Im fortgeschrittenen Sprint-Sportalter zeigte Mujinga Kambundji ihre bislang beste Saison. Die 30-Jährige holte Medaillen und Rekorde zuhauf, sie ist Europas Sprint-Queen des Jahres 2022.
2009 als gerade erst 17-Jährige katapultierte sie sich mit ihrer Lockenmähne an den Schweizer Meisterschaften ins Rampenlicht: 11,66 Sekunden über 100 Meter und 23,87 über 200 Meter trugen der in Bern aufgewachsenen Tochter eines Kongolesen und einer Schweizerin die ersten zwei Titel bei der Elite ein. 13 Jahre später senkte sie ihre Bestwerte auf 10,89 und 22,05.
Nicht nur das ausgeklügelte Training, sondern auch die Entwicklung im Schuhwerk begünstigte den Quantensprung. Nach dem Olympiajahr passte Mujinga Kambundji den Laufstil nochmals an. Die Fussstellung ist nun optimal, die Feder-Energie beim Abdrücken des Fusses vom Boden wirkt jetzt genau zurück in die Laufrichtung.
Den eigentlichen Coup des Jahres lieferte die Bernerin bereits im März in Belgrad, wo sie in 6,96 Sekunden als Aussenseiterin auf der Bahn 8 mit Schweizer Rekord Hallen-Weltmeisterin über 60 Meter wurde. Das Bild, wie sie ungläubig auf der Bahn steht, die Hände vor dem Gesicht zusammenschlägt und nach einer Bestätigung auf der Anzeigetafel sucht, bleibt unvergessen.
Platz 5 an der WM in Eugene im 100-M-Final beweist schlicht die Klasse der Schweizer Athletin. Im prestigeträchtigsten Rennen der Saison war die Weltelite komplett am Start, die zweite Finalteilnahme in Folge nach Tokio 2021 ist nicht hoch genug einzuschätzen. Und auf den EM-Frust im 100-M-Final von München - die zeitgleiche Gina Lückenkemper (je 10,99) fing sie noch um 5 Tausendstel ab - reagierte Kambundji mit Gold über 200 Meter und schloss so auch mit dem Silber über 100 Meter Frieden.
Die Berner Sprinterin gewann die Wahl mit gut ein Drittel aller Stimmen letztlich deutlich. Auf den Ehrenplätzen folgten Corinne Suter (19,0 Prozent) und Lara Gut-Behrami (18,6).
Marco Odermatt hier, Marco Odermatt dort, Marco Odermatt (fast) überall – der Nidwaldner hat der vergangenen alpinen Saison den Stempel aufgedrückt. Die erneute Wahl zum Sportler des Jahres ist die logische Konsequenz.
Am Sonntag, 13. Februar 2022, war Marco Odermatt sprichwörtlich im Olymp des Skirennsports angekommen. An den Spielen in Peking hatte er sich Gold im Riesenslalom gesichert und damit eine grandiose Saison zusätzlich veredelt. Auf der Piste in Yanqing zeigte der Innerschweizer all seine Qualitäten, die ihn zum derzeit besten Skifahrer aufsteigen liessen. Bei widrigsten Bedingungen und bei fortgeschrittener Dämmerung hielt er dem immensen Druck stand und machte sich zwölf Jahre nach Carlo Jankas Triumph als fünfter Schweizer in der Basis-Disziplin zum Olympiasieger.
Überragend war auch Odermatts Bilanz im Weltcup. Die grosse Kristallkugel sicherte er sich dank sieben Siegen und neun weiteren Podestplätzen. Als Gewinner der Disziplinen-Wertung im Riesenslalom brachte er das Kunststück fertig, in allen acht Rennen unter die ersten drei zu fahren. Fünfmal siegte er, zweimal wurde er Zweiter, einmal Dritter.
Der sportliche Erfolg hat Odermatt auch abseits seines Kerngebiets in neue Dimensionen vorrücken lassen. Er gehört mittlerweile zu den wenigen Alpinen mit einem Jahreseinkommen im siebenstelligen Bereich. Odermatt hat sich dank mehreren gut dotierten Verträgen mit Ausrüstern und Werbepartnern als Eigenmarke positioniert. Er hat schon im Alter von 25 Jahren, mit noch vielen Jahren im Skizirkus vor sich, das Fundament für die Zeit nach seiner Aktiv-Karriere gelegt.
