Als Xherdan Shaqiri am 19. August, drei Tage nach der Verkündigung seiner Rückkehr, den Balkon der Geschäftsstelle betrat und zu den rund 3000 Fans sprach, jubelten diese vor allem bei einem Satz: «Wir wissen, wo der FC Basel hingehört, und wir werden alles geben, ich speziell werde alles geben, damit wir den Kübel wieder nach Basel bringen.»
Der Titel war zu diesem Zeitpunkt so weit weg wie der Samichlaus an Ostern. Dass Shaqiri zehn Monate später als FCB-Captain womöglich sogar zwei Trophäen heimbringt, war ein undenkbares Szenario. Zu schwer wog die vergangene Saison, in der Basel nur knapp dem Abstieg von der Schippe sprang. Zu schwach war auch der Leistungsnachweis des verlorenen Sohns, der in zweieinhalb Jahren in Chicago oft verletzt war und kumuliert nur 16 Treffer und elf Assists verbuchte.
In der laufenden Saison steht Shaqiri wettbewerbsübergreifend bei 16 Toren und 18 Assists. 34 Skorerpunkte in nur 33 Spielen sind persönlicher Rekord für den 1,69-Meter-Mann. Und man bedenke, dass Shaqiri erst in der fünften Runde einstieg, seinen ersten Assist und sein erstes Tor erst in den Runden neun und elf erzielte.
Shaqiri ist an 43 Prozent der 72 FCB-Ligatore beteiligt. Rechnet man die zehn Treffer aus den ersten vier Saisonspielen weg, als Shaqiri noch nicht in Basel unter Vertrag stand, sind es sogar 52 Prozent. Sein Transfer hat auch dazu geführt, dass die TV-Quoten stiegen und die Merchandise-Einnahmen des FC Basel im Jahr 2024 um 1,2 Millionen auf 4,3 Millionen Franken anwuchsen.
Von den knapp 30'000 in dieser Saison verkauften FCB-Shirts tragen mehr als 7000 den Namen Shaqiri. Und wenn man davon ausgeht, dass die beiden restlichen Heimspiele gegen Servette und Luzern ausverkauft sind, hat der FCB mit einem Zuschauerschnitt von 26'320 den Wert im Vergleich zur Vorsaison um 4330 gesteigert.
Ohne Shaqiris Torbeteiligungen hätte der FC Basel in dieser Saison 19 Punkte weniger auf dem Konto und läge nur auf Rang acht. Natürlich bleibt diese Spielerei für immer ein Konjunktiv. Doch die Abhängigkeit von seiner Nummer 10 war nicht nur in den Spielen gegen St.Gallen und Luzern sichtbar, als der FCB nach der Auswechslung seines Stars zwei Führungen verspielte und vier Punkte liegen liess.
Beeindruckend ist auch die Standardstärke Shaqiris, die dazu führte, dass der FCB in schlechten Phasen aus dem Nichts Tore erzielen konnte. Bei 13 Ligatreffern der Basler steht ein Standard von Shaqiri am Ursprung. 42 Prozent seiner Torbeteiligungen sind ruhende Bälle. Eine Qualität, die in den vielen engen Spielen der ausgeglichenen Super League am Ende den Unterschied ausmacht. Und die der FCB ohne Shaqiri nicht hätte.
Auf die Frage, ob der FCB auch ohne Shaqiri das Double in Griffweite hätt, muss FCB-Trainer Fabio Celestini lachen. Dann sagt er: «Es käme auf seinen Ersatz drauf an. Fest steht, dass er in dieser Saison den Unterschied macht und der beste Spieler der Liga ist. Aber wir haben auch die beste Verteidigung, obwohl Shaqiri kein begnadeter Defensivspieler ist, und ohne ihn 6:0 in Genf gewonnen.»
