Regeln sind Regeln und sie sind dazu da, dass sie eingehalten werden. Im «richtigen» Leben wie im Sport. Artikel 3.2 des Werbereglements des Eidgenössischen Schwingerverbands besagt, dass während der gesamten Gangdauer die komplette Bekleidung (ausgenommen sind «handelsübliche» Schuhe) vollständig werbefrei sein muss. Explizit ist festgehalten: «Auch Hersteller-Logos sind verboten.»
Sven Schurtenberger hat sich nicht an diese Regel gehalten. Beim Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Zug, diesem Mega-Event Ende August, sah man beim Luzerner im Sägemehl ein Sponsoren-Logo. Nicht prominent auf dem Hemd. Sondern nur mit Adleraugen, wenn sich das Hosenbein bei einem Schwung nach oben schob. Schurtenbergers Vergehen: Er liess es zu, dass der «Swoosh» von Hersteller Nike auf seinem Schienbeinschoner zu sehen war.
Die Schwinger müssen die Logos abkleben, übermalen oder abschneiden. Vielleicht hat es Schurtenberger vergessen, vielleicht fiel ein Kleber ab. Jedenfalls war es kaum sein Wille, dass die Hunderttausenden Zuschauer in Stadion und Fernsehen sehen, wer seinen Schoner hergestellt hat. Ein wachsamer Beobachter muss ihn verpfiffen haben. Ein erfolgreicher Schwinger als Opfer einer bösartigen Verschwörung? Hollywoodreif.
Der Verband sperrt Schurtenberger wegen des Vergehens für die grössten Feste des nächsten Jahres: Für die Bergfeste, das Innerschweizer Teilverbandsfest und für alle Kranzfeste ausserhalb der Innerschweiz. Also auch für das Jubiläumsschwinget zum 125-jährigen Bestehen des Eidgenössischen Verbands in Appenzell.
Unwissen schützt vor Strafe nicht. Das ist umso bitterer für den 28-Jährigen, da er einer der besten Schwinger des Landes ist und überall, wo er antritt, gewinnen kann. In der Jahreswertung des Fachmagazins «Schlussgang» der Saison 2019 belegt er Rang 4. Beim Eidgenössischen war Schurtenberger lange aussichtsreich im Rennen um den Königstitel. Er gewann das Schwyzer Kantonale und holte insgesamt neun Kränze – eine starke Ausbeute.
Aber seine Erfolge tun gar nichts zur Sache. Die Sperre wäre auch bei einem weniger hoch dekorierten Schwinger übertrieben. Es ist zwar so, dass die Athleten vor dem Eidgenössischen nochmals besonders auf das Einhalten des Werbereglements hingewiesen wurden. Aber es ist wohl ebenso der Fall, dass Schurtenberger nicht absichtlich dagegen verstossen hat. Nike hat ihn wohl kaum dafür bezahlt, seine Schienbeinschoner zu tragen.
Dem Verband ist es wohl auch darum gegangen, ein Exempel zu statuieren, nach dem Motto: «Wehret den Anfängen!» Die Funktionäre geben sich alle Mühe, die Tradition ihres Sports zu bewahren, was auch seinen Teil zur momentanen Popularität des Schwingens beiträgt. Fast jeder findet es in der durchkommerzialisierten Welt des Sports cool, dass es beim Schwingen weder Werbebanden gibt noch Startnummern mit Sponsoren. Insofern ist es völlig richtig, Schurtenbergers Verstoss gegen das Reglement zu bestrafen; Absicht hin oder her.
Doch das Strafmass ist arg übertrieben. Geldbussen sind kein patentes Mittel, da nur wenige Schwinger mit ihrem Sport viel abkassieren. Ein Kompromiss könnte sein, dass Schurtenberger am Eidgenössischen disqualifiziert wird. Der gelernte Zimmermann aus Buttisholz müsste den begehrten eidgenössischen Kranz zurückgeben und die Gabe, die er für seinen Rang 7b erhalten hat. Das würde den ehrgeizigen Sportler schmerzen, ihm aber nicht die Chance nehmen, weiterzumachen. Ihn wegen dieses Vergehens ein Jahr lang aus dem Verkehr zu ziehen, nützt niemandem etwas.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Sven Schurtenberger hat gegen die Strafe Rekurs eingelegt. Wird sie nicht reduziert, gibt es nur Verlierer. Der Schwingerverband verliert wegen seiner Engstirnigkeit an Goodwill und einem seiner Aushängeschilder wird wegen einer Lappalie ein ganzes Jahr «gestohlen».
Also ein gewisser Realitätsverlust ist hier deutlich merkbar.
Vor allem ist das ja wie bei Bundesgerichtsurteilen bei neuen "Fällen". Diese sind Wegweisend für die Zukunft und somit müsste jeder für eine noch so kleine Sponsoring-fails genau so bestraft werden. Sonst wäre es ja nicht gleichheit vor dem Recht, resp. hier Regeln.