John Dean war der Assistent von Richard Nixon. Als er 1973 bei den Watergate-Hearings auszupacken begann, war es um den Präsidenten geschehen. Das Einzige, was Nixon noch in die TV-Kameras stammeln konnte, war: «I am not a crook!» (Ich bin kein Gauner.)
Donald Trump stammelt nicht, er brüllt, meist auf dem Rasen vor dem Weissen Haus und vor laufenden Helikopterrotoren. Doch sein Auftritt gestern war ähnlich verzweifelt wie derjenige von Nixon. «Ich will nichts. Ich will nichts. Ich will kein Quidproquo», wiederholte er geradezu panisch.
Trump bezog sich dabei auf ein Telefongespräch mit EU-Botschafter Gordon Sondland. Dabei hat der Präsident tatsächlich erklärt, dass er kein Quidproquo wollte. Doch besagtes Gespräch fand am 9. September statt, zu einem Zeitpunkt also, in dem der Whistleblower seine Klage eingereicht hatte und das Weisse Haus sich bereits im Schadensbegrenzungs-Modus befand.
Angesichts der Trump'schen Panikattacke fühlt sich selbst besagter John Dean an seine Vergangenheit erinnert. «Er (Sondland) hat sich dafür entschieden, die Wahrheit über die Interessen der Partei und des Präsidenten zu stellen», erklärte er nach dem Hearing. «Das wird die Dynamik des gesamten Prozesses verändern.»
Das Wort «blockbuster news» wird in den US-Medien inflationär verwendet. Sondlands Auftritt vor dem Intelligence Committee des Abgeordnetenhauses jedoch verdient dieses Attribut. Es war ein Ereignis, das wahrscheinlich die amerikanische Politik verändern wird.
Der EU-Botschafter bestätigte nicht nur klipp und klar, dass es ein sogenanntes Quidproquo gab, will heissen, dass der Präsident einen Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office abhängig machte von der Verkündigung einer Untersuchung gegen die Bidens und einen mysteriösen Server.
Sondland erklärte auch frank und frei, dass die gesamte oberste Etage des Weissen Hauses darüber informiert war. «Sondland hat nicht nur den Präsidenten unter den Bus geworden», witzelte der Comedian Jimmy Kimmel, «sondern auch Vizepräsident Mike Pence, Aussenminister Mike Pompeo, Energieminister Rick Perry, Stabschef Mick Mulvaney und Sicherheitsberater John Bolten. Es waren so viele, dass sie im Schichtbetrieb unter den Bus springen mussten.»
Dabei war Sondland eigentlich die Rolle eines «Fallobst» zugedacht. So nennt man Boxer, die in einem Aufbaukampf für einen Champion vorzeitig k.o. gehen müssen. Denn Sondland ist weder ein Vertreter eines angeblichen «deep state», einer Verschwörung von professionellen Staatsangestellten, noch ist er ein «never trumper», ein Republikaner, der Trump ablehnt.
Vielmehr ist Sondland ein äusserst erfolgreicher Hotelier, der mehr als eine Million Dollar für Trumps Inaugurationsfeier bezahlt hat und dafür mit dem Posten des EU-Botschafters belohnt wurde. In der Ukraine-Affäre zählte er zu den «drei Amigos» – Perry, Sondland und Sonderbotschafter Kurt Volker –, welche die Regierung der Ukraine unter Druck setzen sollten.
Entgegen früheren Aussagen verneinte Sondland strikt, dass es eine Schattenregierung gegeben habe. Alle hätten von den Vorgängen gewusst, führte er aus. Hingegen gab er zu, dass Rudy Giuliani die Fäden in der Hand hielt. «Talk to Rudy» (sprecht mit Rudy), hat Trump den Amigos am 23. Mai in einem Meeting geraten.
Sie verstanden sofort, was damit gemeint war. «Wir haben mit Mr. Giuliani kooperiert, weil der Präsident uns das befohlen hat», stellte Sondland klar.
Sondland hat damit die gesamte Kein-Quidproquo-Verteidigung vernichtet. Die Republikaner reagierten schockiert. Devin Nunes, der Anführer des Fähnleins der Aufrechten der Grand Old Party im Committee, reagierte, «als ob sein Lieblingsonkel gestorben sei», wie ein Witzbold meinte. Seine Reaktion auf Sondlands Bombe war ein hilfloses Gestammel und die Wiederholung längst widerlegter Verschwörungstheorien.
Vize Pence, Aussenminister Pompeo und Ex-Energieminister Perry liessen über ihre Pressesprecher umgehend Dementis veröffentlichen. Präsident Trump reagierte, wie er immer reagiert. «Ich kenne ihn (Sondland) kaum», erklärte er. Noch vor wenigen Wochen hatte er ihn als «herausragenden Amerikaner» gelobt.
Sondland selbst schien seinen Auftritt geradezu zu geniessen. Er gab sich weder zerknirscht noch reuig. Lachend bestätigte er das Zitat, wonach er gesagt habe, Selenskyj «liebe Trumps Arsch». «Das tönt wie etwas, das ich gesagt haben könnte», entgegnete er.
Selbst Beleidigungen konnten ihn nicht erschüttern. Tim Morrison hatte tags zuvor am Hearing ausgesagt, im Nationalen Sicherheitsrat hätte man bezüglich seiner Person von einem «Gordon-Problem» gesprochen. «Das sagt meine Frau auch», nickte Sondland fröhlich.
Es würde mich nicht überraschen, wenn so ein Ereignis entscheidend für das politische Vorgehen der Republikaner wäre. Was das über die Demokratie in den USA aussagen würde kann sich jeder selber zusammenreimen... obwohl die Republikaner gestern schon mit 2+2 Mühe hatten 🤔🤦♂️
Aus diesem Grund glaube ich nicht dass dies seine Wählerbasis (Sektenjünglinge) beeindrucken/umstimmen wird.