Als Olympiasieger im Riesenslalom und erster Schweizer Gesamtweltcup-Sieger seit zwölf Jahren sammelte Odermatt überragende 44,1 Prozent aller Stimmen. Das Nachsehen hatte neben dem Mehrkämpfer Simon Ehammer (16,1 Prozent) einmal mehr auch Beat Feuz (13,2). Seit 2017 schaffte es der Skistar bei jeder Austragung unter die sechs Finalisten. Mit dem Abfahrts-Olympiasieg hatte der Emmentaler seiner grandiosen Karriere in diesem Jahr die Krone aufgesetzt, die Krönung in Form eines Awards bleibt ihm aber weiter verwehrt.
Die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft schaffte die WM-Qualifikation in einer Gruppe mit dem Europameister Italien und schlug in der Nations League zwei Schwergewichte. Damit verdiente sie sich wie 2021 die Auszeichnung zum Team des Jahres.
Auch unter dem neuen Nationaltrainer Murat Yakin setzte die Schweizer Nationalmannschaft ihre Fortschritte fort und etablierte sich noch etwas mehr in der Weltspitze. Ende des letzten Jahres musste die Schweiz dem Europameister Italien in Rom ein Remis abringen und danach gegen Bulgarien die Nerven behalten, um sich ohne Umweg das Ticket für die WM in Katar zu sichern.
Im vergangenen Halbjahr schlug das Team um Captain Granit Xhaka mit Portugal und Spanien zwei europäische Schwergewichte. Der Erfolg in Saragossa dank Toren von Manuel Akanji und Breel Embolo war der erste auswärts gegen die Spanier - über 95 Jahre nach dem ersten Test von Schweizer Fussballern in Spanien. Die Schweiz hielt sich dank den Prestigesiegen erneut auf der höchsten Stufe der Nations League.
Roman Josi ist der wohl beste Schweizer Eishockeyspieler der Geschichte. Mit seiner Rekord-Saison katapultierte sich der NHL-Verteidiger in neue Sphären. Der Berner verdient das Prädikat Weltklasse.
Roman Josi bewies in der NHL-Saison 2021/22 seinen enormen Wert mit eindrücklichen Zahlen. Der 32-jährige Ostermundiger in Diensten der Nashville Predators brachte es in der Qualifikation in 80 Spielen auf 23 Tore und 73 Assists und war mit 96 Skorerpunkten der produktivste Verteidiger der Liga seit 29 Jahren. Den von Timo Meier gehaltenen Schweizer Bestwert übertraf Josi gleich um 30 Punkte, dazu löste er mit seinem 821. Match in der NHL Mark Streit als Schweizer Rekordspieler ab.
Doch Josis Verdienste gehen weit über seine beeindruckenden Statistiken hinaus. Der begnadete Schlittschuhläufer ist nicht nur einer der besten Offensivverteidiger der Welt, der mit seiner Mobilität, offensiven Vorstössen, smarten Pässen und gefährlichen Schüssen überzeugt, sondern er übernimmt auf und neben dem Eis viel Verantwortung und geht mit gutem Beispiel voran. Mittlerweile steht er in seiner zwölften Saison mit den Nashville Predators, seit 2017 führt er diese als Captain an.
Josis Rolle im Klub aus der Musikstadt ist kaum hoch genug einzustufen. Mit- und Gegenspieler attestieren ihm inzwischen uneingeschränkt das Prädikat Weltklasse. Wenig überraschend ist er auch der grosse Fanliebling bei den Nashville-Anhängern.
Urs Fischer bringt Union Berlin in der Bundesliga immer weiter nach vorne. Der 56-Jährige führte den Klub zuletzt in die Europa League und bis an die Tabellenspitze. Nun erhielt er die Auszeichnung als Schweizer Trainer des Jahres.
