Im französischen Skigebiet La Grave kam es zu einem spektakulären Unfall. Ein Skifahrer der Gruppe Les Powtos war in vollem Tempo unterwegs, als er plötzlich in eine Gletscherspalte fiel. Mit seiner Helmkamera filmte er den Unfall. Die Gruppe hat das Video am 19. April 2023 auf Instagram geteilt.
watson hat mit einem Mitglied dieser Instagram-Gruppe gesprochen. Er hat den Unfall hautnah miterlebt: «Der Vorfall ereignete sich in La Graveam am 26. April 2022. Wir haben gezögert, das Video zu teilen, weil es so beeindruckend ist und wir nicht sicher waren, wie die Leute reagieren würden. Im Nachhinein haben wir uns gedacht, dass es als Prävention dienen könnte. Mein Freund, der verunfallt ist, möchte anonym bleiben». Es dauerte nicht lange und der Clip ging rasant um die Welt.
Den Unfall erklärt er folgendermassen: «Mein Freund hat die Gletscherspalte zu spät bemerkt. Er verlor sein Gleichgewicht und fiel schliesslich hinein». Er wurde von einem grossen Block gestoppt und konnte sich mit seinen Skiern im Gletscher verkeilen. Er sei locker 15 Meter in die Tiefe gestürzt.
Mit Eisstollen und einem Seil, das ihm Freunde geschenkt hatten, hat er es schliesslich herausgeschafft. Der Mann konnte den Ausstieg alleine beginnen und wurde dann nach einer Weile mit dem Seil der Freunde gesichert. «Das waren die längsten 20 Minuten unseres Lebens».
Auch in der Schweiz kommt es immer wieder zu Unfällen mit Stürzen in Gletscherspalten. Im vergangenen Jahr wurde dabei ein trauriger Rekord registriert. Noch nie gab es so viele Gletscherspaltenstürze wie im 2022. «Insgesamt verunfallten 70 Personen bei einem Spaltensturz, sechs Personen sind dabei gestorben», schreibt der Schweizer Alpen-Club (SAC).
Fünf von sechs Personen starben in der Wintersaison, was unter anderem auf die geringe Schneehöhe zurückzuführen ist. Die Verhältnisse sind gefährlicher, wenn nur wenig und schlecht verfestigter Schnee die Spalten überdeckt.
«Ich habe schon zwei Mal miterlebt, wie Berggänger acht bis zehn Meter tief in eine Gletscherspalte gefallen sind», erzählt Rolf Sägesser, Bergführer beim Schweizer Alpen-Club (SAC).
Glücklicherweise seien die Fälle glimpflich ausgegangen. «Die Personen waren angeseilt und konnten deshalb mit einem Flaschenzug beziehungsweise einem Mannschaftszug geborgen werden, was jedoch das entsprechende Können voraussetzt.» Es sei aber leider auch so, dass Stürze in Gletscherspalten hin und wieder tödlich enden. Das Risiko könne aber reduziert werden, wenn man sich auf dem Gletscher und insbesondere in Spaltenzonen anseile.
«Wohl steigt das Verletzungrisiko bei einem Sturz, doch nimmt die Mortalität nimmt massiv ab, wenn man angeseilt ist», sagt Sägesser gegenüber watson. Das sei auch in der Abfahrt möglich. «Dabei werden Seilschaften von drei bis vier Personen gebildet, die alle mit einem Seil verbunden sind. Dabei gilt es, so gut als möglich am gestreckten Seil zu fahren. Wenn dann jemand in eine Spalte einbricht, stürzt er nur wenige Meter tief und wenn das Seil gestreckt ist, gibt es kaum einen Schlag durch die Beschleunigung.»
Im Video, das derzeit im Netz kursiert, ist die Person jedoch nicht angeseilt. Sägesser findet dazu klare Worte: «Es ist eine Unsitte des Skifahrers, sich in solchem Gelände ungeseilt zu bewegen.» Der Bergführer meint weiter: «Touristen aus dem Ausland verunglücken öfter tödlich in Gletscherspalten als Schweizer, das zeigen die Statistiken des SAC.» Das liege wahrscheinlich daran, dass sie sich nicht so gut über das Gelände und die Verhältnisse informieren würden, sagt Sägesser.