Olympiastadion in München, 73'132 Zuschauer sind gekommen. Und die meisten sind schon lange vor dem Anpfiff da, denn es gibt etwas zu bestaunen. Nicht nur die eigenen, die Bayern, nein. Der beste Fussballer der Welt präsentiert sich: Diego Armando Maradona. Mit Napoli steht der argentinische Weltmeister im Halbfinal des UEFA-Cups.
Und Maradona gibt den Fans, was sie wollen – wohl ohne, dass es ihm bewusst ist. Als während des Aufwärmens der Hit «Life is Life» von Opus aus den Lautsprechern ertönt, schnappt sich Diego einen Ball und jongliert mit ihm. Tanzt mit ihm. Liebkost ihn wie eine Geliebte.
Es ist ein ganz grosses Schauspiel, das Diego Armando Maradona aufführt, die Schuhbändel offen, das Trainerjäckli zwei Nummern zu gross:
Dank zwei Toren des Brasilianers Careca holt Napoli im Rückspiel in München ein 2:2. Das reicht für den Einzug ins Endspiel, denn zuhause hatten die Süditaliener zuvor mit 2:0 gewonnen. Careca und Andrea Carnevale trafen jeweils nach Vorarbeit Maradonas.
Die Entscheidung wird im UEFA-Cup in Hin- und Rückspiel ermittelt – und noch einmal trifft Napoli auf einen Bundesligisten. Der VfB Stuttgart hatte im Halbfinal den DDR-Vertreter Dynamo Dresden knapp eliminiert.
Der VfB hat ein richtig starkes Team: Eike Immel im Tor, den Freistosskönig Karl «Knallgöwer» Allgöwer, Guido Buchwald ist Kapitän, Maurizio Gaudino führt Regie und vorne sind Jürgen Klinsmann und Fritz Walter für die Tore zuständig. Aus dieser Zeit stammt auch Walters Bonmot: «Der Jürgen und ich, wir sind ein gutes Trio. Ich meinte: ein Quartett.»
Das Hinspiel findet in Neapel statt. Im Hexenkessel San Paolo bringt Gaudino die Gäste vor über 80'000 Fans in Führung. Doch Maradona persönlich und einmal mehr Careca, der Torschütze vom Dienst, korrigieren dies und sorgen für einen 2:1-Heimsieg.
Zwei Wochen später kommt's im Neckarstadion zum Rückspiel – und Diego Maradona zaubert auch in Stuttgart beim Aufwärmen. So hat es jedenfalls Jürgen Klinsmann in Erinnerung.
«Klinsi» erwähnt ebenfalls den Opus-Song, der auch vier Jahre nach seinem Erscheinen noch schwer angesagt ist: «70'000 Leute im Stadion schauen zu, wie sich Maradona aufwärmt. Wir auf der anderen Seite machen uns wie Deutsche warm: seriös, fokussiert. Dann wird ‹Live is Life› gespielt und zu diesem Rhythmus beginnt Maradona, den Ball zu jonglieren. Wir haben unser Warm-up unterbrochen und schauten hinüber: Was macht der Typ da? Wir konnten gar nicht mehr aufhören, hinzuschauen.»
Als es ernst gilt, ist nach einer Stunde klar, dass der UEFA-Cup-Sieger 1989 Napoli heissen wird. Mit 3:1 führen die Italiener zu diesem Zeitpunkt. Stuttgarts Tore fallen zu spät, erst in der Nachspielzeit kann Olaf Schmäler auf 3:3 ausgleichen. Gleich danach ist Schluss. Die SSC Napoli gewinnt zum ersten – und bis heute zum einzigen Mal einen europäischen Klubwettbewerb.