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Credit Suisse im Abseits: Was bei der Schweizer Grossbank gerade abgeht

Lügen, Spitzel, Kündigungen: CS-Beschattungsaffäre grösser als gedacht – 5 Erkenntnisse

Jetzt ist klar: Die Sicherheitsverantwortlichen der Credit Suisse haben in der ersten Untersuchung der Beschattungsaffäre brandschwarz gelogen und eine brisante Spitzel-Aktion vertuscht. Die Nummer 2 der Konzernleitung verliert per sofort den Job – und dazu 4 Millionen Franken.
23.12.2019, 09:3323.12.2019, 12:42
patrik müller / ch media
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Die Zürcher Anwaltskanzlei Homburger hat ihre zweite Untersuchung zur Beschattungsaffäre bei der Credit Suisse durchgeführt. Sie wurde eröffnet, nachdem die NZZ vergangenen Dienstag enthüllt hatte, dass es nebst der missratenen Überwachung des zur UBS übergelaufenen Starbankers Iqbal Khan einen zweiten Fall gegeben hat: Auch der damalige Personalchef Peter Goerke wurde beschattet.

Das war peinlich für CS-Chef Tidjane Thiam und Verwaltungsratspräsident Urs Rohner, denn sie hatten davor noch beteuert, Khan sei ein «isolierter Einzelfall» gewesen. Gestern Sonntagabend wurden die Express-Untersuchung von Homburger abgeschlossen und der Verwaltungsrat informiert. Das sind die 5 wichtigsten Erkenntnisse:

Tidjane Thiam bleibt im Amt

Tidjane Thiam, CEO Credit Suisse, spricht am Europa Forum in Luzern am Mittwoch, 4. Dezember 2019. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
Tidjane Thiam wusste nichts von der Beschattung.Bild: KEYSTONE

Der Konzernchef habe von Goerkes Überwachung nichts gewusst, ergaben die neuen Abklärungen von Homburger. Wäre Thiam, der Goerke zur CS geholt hatte, involviert gewesen, wäre es eng geworden für ihn. Dann wären womöglich auch die ausländischen Grossaktionäre, die Thiam bislang unterstützen, gegen ihn gekippt. Nun ist er vorerst aus dem Schneider.

Fristlose Entlassung von Pierre-Olivier Bouée

Die Nummer 2 hinter Thiam wird in der Untersuchung als Hauptsünder ausgemacht. Er habe den Auftrag erteilt, Peter Goerke beschatten zu lassen. Wie bei Iqbal Khan sei auch diese Beschattung über einen Mittelsmann durchgeführt worden. «Der Verwaltungsrat hat gegenüber Pierre-Olivier Bouée die fristlose Kündigung ausgesprochen», heisst es in der CS-Mitteilung. Das bedeutet auch, dass er seine Bonus-Ansprüche verliert. Der Wert des zurückgehaltenen Aktienpakets beträgt etwa 4 Millionen Franken. Bouée war bereits nach dem Fall Khan geschasst worden – aber nicht fristlos.

Das Lügengebäude kracht zusammen

Bei der ersten Befragung durch den Verwaltungsrat und der Untersuchung durch Homburger – unmittelbar nach Auffliegen der Khan-Affäre – haben die verantwortlichen Personen bei der Frage nach weiteren Beschattungen brandschwarz gelogen. Sie seien darauf bedacht gewesen, «bei der Organisation und Durchführung der Beschattung Peter Goerkes keine nachweisbaren Spuren in den Systemen der Bank zu hinterlassen». Dem Vernehmen nach sind es die Lügen eigener Top-Leute – konkret von Bouée –, die den Verwaltungsrat am meisten empört haben. Von «blankem Entsetzen» ist die Rede.

Jetzt darf nichts mehr zum Vorschein kommen

Die Kommunikation der CS gleicht jener nach der ersten Untersuchung. Es bestehe kein generelles kulturelles Problem in der CS. Heute Morgen wird Verwaltungsratspräsident Urs Rohner wie folgt zitiert:

«Die nun bestätigte Beschattung von Peter Goerke ist unentschuldbar. Wir sind uns bewusst, dass die Beschattungen von Iqbal Khan und Peter Goerke dem Ansehen unseres Unternehmens geschadet haben. Mit den getroffenen Massnahmen machen wir deutlich, dass der Verwaltungsrat eine Beschattungskultur entschieden ablehnt.»

Das heisst aber auch: Wenn jetzt noch einmal etwas ans Tageslicht kommt, das die oberste Führungsebene nicht gewusst hat, dann wird es so peinlich, dass es auch dort Konsequenzen haben müsste.

Was die Untersuchung NICHT sagt

Zwar haben die Homburger-Anwälte keinen dritten Beschattungsfall auf Ebene Konzernleitung identifiziert. Aber ob es auf unteren Stufen zu fragwürdigen Beschattungen kommt, darüber gibt die CS-Mitteilung keine Auskunft. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Banken (und auch andere Branchen mit sensiblen Daten) mit Detektiven zusammenarbeiten, insbesondere wenn ein Mitarbeiter in gekündigtem Verhältnis steht. Konzernchef Thiam sei hier «schmerzlos», sagt ein Insider. Thiam hat sogar öffentlich, im Westschweizer Fernsehen, gesagt, Überwachungen könnten eine «legitime Waffe» sein für die Bank.

Das Fazit

Die Affäre ist vorerst eingedämmt, es rollen keine weiteren Köpfe. Darum hat die CS heute auch nur schriftlich informiert und keine Medienkonferenz abgehalten. Sie will den Ball flach halten. Aber ausgestanden ist sie noch nicht. Zumal eine weitere Untersuchung läuft – jene der Finanzmarktaufsicht des Bundes (Finma). Die CS schreibt dazu: «Credit Suisse wird weiterhin eng mit der Finma und neu auch mit dem durch diese eingesetzten unabhängigen Prüfbeauftragten zusammenarbeiten.»

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gurgelhals
23.12.2019 08:30registriert Mai 2015
Da fragt man sich halt schon, was denn das eigentlich für eine Geschäftsleitung ist, wenn die offenbar von gar nichts Kenntnis hat, was in ihrem Konzern so vor sich geht... 🤡
2242
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LubiM
23.12.2019 08:20registriert Mai 2014
Juhu, Bauernopfer gefunden... zurück bleibt ein bitterer Nachgeschmack.
2013
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Scaros_2
23.12.2019 08:38registriert Juni 2015
Wenn der CEO und der VR keine Ahnung hat was im unternehmen in der chefetage passiert. Dann sind sie ebenfalls ziemlich lächerliche Chefs.

Egal wie, sie sind die grössten Verlierer.
1962
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