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Coronavirus: Wie Wladimir Putin die Pandemie als Propaganda-Waffe nutzt

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Präsident Wladimir Putin, in gelber Schutzkleidung, besucht ein Spital.Bild: EPA
Analyse

Wie Putin die Corona-Krise als Waffe gegen den Westen einsetzt

Als Offizier des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes KGB hat Wladimir Putin von der Pike auf gelernt, wie man Desinformation als politische Waffe einsetzt. Als Präsident von Russland hat er nichts davon verlernt.
14.04.2020, 20:44
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Desinformation ist eine wichtige Waffe im russischen Kampf gegen die Nato und die USA. «Hybride Kriegsführung» wird die Mischung aus militärischen und zivilen Strategien genannt, bei denen Fake News eine wichtige Rolle spielen.

Ins Bewusstsein gelangt ist die hybride Kriegsführung wegen der Russland-Affäre. Mittlerweile ist sie schon beinahe vergessen. Die «New York Times» meldet jedoch, dass Putin seine Trolle erneut in Gang gesetzt hat. Diesmal geht es darum, die durch die Corona-Krise hervorgerufene Verunsicherung dazu zu benützen, die westlichen Wissenschaftler und die «Elite» zu verunglimpfen.

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Auch in Moskau tragen die Polizisten nun Masken.Bild: AP

Kurz nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO den globalen Notstand ausgerufen hatte, verbreitete ein obskurer Twitter-Account die Meldung, es handle sich beim Coronavirus um eine biologische Waffe. Dafür gebe es nicht widerlegbare Beweise.

Diese These ist längst widerlegt, doch Meldungen dieser Art schiessen nach wie vor aus dem Boden wie Pilze nach einem warmen Regen. Die WHO spricht gar von einer «Infodemie».

Der russische Präsident selbst hat seit Jahrzehnten Fake News dieser Art verbreitet. Ziel ist es, das Vertrauen in die westliche Wissenschaft und die demokratischen Institutionen zu untergraben. Lea Gabrielle, Vorsitzende des State Department’s Global Engagement Center, hat am 5. März vor dem US-Senat ausgesagt, dass Moskau im Begriff sei, «Nutzen aus einer Gesundheitskrise zu ziehen, welche die Menschen verunsichere».

Inhaltlich geht es dabei darum, die Gefahr des Coronavirus herunterzuspielen. Verbreitet werden die Falschmeldungen oft auf dem russischen TV-Netzwerk RT. Es wird im Westen stark beachtet. Rund eine Million Amerikaner klicken sich täglich ein. Die deutsche Version hat ebenfalls sechsstellige Zuschauerzahlen.

Weil Gesundheit alle angeht, fallen die russischen Desinformationen auf einen fruchtbaren Boden. «Die Akkumulation dieser Operationen über einen längeren Zeitraum wird einen beträchtlichen politischen Einfluss haben», sagt der ehemalige KGB-Offizier Ladislaw Bittman.

epa07788728 A handout image dated 23 June 2019 and made available by the World Health Organization, WHO, on 23 August 2019 showing Health workers inside a 'CUBE' talking to an Ebola patient, ...
Ebola-Spital im Kongo.Bild: EPA

Schon die Sowjetunion hat die Angst um die Gesundheit politisch instrumentalisiert. Herausragendes Bespiel dafür ist Aids. Lange verbreitete der KGB, dass diese damals noch tödliche Immunkrankheit eine biologische Waffe des US-Militärs sei, die gegen Schwarze eingesetzt werde. Die Kampagne war extrem erfolgreich. Viele afrikanische Staaten taten sich lange schwer, wirksame Massnahmen gegen Aids zu ergreifen.

Als die Ebola-Epidemie in Afrika wütete und dabei mehr als 10’000 Todesopfer forderte, sprach RT ebenfalls von einer Verschwörung der US-Armee.

2017 griff RT die Fake News über Aids erneut auf und hatte damit wiederum Erfolg: 2018 zeigte eine Studie in Los Angeles, dass mehr als die Hälfte der schwulen schwarzen Männer, die an Aids erkrankten, überzeugt waren, dass nicht Sex, sondern ein künstliches Virus an ihrem Schicksal schuld war.

Anti-Impf-Kampagnen sind ebenfalls ein Teil der russischen Desinformation. RT America verbreitete immer wieder die vielfach widerlegte These, wonach die Masern-Impfung zu Autismus führe. Dass derweil in Russland selbst Putin das Impfen rigoros durchsetzt, wird schamhaft unterschlagen.

Die russische Desinformationskampagne kann auf willige Helfer zählen. Bei Fox News beispielsweise ist die kurze Zeit, in der man Covid-19 als ernsthafte Bedrohung wahrgenommen hat, bereits wieder vorbei.

