Wenn die Skifirma Head in Sölden zum jährlichen Stelldichein vor der neuen Saison lädt, wird es vor allem eines: laut. Schliesslich soll das Image der Rebellen des Skisports («Worldcup Rebels») gepflegt werden.
Die Athletinnen und Athleten geben sich nach dem Einspieler, der sie, von lauter Musik untermalt, beim Skifahren zeigt, dann aber meist eher brav. Mehr Rebellchen als Rebellen. Aber die Show ist es ja, die am Ende zählt.
Gleichwohl sagt Lara Gut-Behrami, seit vielen Jahren Teil der Head-Familie: «Auf der Piste müssen wir ans Limit gehen, um zu gewinnen. Also jenen Teil unseres Charakters herauslassen, der nur wenig mit Vernunft zu tun hat.» Die 33-Jährige kann das ziemlich gut. Schliesslich hat sie im vergangenen Winter zum zweiten Mal den Gesamtweltcup gewonnen.
Während Lara Gut-Behrami spricht, könnte sie, wenn sie es wollte, auf sich selbst schauen. Hinten an der Wand hängt ein riesiges Plakat an der Wand, das sie als Comic-Heldin zeigt. Die gezeichnete Lara sagt laut: «Woooo». In Tat und Wahrheit fühlt sie sich derzeit aber eher Buh. Die Knieverletzung, die sie sich im Training in Südamerika zugezogen hatte, war doch etwas schlimmer, als sie vor einigen Wochen selbst berichtete.
Drei Wochen war sie im vergangenen Monat zur Pause gezwungen. Zwei Wochen aufgrund der Knieverletzung und eine, in der sie aufgrund einer Grippe nicht einmal essen konnte. «Entsprechend viel Muskelmasse habe ich in dieser Zeit verloren, sagt sie: «Was aber fast noch schlimmer ist: Auch das Selbstvertrauen hat gelitten.»
Und fehlt dieses, wird es schwierig, die Rebellin in sich zu wecken. Darum sagt Gut-Behrami, die vor einem Jahr in Sölden triumphierte, vor dem Auftakt am Samstag: «Es ist nur ein Rennen. Mein Ziel ist, dass ich mich Ende Saison besser fühle als jetzt.»
Nun mag das bewusstes Understatement sein. Vor der Saison legt niemand die Karten gerne offen auf den Tisch. Aber bei Lara Gut-Behrami spürt man eben auch, dass sie nicht mehr pokern muss. Sie sagt: «Es gibt so viele schöne Dinge in meinem Leben, dass es irgendwie traurig wäre, zu glauben, dass Skirennen alles sind, was im Leben zählt.» Bis die Tessinerin zu dieser Erkenntnis kam, hat es allerdings eine ganze Weile gedauert.
Nachdem sie im vergangenen März zum zweiten Mal den Gesamtweltcup gewonnen hatte, sagte Gut-Behrami: «Acht Jahre liegen zwischen den beiden Kugeln, es kommt mir vor wie zwei Leben. Früher habe ich gedacht, ich existiere nur über meine Siege. Ich wusste selbst nicht, was für ein Mensch ich bin. Sportlerin zu sein, hatte Priorität, ich als Lara nicht.»
Mittlerweile steht sie für sich ein. Und geht konsequent ihren Weg. Auch wenn dieser unbequem ist. In Sölden tritt sie ohne Kappe auf. Dabei ist der Kopfsponsor, der auch auf dem Helm steht, der lukrativste überhaupt.
Hat sie sich also von Ragusa getrennt? «Ja», bestätigt Jérôme Krieg, der Kommunikations-Verantwortliche des Schweizer Frauenteams auf Anfrage. Warum es zur Trennung kam, bleibt offen. Erstaunlich ist es allemal, dass eine Frau mit ihrem Renommee ohne Helmsponsor auftritt.
Gleichzeitig passt es zu ihr. Lara Gut-Behrami ging bisher noch nie den konventionellen Weg. Warum sollte sie spät in ihrer Karriere damit anfangen? Für grosse Werbeveranstaltungen, wie sich andere Skistars einspannen lassen, war sie sich schon immer zu schade.