Sport
Wintersport

Freestyle-WM im Engadin: Wo ist nur das Skiballett geblieben?

historiskebilder ALTENMARKT osterrike 19920312 Rune Kristiansen i aksjon, i VM i Altenmarkt VM i ski-akrobatikk / ballett / acro. Foto: Calle Törnström / NTB / NTB OSLO NORGE / NORWAY EDITORIAL USE ON ...
Der Norweger Rune Kristiansen in Aktion.Bild: www.imago-images.de

Die letzte Pirouette: Wie das Skiballett von der Bildfläche verschwand

An der Freestyle-WM im Engadin wird dieser Tage auf einem und auf zwei Brettern gesprungen. Doch die grazilste Form der Skiakrobatik ist schon lange von der Bildfläche verschwunden.
20.03.2025, 11:5520.03.2025, 12:32
Mehr «Sport»

Dann und wann erinnere ich mich an eine der amüsantesten Informationen, die mein Gedächtnis auf Kosten von möglicherweise Sinnvollerem wie dem Geburtstag der Schwiegermutter abgespeichert hat. Zum Sportler des Jahrhunderts des Fürstentums Liechtenstein wurde im Jahr 2000 tatsächlich ein Modellflugpilot gewählt.

Die Anekdote fiel mir beim Gedanken an Conny Kissling ein, die Schweizer Sportlerin des Jahres 1992. Als Skisportlerin war das eine naheliegende Wahl in unserem Alpenland. Doch Kissling war keine Rennfahrerin wie Vreni Schneider oder Maria Walliser. Sie war die Königin des Skiballetts.

Die Schweizer Skiakrobatin Conny Kissling im Final des Skiballetts der olympischen Winterspiele am 10. Februar 1992 in Albertville. In der Skiakrobatik wurden nur in der Disziplin "Buckelpiste&qu ...
Conny Kissling 1992 an den Olympischen Spielen.Bild: KEYSTONE

Kurz gesagt war diese Sportart eine Mischung aus Eiskunstlauf und Bodenturnen auf Schnee. Zu selbst gewählter Musik vollführten Sportlerinnen und Sportler auf eher kurzen Skis Sprünge, sie fuhren vorwärts, rückwärts, seitwärts; sie zeigten Pirouetten – und Salti, bei denen sie sich auf ihren langen Stöcken abstützten.

Conny Kissling war die beste Ski-Ballerina ihrer Zeit. 34 Weltcupbewerbe gewann sie in dieser Disziplin, 106 insgesamt, und gleich zehn Mal in Folge den Freestyle-Gesamtweltcup.

Besonders bemerkenswert und heute undenkbar: Die akrobatische Oltnerin, die mit fünf Jahren mit klassischem Ballett begann, feierte auch Siege in den beiden olympischen Disziplinen Aerials und Buckelpiste. Als wäre Lara Gut-Behrami nicht nur auf der Rennpiste top, sondern auch noch im Skispringen und im Skicross.

Dass es eine andere Zeit war, zeigt auch der Blick in die «Glückspost» von damals. Heute würde wohl kaum mehr über eine Sportlerin geschrieben, sie habe sich «von der ‹Büromaus› in eine Schneeprinzessin» verwandelt.

1992 gewann Conny Kissling Olympia-Gold – wenigstens halb, denn das Skiballett war in Albertville ein sogenannter Demonstrations-Wettbewerb. In offizielle Statistiken fliesst die Medaille daher nicht ein.

Zur Wahl zur «Sportlerin des Jahres» reichte es der Ehefrau von Urs Lehmann, Swiss-Ski-Präsident und Abfahrts-Weltmeister von 1993, trotzdem. Denn das Alpinteam versagte an den Olympischen Spielen und gewann lediglich eine Bronzemedaille in der Kombination durch Steve Locher.

historiskebilder ALTENMARKT osterrike 19920312 Rune Kristiansen i aksjon, i VM i ski-akrobatikk / ballett / acro. Han ble nr 2 i mesterskapet, men vant verdenscupen sammenlagt og pa samme sted noen da ...
Kopfüber gilt: Hoffentlich halten die Stöcke!Bild: www.imago-images.de

Den Sprung vom Demonstrations- zum etablierten Wettbewerb schaffte das Skiballett nicht. Ganz im Gegenteil: Kissling beendete ihre Laufbahn nach dem Triumph von Albertville, was in der Schweiz dazu führte, dass die Randsportart aus dem Sichtfeld geriet.

International verlief die Entwicklung parallel. In den 1980er-Jahren lagen die Ski-Freestyler mit ihren schrillen Outfits total im Trend, nun waren sie out, denn in den 90ern kam das Snowboard gross auf. «Wir müssen in unserem Sport das verkaufen, was wir können – und das andere sein lassen», sagte der Chef Skiakrobatik beim Schweizerischen Skiverband, um wenigstens die Disziplinen Aerials und Buckelpiste zu retten.

Ein Best-of der Balletttänzer im Schnee.Video: YouTube/ScrollerCoaster

Den Sprung ins neue Jahrtausend überlebte der elegante Tanz auf schmalen Latten nicht. Die letzten Weltcupbewerbe organisierte der Ski-Weltverband FIS im Jahr 2000. Dann war das Skiballett tot.

Es starb in Schönheit. Und tanzt heute nur noch in Videos von früher.

Athleten von einst erinnern sich in dieser Dokumentation von 2025 an früher.Video: YouTube/MGG
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So bunt war die Ski-Welt bei der WM 1991 in Saalbach
1 / 27
So bunt war die Ski-Welt bei der WM 1991 in Saalbach
Anita Wachter besichtigt den Slalom-Kurs. Die Vorarlbergerin wird Zwölfte beim Sieg von …
quelle: www.imago-images.de / imago images
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Nico tanzt mit Ballett-Stars und geht durch die Hölle
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
23 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Wunderwuzzi
20.03.2025 12:16registriert September 2018
Art Furrer ist auch nicht mehr aktiv, somit ist dieser Sport wohl wirklich am Ende. Die Anzüge waren schon geil😍
340
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ziasper
20.03.2025 13:33registriert September 2017
Die Slopestyler könnten dort gut ein, zwei Tricks abschauen. Fände ich verdammt nice, wenn Andri Ragettli plötzlich mit 1.5m langen Stöcken am Start stehen würde.
330
Melden
Zum Kommentar
23
    Rohrer wagt den Sprung in die NHL +++ Zwei neue Ausländer für den EHC Kloten
    Die neue National-League-Saison beginnt im Oktober, derzeit beschäftigt die Klubs vor allem die Kaderplanung. Hier gibt es die Transfer-Übersicht für 2025/26.

    Die ZSC Lions müssen die nächste Saison vorerst ohne Vinzenz Rohrer planen. Der 20-jährige Österreicher wagt den Sprung nach Nordamerika. Rohrer, der aus der Jugendabteilung der Lions entsprungen ist und deshalb mit Schweizer Lizenz spielen konnte, hat sich dazu entschlossen, Ende September das Camp der Montréal Canadiens zu bestreiten und sich für einen Platz in der weltbesten Eishockey-Liga zu empfehlen.

    Zur Story