Daniel Stucki sagt gegenüber der «Basler Zeitung»: «Unser Spiel ist nicht per se auf Shaq zugeschnitten.» Doch der FCB-Sportchef muss auch zugeben: «Natürlich wirkt es ein Stück weit so, weil er derart dominant ist und oft gesucht wird.» Exemplarisch erklärt Mittelfeld-Kollege Léo Leroy: «Ich schaue schon, wo Shaqiri ist, wenn ich den Ball bekomme. Denn er macht oft die entscheidenden Dinge.» So verwundert es nicht, dass Shaqiri nach den Innenverteidigern Finn van Breemen und Nicolas Vouilloz am meisten Pässe pro 90 Minuten von Mitspielern erhält (36). Auch bei den Schussvorlagen (2,86), den Pässen in den Strafraum (6,5), den Ecken (4,8) und Freistössen (2,6) führt Shaqiri das klubinterne Ranking an.
Celestini hat von Anfang an verstanden, dass es keinen Sinn macht, Shaqiri ein taktisches Korsett aufzuzwingen. Zu Beginn stellte der FCB-Trainer sogar sein System für den neuen Star um. Unterdessen hat der FCB-Captain auf unterschiedlichen Positionen grossen Einfluss. Gegen Lausanne sah man Shaqiri, der nach dem 1:2 und zwei offensiven Wechseln kurzzeitig im defensiven Mittelfeld spielte, sogar zwei Defensivsprints machen. Die Heatmap zeigt, dass sich die Basler Nummer 10 offensiv überall aufhält und vor allem auch von überall skort.
Dass Shaqiri im Alter von 33 Jahren die produktivste Saison seiner Karriere spielt und in den kommenden sechs Spielen sogar auch bei den Einsatzminuten einen neuen Bestwert aufstellen könnte, liegt auch an seinem Willen. Shaqiri will mit seinem FC Basel das erreichen, was er den Fans im August auf dem Balkon versprochen hat. Der in seiner Karriere nicht immer ganz austrainierte Zauberfuss war sich im Sommer nicht zu schade, Zusatzschichten für die Fitness zu schieben und regelmässig mit dem Velo den Gempen zu erklimmen. Das zahlt sich im Saisonendspurt aus. Elf Torbeteiligungen hat Shaqiri in den vergangenen sieben Spielen gesammelt.
«Dass er momentan so fit ist, ist für uns entscheidend. Er nimmt den Druck von den anderen Spielern und lädt ihn auf sich. Und er mag das», sagt Stucki. Dass Shaqiri nach fast jeder nicht gelungen Aktion eines Mitspielers die Hände verwirft und immer wieder wie ein Rohrspatz motzt, verzeihen ihm die Kollegen. Denn sie wissen: Der Mann macht uns besser.
Shaqiri sagt: «Es braucht immer ein, zwei Spieler wie mich, die die Jungen mitziehen. Darüber zu reden, ist einfach, es rüberzubringen, etwas anderes. Es geht darum, jeden Trainingsmatch gewinnen zu wollen, darum, dass die Mannschaft an sich glaubt. Das war in den vergangenen Jahren Teil des Problems, und jetzt weht wieder ein anderer Wind.»
Seine fussballerische Überlegenheit nimmt Shaqiri allerdings nicht zum Anlass für Allüren. Auch bei den öffentlichen Trainings, die es beim FC Basel seit kurzem wieder gibt, erfüllt er die Foto- und Autogrammwünsche der Fans. Dominik Schmid, Shaqiris Vorgänger als FCB-Captain, sagte im «Blick»: «Er ist mit Abstand der beste Spieler der Super League. Er macht die besten Sachen, er hat die besten Standards. Aber er stellt sich auch zu 100 Prozent in den Dienst der Mannschaft.»
«Habemus Xherdan», schrieben die Fans gegen Lausanne auf ein Banner und liessen weissen Rauch aufsteigen. Am 24. Mai nach der letzten Runde und am 1. Juni nach dem Cupfinal will Basels Fussballpapst wieder zu den Fans sprechen. Dann aber auf dem Barfüsserplatz und mit Silberware im Gepäck.
Klar ist da ein kommerzielles Interesse vorhanden (so wie hoffentlich bei vielen im Job auch), aber er bringt Emotionen und Freude. Ich mag das ihm und den Basler-Fans gönnen.
Ich kann mich an keinen Spieler (auch international) erinnern der einen Verein ähnlich wie Shaqiri den FCB geprägt hat. Dank ihm ging ein heftiger Ruck durch die Mannschaft.