit Kevin Fiala ein weiterer NHL-Spieler zum Schweizer Team stösst. Bislang galt die Teilnahme des Stürmers der Los Angeles Kings als unwahrscheinlich, weil seine Partnerin ein Kind erwartet.

Dieses «Trio Grande» ist das, was der Gitarrist Gilad Hekselman, der Saxophonist Will Vinson und der Schlagzeuger Antonio Sánchez für den Jazz sind. 2018 gaben die drei das Plattendebüt mit «It’s Alright with Three.» Genau das ist das Motto dieser WM unter der Führung von Lars Weibel und Patrick Fischer: «It’s Alright with Three.» «Mit (diesen) drei ist alles in Ordnung.»

Die Erfahrung lehrt, dass die Schweizer bei einer WM immer dann am weitesten kommen, wenn die Kritik gross, die Hoffnung klein und die Erwartungen gering sind: 2013 stürmten sie aus dem tiefen Keller in den WM-Final: Ein Jahr vorher hatte es bloss zum 11. Schlussrang gereicht und Sean Simpson war froh, dass er noch im Amt war. 2018 stand Patrick Fischer nach einem missglückten olympischen Abenteuer (im Achtelfinal schmählich gegen Deutschland gescheitert) arg in der Kritik. Ein paar Wochen später stürmten die Schweizer in den WM-Final und kamen dort gegen Schweden bis in die Penalty-Entscheidung.

Je bissiger die Polemik, je lauter die kritischen Stimmen vor einer WM, desto besser das Team. Nun ist Patrick Fischer mit seinen Männern durch die Saison gestolpert und getaumelt und hat Niederlage an Niederlage aneinandergereiht und allenthalben nervten die Ausreden. Entsprechend war die berechtigte Kritik.

Nashville Predators defensemen Roman Josi moves the puck during the second period of the team's NHL hockey game against the Los Angeles Kings, Thursday, Feb. 22, 2024, in Los Angeles. (AP Photo/Y ...
Auch Nashvilles Roman Josi spielt an der WM für die Schweiz.Bild: keystone

Der sportliche Kurswert unserer Nationalmannschaft ist vor der WM weit unter den Nominalwert gesunken. In der Wirtschaft wäre das Nationalteam ein Übernahmekandidat: enorm viel Substanz und viel zu tief bewertet. Eine November-, Dezember- und Februarausgabe des Nationalteams wäre bei einer WM zum erneuten Scheitern verurteilt.

Erfolg ist bei der WM nur möglich, wenn von Grund auf ein neues Team entsteht. Auf dem Eis und in der Kabine. Die sportliche Führung kann das Team nicht erneuern. Aber Patrick Fischer sorgt für gute Rahmenbedingungen. Damit sich das Team aus sich selbst heraus zu erneuern vermag. Deshalb ist die Präsenz von NHL-Titanen wie Roman Josi, Nino Niederreiter und Nico Hischier – Führungsspieler in der besten Liga der Welt – so entscheidend. Auf dem Eis und in der Kabine.

Auch wenn er das so natürlich nie auch nur andeuten, geschweige denn bestätigen würde: Roman Josi fällt die Rolle eines «Spielertrainers» zu: Er bewirkt mit einem Satz mehr als Patrick Fischer mit seiner ganzen, überaus lebenswerten Biografie. Und der Nationaltrainer ist ein kluger Psychologe, der sein Ego dann zurücknimmt, wenn es der Mannschaft hilft.

Nico Hischier: un match magnfiique la veille de ses 25 ans.
Nico Hischier der «Swiss Devils» ist der Dritte im Bunde der NHL-Schweizer an der WM.Bild: fxp-fr-sda-rtp

Wir haben gerade durch die Präsenz von Roman Josi, Nico Hischier und Nino Niederreiter vom ersten Tag an das bestmögliche WM-Team und Leonardo Genoni ist nach wie vor dazu in der Lage, noch einmal ein WM-Held zu werden. Eine einmalig günstige Ausgangslage.

Die Auftaktpartie gegen Norwegen (16.20 Uhr, live SRF) ist der erste Schritt auf dem Weg in den Halbfinal. Es muss noch nicht rocken und rollen. Es ist vielmehr eine Gelegenheit zum Justieren des Spiels für kommende, schwierigere Aufgaben. Zum Binden der Schuhe auf dem beschwerlichen Pilgerweg zum Ruhm. Wenn die Schweizer in Prag mit dieser Mannschaft, mit dieser Ausgangslage nicht ans Ziel kommen, wann dann? Vor allem: wann dann mit Patrick Fischer? Für ruhmloses Scheitern gibt es in Prag keine Ausreden mehr.

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Roman Josi (Nashville Predators): Verteidiger, Vertrag bis 2028, Jahressalär (inkl. Boni): 9,059 Millionen Dollar.
quelle: imago/usa today network / imago images
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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P.
10.05.2024 07:17registriert August 2018
Nun gut, ich hatte alle Jahre Freude, wenn die Schweiz die Vorrunde mit vielen Punkten auf Rang 1 oder 2 abschloss.

Sollten wir es dieses Jahr wieder auf Rang 1 schaffen, will ich die Mannschaft sicher nicht mehr speziell loben.

Bei mir zählt dieses Mal das Viertelfinale.

Überstehen wir das Viertelfinale: Erfolgreiche WM
Scheitern wir im Viertelfinale:
Scheiss WM.

Um es mal diplomatisch auszudrücken.
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Blaghund
10.05.2024 07:45registriert November 2023
Ausreden? Welche Ausreden?

Fakt ist, dass die Eishockey Nationalmannschaft in den letzten Turnieren mental an nominell schwächeren Gegnern gescheitert ist.
Hischier war übrigens auch dabei.

Es gibt keine Ausreden, es gibt nur einen Grund. Und der Grund heisst Fischer.
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Andrew 1
10.05.2024 07:44registriert März 2022
Wenn wir scheitern bekommt Fischer bestimmt einen neuen Vertrag auf Lebzeiten.
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