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Dunkelflaute: Norwegen und Schweden sind wütend wegen deutschem Ökostrom

Deputy Prime minister Ebba Busch of Sweden attends the opening plenary session at the Summit on Peace in Ukraine, in Obb
Schwedens Energieministerin Ebba Busch kritisiert die hohen deutschen Export-Strompreise (Archivbild).Bild: keystone

Dunkelflaute: Norwegen und Schweden sind wütend wegen deutschem Ökostrom

Die Windflaute lässt die deutschen Strompreise steigen. Das betrifft nicht nur deutsche Unternehmen – auch europäische Partner sind sauer.
13.12.2024, 14:53
Thomas Wanhoff / t-online
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Ein Artikel von
t-online

In der Nordsee flaut der Wind ab, Wolkendecken über Deutschland mindern die Produktion von Solarstrom. Die sogenannte Dunkelflaute bedeutet einen Anstieg des Preises an den Strombörsen. Am Donnerstag stieg der Preis kurzzeitig auf 936 Euro/Mwh, so hoch ist er seit Juni nicht mehr gewesen. In Deutschland sind viele Unternehmen von den hohen Kosten betroffen, vor allem wenn sie wie in der Stahlindustrie kurzfristig Strom einkaufen müssen.

Aber auch europäische Nachbarn bekommen den Anstieg zu spüren – und zeigen sich wütend. Die schwedische Energieministerin Ebba Busch klagte auf der Plattform X: «Die Achterbahnfahrt der Strompreise ist unerträglich. Morgen werden die Preise im Süden Schwedens zwischen 17 und 18 Uhr über 8 Kronen pro Kilowattstunde liegen.»

Und sie macht auch einen Schuldigen aus: «Dies ist das Ergebnis der Abschaltung von Kernkraftwerken. Wenn der Wind nicht weht, steigen die Strompreise in diesem gescheiterten Energiesystem, wie die Strompreise in Deutschland von etwa 10 Kronen pro Kilowattstunde zeigen.» Schweden wolle jetzt weitere Atomkraftwerke ans Netz bringen. Das Land erhält seinen Strom sowohl aus eigenen Quellen als auch von Nachbarländern. Deutschland ist einer der grössten nicht-skandinavischen Exporteure.

Schweden würde gerne den deutschen Strommarkt in mehrere Bereiche aufgeteilt sehen, damit die Preise ausbalanciert werden. «Deutschland hat viel Produktion in den nördlichen Teilen, und dort würden die Preise mit einer Stromgebietsaufteilung, die nationale Ungleichgewichte ausgleicht, gesenkt werden», sagte Fredrik Olovsson von den regierenden Sozialdemokraten dem schwedischen «Aftonbladet».

Stromleitung, Leitungsmasten, Hochspannungsleitung.
Eine Stromleitung: In Europa wird Energie grenzüberschreitend verkauft. Strom aus Deutschland ist teurer geworden. Bild: Shutterstock

Norwegens Energieminister: «Eine absolut beschissene Situation»

Auch Norwegen leidet unter der Flaute. Der Mangel an Wind in Deutschland und in der Nordsee wird die Strompreise in Südnorwegen am Donnerstagnachmittag auf 13,16 NKr (1,09 Eur) pro Kilowattstunde treiben, den höchsten Stand seit 2009 und fast das Zwanzigfache des Niveaus der letzten Woche, berichtete die «Financial Times». «Es ist eine absolut beschissene Situation», sagte Norwegens Energieminister Terje Aasland der Zeitung. Man prüft, die Leitungen mit Dänemark, über die Norwegen ebenfalls Strom bezieht, abzuschalten und mit Grossbritannien und Deutschland nachzuverhandeln. Im Land selbst werden Rufe lauter, den Strom, der aus Wasserkraft gewonnen wird, zuerst selbst zu benutzen und nicht zu exportieren.

Das wiederum dürfte schwierig werden. In Europa gibt es einen integrierten Energiemarkt, auf dem Strom zwischen den Ländern je nach Produktion und Bedarf ausgetauscht wird. Norwegen exportiert nicht nur Strom, sondern kauft ihn auch ein – jetzt aber zu steigenden Preisen. Die Verbraucher sind weitgehend geschützt, da die Regierung Strompreise subventioniert.

In Deutschland leiden vor allem jene Unternehmen unter hohen Preisen, die Strom am Spotmarkt einkaufen. Das sind Industriebetriebe, aber auch Stadtwerke. Das Elektrostahlwerk der sächsischen Firma Feralpi in Riesa stoppte deswegen die Produktion sogar komplett, berichtete «Bild». Wolfgang Grosse Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), sagte der Zeitung: «Es ist zum Verzweifeln. Unsere Unternehmen und unser Land können sich keine Schönwetter-Produktion leisten. Wir brauchen dringend Kraftwerke, die sicher einspringen können.»

Das Problem könnte sich noch verschärfen, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien weiter steigt. Der Anteil des Ökostroms am Bruttostromverbrauch steigt in diesem Jahr voraussichtlich auf einen neuen Höchststand von 54 Prozent. Das wären 1,5 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr, teilte die Geschäftsstelle der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik am Umweltbundesamt (UBA) mit. Bereits 2023 wurde ein Rekordwert von 52,5 Prozent erreicht. Damit wurde erstmals mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energien gedeckt. 2022 hatte der Anteil noch 46,3 Prozent betragen.

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165 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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H. Fröhlich
13.12.2024 16:07registriert März 2019
Sie alle wollten den freien Markt. Jetzt haben sie ihn.

Ich bin sehr froh, das unser EWZ mit seinen eigenen Kraftwerken immer noch der Stadt gehört.
Zum Glück wurden die vier Versuche ,von bürgerlicher Seite her, unser EWZ zu privatisieren jedesmal kalr und deutlich an der Urne abgelehnt.
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Neruda
13.12.2024 17:12registriert September 2016
Man sollte auch noch erwähnen, dass in Nordschweden die Strompreise zur gleichen Zeit gegen Null tendierten, weil es dort stark windet und somit mehr als genug Windstrom vorhanden ist.

Es ist also kein reines Problem der erneuerbaren Energien, sondern vor allem auch eines der Vernachlässigung des Ausbaus der Stromnetze!
In Deutschland behindern die Bayern und Schwaben ja auch jeden Ausbau, jammern dann aber, wenn so halt der Strom volatiler als nötig ist.
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Nennt mich einfach Josef
13.12.2024 19:00registriert Oktober 2016
Was Europa braucht, ist ein Stromtrassee von der Nordsee über Deutschland, Schweiz, Italien und durchs Mittelmeer nach Spanien.

Dann in der Nordsee massenhaft Windräder bauen, in der Schweiz Staudämme zu Pumpkraftwerke upgraden für Storage, und in Süditalien und Spanien Riesenflächen an Solarkraftwerken errichten.

Mit Wind, Solar und Speicher in Kombination wäre eine Flaute fast nicht möglich.

Stattdessen liest man, dass in Dänemark kein Investor für ein Windkraftwerk gefunden wird, und dass nur 1/10 von Grengiols Solar gebaut wird weils sonst keine Solar express Subventionen gäbe.
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