«Jeder weiss hier, was er zu tun hat», heisst es auf dem Trainingsgelände von Union Berlin. «Fischer treibt uns jeden Tag ans Limit», erklärt ein Spieler. Seit Monaten versucht man nicht nur in Berlin eine Antwort auf die brennendste Frage rund um den Klub aus dem Ortsteil Köpenick zu finden: Wie hat Urs Fischer dieses Wunder vollbracht?
Der in Zürich-Affoltern aufgewachsene Fischer hat Union Berlin in die Bundesliga gebracht, für den Europacup qualifiziert und zuletzt zwischenzeitlich an Bayern München und allen anderen Grossklubs vorbei an die Spitze der Meisterschaft geführt. Die Beziehung zwischen dem 56-Jährigen und dem Klub ist nicht nur eine Erfolgs-, sondern eine Liebesgeschichte. Fischer hat auch dank seiner bescheidenen, direkten Art in viereinhalb Jahren Kultstatus erreicht.
Immer noch ist Fischer in Zürich-Affoltern daheim, wenn er in der Schweiz ist. Er trifft sich noch mit Freunden aus seiner Jugendzeit und wenn er abschalten will, geht er gern fischen. Bodenständig trotz Höhenflug: Der ehemalige Verteidiger mit über 500 Einsätzen in der Schweizer Liga war als Trainer überall erfolgreich, ob in Zürich, Thun oder Basel, wo er den FCB zu zwei Meistertiteln und einem Cupsieg führte. Seit 2018 ist er bei Union und mittlerweile der Coach mit den zweitmeisten Spielen in der Klubgeschichte.
Nachdem er im Jahr zuvor an den Paralympics in Tokio gleich vier Goldmedaillen gewonnen hatte, startete Marcel Hug auch 2022 wieder durch. Der Rollstuhl-Leichtathlet büsst im Alter kein bisschen von seiner Klasse ein – im Gegenteil.
Nach seinem bis dahin erfolgreichsten Jahr, das ihm an den Laureus Sports Awards zum zweiten Mal nach 2018 die Auszeichnung zum «weltweiten Para-Sportler des Jahres» eingebracht hatte, stellte sich bei Marcel Hug Ende 2021 die Frage: Weitermachen oder auf dem Höhepunkt aufhören?
Nach reiflicher Überlegung kam Hug zum Schluss: «Das Feuer für den Spitzensport ist nach wie vor riesig.» Der in der Zentralschweiz lebende Thurgauer setzte sich neue Ziele, legte den Fokus vermehrt auf die längeren Distanzen und fuhr damit goldrichtig.
Hug gewann in diesem Jahr die Marathons in Tokio, Berlin, London, Chicago und New York und sicherte sich damit zum vierten Mal den Gesamtsieg in der «World Marathon Major Series», dem Zusammenschluss der grössten sechs Städte-Marathons. Quasi als Zugabe verbesserte er im japanischen Oita den 22 Jahre alten Marathon-Weltrekord von Heinz Frei um über zwei Minuten auf 1:17:47 Stunden.
Roger Federer wird anlässlich der Sports Awards in Zürich mit dem Ehrenpreis des Schweizer Sports ausgezeichnet. Der Tennis-Maestro tritt in der TV-Gala als Überraschungsgast auf.
Für Federer war es der erste öffentliche Auftritt in seiner Heimat, seit er im September sein Karrierenende verkündet hatte. Den Ehrenpreis, den nur Persönlichkeiten erhalten, die sich um den Schweizer Sport in besonderer Weise verdient machen, erhielt der 41-jährige Basler von Bundesrätin und Sportministerin Viola Amherd überreicht. Federer wurde zwischen 2003 und 2017 sieben Mal als Schweizer Sportler des Jahres geehrt - so oft wie kein anderer.
Im Rahmen der Sports Awards wurde der Ehrenpreis zum sechsten Mal und zum ersten Mal seit 13 Jahren vergeben. Federer tritt in die Reihe von Res Brügger (2001), Ferdi Kübler (2003), Peter Sauber (2005), Adolf Ogi (2007) und das U17-Weltmeisterteam im Fussball (2009). (abu/sda)