Liebe FIFA, du hast deine Kinder zu Rotzlöffeln erzogen. Es ist Zeit für Massnahmen
Liebe FIFA
Wir müssen – unter Eltern – über Erziehung reden.
Der vielbeachtete dänische Pädagoge Jesper Juul vertritt die Meinung, Kinder seien «vollwertige Menschen», die nicht mit Verboten und Strafen geführt werden müssen. Kinder seien «keine Halbwilden», sondern hätten bereits soziale Kompetenzen.
Jahrelang hast du, liebe FIFA, Juuls Linie gefahren. Nur im Notfall wurde sanktioniert – in vielen Bereichen hast du darauf gesetzt, dass deine Kinder vollwertige Menschen sind.
Doch der Fussball hat sich entwickelt, ist schneller geworden, physischer, athletischer. Fussball ist heute ein Multi-Milliarden-Business mit Multimilliarden-Playern.
Eine ähnliche Entwicklung haben deine Kinder durchgemacht. Sie werden heute verehrt wie Götter – in den Stadien, den Medien und Social-Media. Die Werbewirtschaft übergiesst sie mit Gold. Sie werden bezirzt von Heerscharen von Ja-Sagern.
Dementsprechend benehmen sie sich auch. Wie miese, kleine, selbstverliebte, egoistische, asoziale Arschlochkinder.
Klein Santos will das Spielzeug nicht teilen und wälzt sich im Dreck. Nicolas kickt dem am Boden liegenden Ivan ins Gesicht, Pepe-Junior bricht bei einem sanften Schulterklopfer ein wie der Kurs von Bitcoin. Bei jedem Eingreifen der Nanny, eigentlich ja Respektsperson, herrscht ein Gedränge wie um einen Naschwerkspender.
Wie soll ich das alles meiner fünfjährigen Tochter erklären? «Pappiiii, wieso fällt der schöne Mann mit dem komischen Hals immer um?»
«Keine Ahnung Spatz. Ich denke, er hat nicht genug getrunken.»
«Pappiiii, haben die alle nicht genug getrunken?»
Das Problem ist: Während sich Spiel und Umfeld rasant verändert haben, sind deine Erziehungsmassnahmen, liebe FIFA, vor allem aber die Umsetzung davon, mehr oder weniger dieselben geblieben. Jahrelang hast du über die aufkeimende Unkultur des Quängelns, Lügens und Betrügens hinweggesehen. Den fairen Protagonisten hast du damit den Mittelfinger gezeigt – bis auch sie sich korrumpieren liessen. In deiner Familie werden vor allem die Falschspieler belohnt. Vielleicht stinkt der Fisch ja vom Kopf her – aber das ist wieder ein anderes Thema.
Anyway.
Die Unsitten auf dem Spielfeld sind derart ausgeartet, dass ich einen (verhandelbaren) Massnahmenkatalog ausgearbeitet habe:
- Schwalben ausserhalb des Strafraums müssen in allen Fällen mit Gelb bestraft werden.
- Schwalben innerhalb des Strafraums müssen in allen Fällen mit Rot bestraft werden.
- Nur der Captain darf den Schiedsrichter ansprechen. Alle anderen werden mit Gelb bestraft.
- Nähert sich der Captain dem Schiedsrichter in der Diskussion näher als einen Meter, wird er mit Gelb bestraft.
- Das Übertreten der Abstandslinie beim Freistoss wird in allen Fällen mit Gelb bestraft.
- Das Verzögern des Spielflusses durch Berühren des Balles nach einem Schiedsrichterpfiff wird in allen Fällen mit Gelb bestraft.
- Wer ärztliche Behandlung beansprucht, muss das Feld verlassen.
- Wer länger als 20 Sekunden am Boden liegt oder sitzt und später unverletzt weiter spielen kann, wird in jedem Fall mit Gelb bestraft.
- Wer sich schmerzverzerrt ein Körperteil hält, das nicht getroffen wurde, wird in jedem Fall mit Gelb bestraft.
Die meisten Massnahmen wären bereits heute ohne Änderung des Regelwerks durchsetzbar. Dort steht es schwarz auf weiss: Unsportliches Betragen ist ein Grund für Gelbe Karten, genauso wie das Verzögern des Spiels oder das Ignorieren des Abstandes.
Die Videoüberwachung liefert das fast perfekte Werkzeug, um Simulanten, Falschspieler, Querschläger und andere Problemfälle zu identifizieren.
Dein erstes Problem, liebe FIFA, ist deine Inkonsequenz. Auch so ein Schlüsselwort in Erziehungsfragen. Zu lange hast du Strafen nur angedroht, zu selten wirklich durchgezogen.
Dein zweites Problem ist aber ein anderes: Deine Kinder scheinen keine «vollwertigen Menschen» mit ausreichenden sozialen Kompetenzen zu sein. Damit fehlt die Grundlage für den juulschen Ansatz.
Nein, im Fall deiner Kinder hat sich der Däne geirrt. Wir haben es mit «Halbwilden» zu tun. Und deshalb ist es Zeit für eine harte Hand.
