Lionel Messi hat schon fast alles gewonnen, was es als Fussballer zu gewinnen gibt. Individuelle Auszeichnungen wie die Auszeichnung zum Weltfussballer (2x) und den Ballon d'Or (7x). Er feierte elf nationale Meistertitel (in Spanien und Frankreich), gewann viermal die Champions League, dreimal die Klub-WM und holte 2021 mit der Copa América endlich einen grossen Titel mit und für Argentinien.
Doch etwas fehlt noch im Palmares des Superstars: der Weltmeister-Titel. In Katar bietet sich nun die letzte Chance für Messi und Argentinien, diesen Umstand zu ändern. «La Pulga» (der Floh) hat angekündigt, nach dem Turnier in der Wüste vom internationalen Fussball zurückzutreten. Eine letzte Chance, um sich in seiner Heimat auf die gleiche Stufe der Verehrung zu heben, wie der vor zwei Jahren verstorbene Diego Maradona.
In Katar gibt es deshalb nur ein Motto: alle für Messi und Messi für alle. «Es ist der Traum, der uns antreibt. Argentinien soll Weltmeister werden, und Leo soll am 18. Dezember die Trophäe in die Luft strecken», erzählt ein argentinischer Fan, der mit dem Velo von Südafrika nach Katar fuhr und dieser Tage am Austragungsort angekommen ist. Messi selbst sagt: «Ich zähle die Tage, bis die WM losgeht.» Es sei eine gewisse Angst und Nervosität da, weil immer alles passieren könne. Und doch meint der 35-Jährige: «Wir können das Turnier mit einem Seelenfrieden angehen, weil wir letztes Jahr unseren grossen Traum verwirklicht haben, den wir so oft verpasst haben.»
Letztes Jahr gewann Messi endlich seinen ganz grossen Titel mit Argentinien. Zum ersten Mal seit 1993 brachte die «Albiceleste» die Copa América nach Hause. Und das ausgerechnet in und gegen Brasilien, den grossen Erzrivalen. Dieser Sieg einerseits gezeigt, dass Messi auch ein Leader sein kann. Vor wenigen Tagen kam ein Ausschnitt aus einer Dokumentation an die Öffentlichkeit, der zeigte, wie «La Pulga» seine Teamkollegen vor dem Final motivierte. Es ist zu sehen, wie er seine Mitspieler heiss macht und wie viel Vertrauen er ihnen schenkt.
Andererseits hat der Copa-Sieg einen gewaltigen Druck von Messis Schultern genommen und bewiesen, dass Argentinien als Mannschaft gut genug ist, um Titel zu gewinnen. Die Mannschaft von Trainer Lionel Scaloni hat ihren Groove gefunden. Emilliano Martinez sorgt für Konstanz im Tor, Verteidiger Cristian Romero für Stabilität direkt davor.
Und vorn musste man sich noch nie Sorgen um die «Albiceleste» machen. Leandro Paredes, Rodrigo de Paul, Angel Correa, Angel di Maria, Lautaro Martinez oder Julian Alvarez – Qualität ist im Überfluss vorhanden. Seit unfassbaren 35 Spielen in Serie hat Argentinien nicht mehr verloren. Einzig Verletzungen könnten das Team ausbremsen – Romero und Paulo Dybala sind angeschlagen, Giovani Lo Celso dürfte das Turnier komplett verpassen.
Aber da ist ja immer noch Lionel Messi. Der Star hat nach einer schwierigen ersten Saison bei PSG seine Spielfreude wiedergefunden und scheint – trotz einer leicht entzündeten Achillessehne – für die WM in Topform zu sein. 18 Spiele hat der Argentinier in dieser Saison gemacht und war dabei an 26 Toren direkt beteiligt (12 Tore, 14 Assists). Nur Erling Haaland und Neymar befinden sich in den Top-5-Ligen in ähnlichen Sphären.
In Argentinien schwärmen die Zeitungen etwa vom «besten Messi, den die Nationalmannschaft je gesehen hat», oder schreiben: «Messi wirkt besessen, konzentriert, mit mörderischem Blick auf die WM in Katar.» Es ist offensichtlich: Ganz Argentinien wird an diesem Turnier für Messi spielen und fanen, damit er sein Palmares komplettieren kann. Und umgekehrt wird «La Pulga» für ganz Argentinien spielen, um dem Land den ersten WM-Titel seit 1986 und Diego Maradona zu schenken.
Es wäre fast schon poetisch, wenn Messi sich den Titel an der ersten Weltmeisterschaft nach Maradonas Tod holen würde. Als hätte er warten müssen, bis «El Pibe de Oro» (der Goldjunge) nicht mehr unter uns weilt, um endgültig in die Fussstapfen seines Vorgängers zu treten.