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Carlos Varela findet die Super League «total rückläufig»

Carlos Varela bestritt über 356 Spiele in der Super League.
Carlos Varela bestritt über 356 Spiele in der Super League.bild:keystone
Interview

Carlos Varela: «Das spielerische Niveau in der Super League ist total rückläufig»

Carlos Varela blickt besorgt auf das Niveau unserer Meisterschaft. Das hindert ihn nicht daran, sich an diesem Wochenende über die Rückkehr der Super League zu freuen: «Servette kann YB ärgern.»
17.01.2023, 16:17
Julien Caloz
Julien Caloz
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«Der FC Basel ist schuld, wenn die Schweizer Meisterschaft schwächelt.» Dieser Satz, den wir am Sonntag in der «SonntagsZeitung» gelesen haben, hat uns dazu gebracht, Carlos Varela anzurufen, um zu erfahren, was er über unsere Meisterschaft sagt, die am Samstag mit den Spielen Luzern gegen Zürich und GC gegen YB fortgesetzt wird.

Carlos Varela, ist der FCB wirklich für das Spielniveau in der Super League verantwortlich?
Carlos Varela:
Es ist ein bisschen komplexer als das. Das Problem ist meiner Meinung nach, dass es nicht mehr zwei oder drei grosse Mannschaften gibt, die die Lokomotiven vorne spielen. Die Berner haben bereits einen Zehn-Punkte-Vorsprung und es sind noch nicht einmal die Hälfte der Spiele gespielt. Sie sind alleine an der Spitze. Der Schweizer Fussball war besser, wenn Basel, YB oder auch Zürich gemeinsam auftraten. Deshalb habe ich gesagt, dass Basel für das aktuelle Niveau verantwortlich ist, weil sie nicht mehr um den Titel mitspielen können.

Tabelle

Die aktuelle Tabelle der Super League.
Die aktuelle Tabelle der Super League.screenshot: fussballdaten.de

Vor nicht allzu langer Zeit dominierte der FC Basel jedoch oft die Meisterschaft, ohne die Spielqualität in der Super League zu beeinträchtigen.
Aber der FCB war noch nie so dominant wie die Young Boys heute. Es gab immer Vereine wie GC oder Zürich und dann YB, die mithalten konnten, und Saisons endeten oft in einem Zwei- oder Dreikampf.

Ist die Meisterschaft in dieser Saison schon entschieden?
Angesichts der Konstanz von YB in den letzten Jahren und seiner «fairen» Arbeitsweise sehe ich nicht, wie sie am Ende den 10 Punkte Vorsprung noch verspielen können. Aber wir sind nie sicher vor einer Überraschung. Servette ist für mich das einzige Team, das YB ärgern kann, weil es einen stabilen Kader hat und noch nicht sein volles Potenzial ausgeschöpft hat.

Sie sagten an diesem Sonntag gegenüber der «SonntagsZeitung», dass das Niveau in der Super League gesunken sei. Allerdings sind viele Leute im Stadion. Wie erklären Sie sich dieses Paradoxon?
Die Attraktivität der Meisterschaft ist das eine, die spielerische Qualität das andere. Das Niveau ist gesunken, das ist mir absolut klar. Schauen Sie sich nur die Entwicklung unserer Klubs in Europa in den letzten fünf Jahren an: Wir wurden von Mannschaften aus Nordeuropa und von ungarischen oder georgischen Klubs ausgeknockt. Noch nie haben wir so viele Enttäuschungen erlebt wie in den letzten zehn Jahren. Es gibt sogar Teams, die ich nicht kannte, die uns in der ersten Runde eliminiert haben.

«Wir befinden uns in einem totalen Rückschritt. Wir sind nicht davor gefeit, in Zukunft kein Schweizer Team mehr in Europa zu sehen, ausser in der Conference League, die zum Schweizer Cup wird.»

Die Meisterschaft bleibt trotz allem attraktiv. Die zehn Klubs der Super League kamen in der vergangenen Saison auf durchschnittlich 11.388 Zuschauer. Der höchste Wert seit 2012/13.
Denn viele Teams sind im Rennen um die europäische Qualifikation. Da sich das Niveau angleicht, aber nach unten geht, sind sie bis zum Saisonende fast alle im Spiel. Es ist ein Problem; es bedeutet, dass Vereine wie Luzern oder Lugano eine schlechte Meisterschaft spielen können, während sie in Europa aktiv sind. Sie sagen sich, dass alles in Ordnung ist. Und erweisen sich als selbstgefällig. Ausserdem war das Transferfenster noch nie so ruhig wie in diesem Winter, und das ist normal: in Europa dabei zu sein, während man in der Liga nur Durchschnitt ist, ermutigt dich nicht, deine Arbeitsweise zu ändern.

Bern's Carlos Varela, rechts, diskutiert mit Schiedsrichter Stephan Studer, im Meisterschaftsspiel der Fussball Super League zwischen den Young Boys Bern und dem FC Thun, am Samstag, 22. Maerz 20 ...
Carlos Varela war während seiner Aktivzeit auch gerne mal zu Spässen aufgelegt.Bild: KEYSTONE

Trotz des aktuellen Niveaus stellt manch einer erfreut fest, dass die Schweiz eine Ausbildungsliga ist. Und das ärgert dich sehr.
Absolut! Ich bin es leid, das zu hören. Heisst das, wir müssen die Spieler nach zwei guten Saisons bei uns gehen lassen? Dann respektieren wir unsere Liga nicht. Denn den Fans ist es egal, wie viele Spieler ihr Verein trainiert hat, vor allem, wenn dieselben Spieler dann bei einem grossen Klub glänzen.

Was oft vorkommt.
Ja. Wir sehen immer weniger Spieler, die sich mit ihrer Mannschaft identifizieren und stolz auf ihr Trikot sind. Als ich für Basel spielte, war ich von Montag bis Sonntag rot-blau. Wenn jemand gegen meinen Verein sang, nahm ich das persönlich. Tatsächlich war ich ein Fan auf dem Platz.

Gibt es noch mehr?
Die meisten sind für eine Saison im Einsatz. Sie wollen Tore schiessen, um dann an einer anderen Meisterschaft teilzunehmen, und das merkt man. Sobald sie in Schwierigkeiten sind oder Spiele verlieren, ziehen sie die Reissleine oder es ist ihnen egal. Natürlich gibt es in den Stadien der Super League immer noch viele Zuschauer, aber wenn die Klubs Spieler holen, um sie aufzubauen und dann zu verkaufen, schiessen sie sich selbst in den Fuss. Es ist nicht die Art von Emotion, die Fans suchen, wenn sie ins Stadion gehen.

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17 Kommentare
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Calou
17.01.2023 17:24registriert April 2018
Heb de Schlitte, du huere S*****drägg. Nicht persönlich nehmen Herr Varela, aber das war alles was ich dachte, als ich die Antwort auf die erste Frage gelesen habe…
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Gusto
17.01.2023 19:01registriert Mai 2016
Ich habe die exakt gleiche Ansicht wie Varela in allen Aspekten, doch leider wird man nicht wahrgenommen. Der Zuschauerzuspruch und das TV (Blue) täuschen eine Riesenillusion von tollem Fussball vor. Dabei ist das Niveau seit ungefähr 10 Jahren stetig am Sinken. Bitte hört endlich auf euch selbst was vorzumachen und schaut mal genau hin, was ihr jede Woche hoch jubelt!!
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