Man glaubt, nicht richtig gehört zu haben. Und spult die Einspielung im Schweizer Fernsehen zurück, um noch einmal hinzuhören und die Aussage zu verifizieren. Doch auch beim zweiten Mal sagt Heinrich Schifferle: «Ich sehe keine Probleme, dass wir die Meisterschaft nicht fertigspielen können.»
Wie bitte? Hat der Präsident der Swiss Football League bis am Samstagabend nicht mitbekommen, dass beim FC Zürich nicht nur Mirlind Kryeziu, sondern insgesamt sechs Spieler und drei Staffmitglieder mit dem Coronavirus infiziert sind?
Doch. Er hat. Aber Schifferle demonstriert Zweckoptimismus und hofft, dass die verschobene Partie zwischen dem FCZ und Sion die einzige in der Super League bleibt, die dem Virus zum Opfer gefallen ist.
Was allerdings etwas blauäugig erscheint angesichts der Tatsache, dass das dafür zuständige kantonale Gesundheitsamt alle Zürcher, die am Dienstag im Mannschaftsbus zum Spiel in Neuenburg gesessen sind, für zehn Tage in Quarantäne geschickt hat.
Offensichtlich ist die Swiss Football League mit dieser Massnahme auf dem falschen Fuss erwischt worden, hatte sie doch vom Bund zuvor andere Informationen bekommen, was im Fall eines einzelnen Coronafalls zu tun ist. Dazu sagt Schifferle: «Das hat mich irritiert. Hätten wir gewusst, dass dann eine ganze Mannschaft in Quarantäne muss, hätte das Folgen für das Schutzkonzept und die ganze Organisation gehabt.»
Man wird den Eindruck nicht los, die Liga habe sich zu wenig mit dem Fall der Fälle beschäftigt, zu sehr das Prinzip Hoffnung gelebt und werde nun von der Realität eingeholt. Dazu passt eine Aussage Schifferles: «Ich mache mir keine Gedanken über Eventualitäten. Es bringt nichts, Szenarien aufzustellen in einer Zeit, wo morgen alles anders ist, was heute noch gilt.»
Während viele in der Fussball-Schweiz bezweifeln, ob der FCZ zum Auswärtsspiel am Dienstag in Basel antreten kann, sagt Schifferle: «Das Spiel ist nicht abgesagt.» Kurzfristig war es das allerdings. Am Freitagabend meldete die Liga die Partie als verschoben. Selbiges tat der FCB auf seiner Website. Keine 24 Stunden später waren beide Einträge wieder verschwunden. Aber Verschiebungen sind kaum möglich, der Zeitplan – vor allem derjenige des FCB – weist keine Lücken auf.
«Vielleicht lässt sich die Quarantäne der Zürcher ja verkürzen», hofft Schifferle. Oder der FCZ entsendet ein Team nach Basel mit Spielern, die negativ getestet (Marco Schönbächler, Pa Modou und Antonio Marchesano) wurden und füllt das Kader mit U21-Akteuren auf. Was indes einer Wettbewerbsverzerrung gleich käme. Analog der russischen Meisterschaft – nur nicht ganz so zugespitzt –, in der Rostow beim weitaus schlechter klassierten Sotschi mit einer Juniorenmannschaft antreten musste und 1:10 verlor.
Die U21-Mannschaft des FCZ hat im Jahr 2020 noch kein Spiel bestritten und hätte nach dem kürzlich erfolgten Trainingsauftakt eigentlich nochmals bis zum 22. Juli frei, weil die neue Saison erst am 16. August beginnt.
Abgesehen vom Spiel in Basel geht Schifferle davon aus, dass der FCZ eine Mannschaft hinbekommt, welche die Saison zu Ende spielen kann. Dass der Stadtklub aus dem Wettbewerb genommen werde, stehe im Moment nicht zur Diskussion. Zur zehntägigen Quarantäne werden beim FCZ bereits der Mittwoch, Donnerstag und Freitag nach der Partie bei Xamax. An diesen Tagen haben die FCZ-Spieler entweder gar nicht oder nur individuell trainiert und sind nicht mehr länger miteinander in Kontakt gekommen.
Am nächsten Samstag könnte das Team also frühestens wieder spielen. Auf dem Plan stünde dann der Match gegen YB - trainieren könnte die Mannschaft vorher nur in den Stunden vor der Partie.
Mut macht dem SFL-Präsidenten, dass die Tests bei Xamax, dem letzten Gegner des FCZ, alle negativ ausfielen. «Darüber bin ich doppelt froh», sagt Schifferle. Er weiss: Gibt es noch einen zweiten Klub mit Corona infizierten, die in Quarantäne müssen, dann hat die Liga ein noch gröberes Problem und der Abbruch ist nicht mehr fern. Im Fall Xamax ist es indes fraglich, wie aussagekräftig die Testresultate sind. Die Inkubationszeit bei Covid-19 beträgt zwei bis 14 Tage.
Natürlich ist man heute schlauer und würde wohl weniger auf ein «Schutzkonzept light» setzen. Aus Sion hat Präsident Christian Constantin bereits verlauten lassen, es gebe nun nichts anderes als den Saisonabbruch. Noch ist es nicht so weit. Die Lösung, über den 2. August hinaus zu spielen und am grünen Tisch zu entscheiden, wer die Schweiz im Europacup vertreten wird und dies der UEFA termingerecht mitzuteilen, könnte die praktikabelste Lösung ohne Wettbewerbsverzerrung in der Super League sein.
Heute trifft sich das Komitee der SFL zu einer Sitzung: wie weiter? Dessen Finanzchef, FCZ-Präsident Ancillo Canepa, hat gestern mitgeteilt, ebenfalls mit dem Virus infiziert zu sein.
Angenommen bei St. Gallen bekommt ein Spieler Corona. Dann müsste sich die Führung überlegen ob man im Meisterschaftsrennen bleiben möchte und den Spieler als verletzt meldet oder ob man das Team in Quarantäne versetzt und somit die Meisterschaftschancen aufrecht erhält..