Tucker Carlson wettert nicht mehr gegen China, sondern gegen die «Elite».Video: YouTube/WhiteOne Racing TV

Moderator Tucker Carlson etwa pöbelt nun gegen eine vermeintliche Elite, welche die Krankheit als Vorwand benütze, die Massen zu unterdrücken und von der Arbeit fernzuhalten. Dabei war es genau dieser Carlson, der noch vor kurzem das Coronavirus als grosse Gefahr und als chinesischen Angriff auf den Westen dargestellt hat.

Im deutschsprachigen Raum wird RT unterstützt durch KenFM. Das Putin-hörige, auf YouTube verbreitete Onlineportal kennt seit Wochen nur noch ein Thema: wie das Coronavirus von Merkel, den Mainstreammedien und einer Finanzoligarchie dazu missbraucht werde, den Mittelstand noch mehr auszubeuten und seine Freiheiten einzuschränken.

Ableger davon finden sich auch in der Schweiz. So tummelt sich ein Aargauer Arzt, der sich über Ostern mit viel Spektakel verhaften liess, in diesem Umfeld. Auf seinem Blog wettert er gegen die angebliche Corona-Hysterie.

Auch die SVP hat eine Kehrtwende vollzogen. Wohl auf Geheiss aus Herrliberg hat Roger Köppel noch vor kurzem in einem salbungsvollen «Weltwoche»-Editorial den Bundesrat gelobt und Solidarität eingefordert. Seit Ostern wird wieder auf Regierung und «staatstreue» Medien eingedroschen wie einst im Mai.

Besonders der sonst eher farblose Fraktionschef Thomas Aeschi versucht sich dabei mit militanten Tweets zu profilieren. Die wackeren SVP-Haudegen haben allerdings ein Problem: Köppels Held Boris Johnson hat zuerst das Virus unterschätzt und für Herdenimmunität der Briten plädiert. Inzwischen ist der Premierminister selbst schwer an Covid-19 erkrankt, und im Vereinigten Königreich wütet die Epidemie schlimmer als in Italien und Spanien.

Roger Koeppel an einer Medienkonferenz in Zuerich am Donnerstag, 3. Januar 2019. SVP-Nationalrat Roger Koeppel will fuer den Staenderat kandidieren. Es ist ein persoenlicher Entscheid, so der Weltwoch ...
Schluss mit pathetischen Editorials: Roger Köppel.Bild: KEYSTONE

«Weltwoche»-Autor Alex Baur versucht sich mit dümmlichen Sprüchen wie «Venezuela para todos» auf die Linken einzuschiessen. Doch auch sein Idol, der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, hat inzwischen eine erhebliche Corona-Schlagseite erlitten und muss um sein Amt bangen.

Schweden wäre somit der letzte Hoffnungsschimmer für die Corona-Leugner im rechtspopulistischen Lager. Selbst die Skandinavier schwenken jedoch zunehmend auf den Soziale-Distanz-Kurs ein. Zudem haben sie einen schweren Makel: Sie sind rot-grün regiert.

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116 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FrancoL
14.04.2020 19:25registriert November 2015
Wer da wohin schwenkt ist doch eine Nebensache, die wichtige Erkenntnis ist doch, dass alle diese Polteris und Populisten sich profilieren wollen, sich profilieren auf dem Buckel der Bevölkerung die Angst hat und zu recht sich Sorgen macht und um die Zukunft bangt.

Das ist einfach nur widerlich.
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Don Alejandro
14.04.2020 21:19registriert August 2015
Ablenkung vom eigenen Versagen? Obwohl die Sowjetunion und sicherlich auch Russland hervorragende medizinische Fakultäten hat(te) (Lomonosov & Co) und zumindest die Moskowiter sicherlich nicht auf den Kopf gefallen sind, so sind die Medien in Staatshand wohl eher das Grundübel. Selbst in Brasilien traut die Bevölkerung dem Despoten Bolsonaro nicht, da wird es in Russland nicht anders sein. Obwohl Putin einiges schlauer agiert.
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Hanuta
14.04.2020 20:38registriert März 2014
Ich lebe in Schweden mit meiner Familie. Ich erlebe die (ausländische) Berichterstattung als sehr unausgewogen. Manchmal kommt es mir vor, als ob die Schweizer Medien wollen, dass die schwedische Strategie scheitert. Dabei sind auch hier die Zahlen rückläufig, trotz offener Schulen und Geschäfte. Ich halte wenig von den oben beschriebenen Verschwörungstheoretikern - und appelliere umgekehrt, dass man Schwedens Sonderweg nicht mehr (verschwörerisch) diskreditiert, schliesslich zeigen alle neuen Studien, dass Schweden die tiefe Mortalität richtig eingeschätzt hat.
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