In dieser Geschichte über Real Madrid geht es um Taylor Swift. Nicht nur, aber der US-Popsuperstar spielt eine Hauptrolle. Oder zumindest steht die Amerikanerin am Ursprung dessen, was für den königlichen Fussballklub zu einer Zerreissprobe zu werden droht.
Ende Mai gab Taylor Swift im Real-Stadion Santiago Bernabéu eines ihrer Mega-Konzerte. Dazu muss man wissen: Die Arena war zwischen 2019 und 2023 um- und ausgebaut worden. Für die Kleinigkeit von 1,15 Milliarden Euro.
Nun, das Bernabéu ist seit Fertigstellung der Bauarbeiten ein ultramodernes Stadion mit allem erdenklichen Schnickschnack. Mit einem schliessbaren Dach, mit einem die Arena umkreisenden Videoband oder mit einem in den Boden versenkbaren Rasen. Doch an eines haben die Planer und Architekten nicht gedacht: Dass der Lärm der Veranstaltungen nicht nahezu ungehindert durch die Lamellen der schicken, neuen Aussenwand dringen sollte.
Und das ist nun ein Problem. Weil das Stadion im noblen Stadtteil Chamartín in unmittelbarer Nähe zu den Wohnblöcken steht, fühlte sich die bourgeoise Nachbarschaft durch das Konzert von Taylor Swift in ihrer Nachtruhe gestört. Die Lärmschutzbestimmungen wurden durch Taylor Swift und bei 17 weiteren Konzerten derart stark verletzt, dass sich eine Bürgerinitiative bildete, die für ein Verbot von Konzerten im Bernabéu kämpfte – und Erfolg hatte. Seit wenigen Wochen dürfen im Stadion bis auf weiteres keine Konzerte mehr stattfinden.
Damit verliert Real Madrid viel Geld. Denn das Bernabéu wurde renoviert und modernisiert, damit es mehr als nur rund 30 Mal pro Jahr für Fussballspiele genutzt werden kann. Real-Präsident Florentino Perez weiss, dass er seine teure Mannschaft nur finanzieren kann, wenn das Stadion mit Konzerten und weiteren Veranstaltungen wöchentlich gefüllt wird.
Weil Real ursprünglich mit Einnahmen von jährlich gegen 400 Millionen Euro aus dem Stadionbetrieb rechnete, kann man sich vorstellen, wie viel Geld durch das Konzertverbot gerade flöten geht. Ausserdem drohen auch rechtliche Konsequenzen wegen des «Swift-GAU». Für die Vermarktung des Bernabéu ging Real nämlich mit der US-Investment-Firma «Sixth Street» und deren auf Sportveranstaltungen spezialisierte Tochtergesellschaft «Legends» einen 360 Millionen Euro schweren Deal mit einer Laufzeit von 20 Jahren ein. Ein Deal, an dessen Vereinbarungen sich Real wegen der auf viele Monate abgesagten Konzerte nicht halten kann.
Das alles bringt Real in eine schwierige, finanzielle Lage. Denn in den nächsten Jahren müssen Kredite und Darlehen in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro zurückbezahlt werden. Diese werden fällig, weil der Stadionumbau auch für Real Madrid, das im letzten Geschäftsjahr als erster Fussballverein über eine Milliarde Euro umsetzte, nicht ohne Hilfe der Banken zu stemmen war.
Die unsichere Finanzlage fällt gerade mit einer unbefriedigenden, sportlichen Situation zusammen. Real gewann zwar am letzten Sonntag sein Meisterschaftsspiel auswärts gegen Leganés 3:0, und vor der Länderspielpause gab es einen 4:0-Heimsieg gegen Osasuna. Aber das sind Pflichtübungen für die Real-Stars. Bei der Beurteilung fällt vielmehr ins Gewicht, dass der «Clásico» gegen den FC Barcelona im Bernabéu mit einem schmachvollen 0:4 endete und dass in der Champions League das eigene Publikum gegen Milan mit einem 1:3 enttäuscht wurde.
Apropos Champions League. Da steht Real als Titelverteidiger plötzlich unter erhöhtem Druck. Nach zwei Niederlagen aus vier Spielen droht im Februar der mühsame Gang durch die Playoffs. Zumal die nächsten beiden Gegner es in sich haben. Heute trifft Real auswärts auf den FC Liverpool, den souveränen Leader der Premier League, in zwei Wochen folgt das Duell auswärts gegen Atalanta Bergamo, das formstärkste Team der Serie A. Gibt es da keine Siege, reicht es kaum noch für die direkte Qualifikation für die Achtelfinals.
Dass es auf dem Platz nur schleppend vorangeht, hat viel mit Kylian Mbappé zu tun. Der französische Superstürmer ist trotz sieben Liga-Toren – erzielt gegen Hinterbänkler wie Alavés, Celta Vigo oder Leganés – noch nicht angekommen, im Real-Ensemble. Nicht wenige beginnen, die Nase zu rümpfen und zu monieren, das viele Geld – Handgeld, Lohn, Prämien und Versicherung summieren sich in den nächsten fünf Jahren auf weit über 300 Millionen Euro – wäre besser in einen starken Verteidiger und in einen Ersatz für den zurückgetretenen Mittelfeldstrategen Toni Kroos investiert worden.
Das spanische Fussball-Portal «Relevo» fasste die Lage rund um Real Madrid süffisant mit folgender Frage zusammen: «Schaufeln Taylor Swift und Kylian Mbappé ein Milliardengrab?» So schlimm wird es nicht kommen. Aber dass der Verein jede Einnahmequelle prüft, zeigt dies: Rund um die Jahresversammlung vom letzten Sonntag sickerte durch, Perez denke darüber nach, die Mitgliederausweise der über 93'000 «Socios» in Aktien umzuwandeln. Ein Milliardengrab wird es nicht geben, aber wenn aus diesem Verein eine Aktiengesellschaft werden soll, ist die Not zumindest so gross, dass eine heilige Kuh zu Grabe getragen wird. (aargauerzeitung.ch)
Nö.
#weindochindeinepokale