Der Schweizer Franken ist «ein sicherer Hafen», den verunsicherte Anleger in Krisenzeiten gerne ansteuern. Nach der Pandemie, dem russischen Überfall auf die Ukraine und dem jüngsten Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel hat der Franken deutlich an Wert gewonnen. Gegenüber dem Euro hat er sich seit 2020 um 12,5 Prozent aufgewertet.
Bei den Edelmetallen übernimmt das Gold die Rolle des Stabilitätsankers. Hier wirkt der Mechanismus ebenfalls eindrücklich: Seit der palästinensischen Terrorattacke am 7. Oktober kletterte der Goldpreis in die Höhe. Zuletzt lag er bei 2041 Dollar pro Feinunze, also 31,1 Gramm (siehe Grafik). Das ist der höchste Stand seit einem halben Jahr. Und der Rekordwert von 2075 Dollar ist nicht mehr weit entfernt.
«Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas hat eine Flucht in sichere Anlagen wie Gold verursacht, was zu einem Anstieg des Goldpreises beigetragen hat», sagt der Edelmetallhändler Alexander Zumpfe. Er arbeitet beim deutschen Unternehmen Heraeus, einem der weltweit führenden Edelmetallhändler. Die Gruppe betreibt im Tessin eine eigene Raffinerie unter dem Namen Argor-Heraeus.
Neben geopolitischen Krisen treiben weitere Faktoren die Anleger in den geschützten Hafen des Goldes. Einen direkten Einfluss auf die Attraktivität des Metalls hat das Zinsumfeld.
Seit die Notenbanken im Kampf gegen die Inflation die Leitzinsen in die Höhe geschraubt haben, hat Gold als Wertanlage eigentlich an Glanz eingebüsst – denn das Edelmetall bringt keinen Zins. Da sich mittlerweile aber abzeichnet, dass die Zinsen ihren Höhepunkt erreicht haben dürften, ist Gold bei vielen Anlegern wieder hoch im Kurs.
«Die wachsende Zuversicht, dass die amerikanische Notenbank ihren Zinserhöhungszyklus beendet hat und bereits im Frühjahr mit Zinssenkungen beginnen könnte, hat eine positive Wirkung auf den Goldpreis», erklärt Zumpfe. Zinssenkungen tendierten dazu, den Wert des Dollars zu schwächen und Investitionen in zinslose Anlagen wie Gold attraktiver zu machen. Eine Rolle spielen laut dem Goldexperten auch Spekulationen. «Händler und Investoren stellen sich auf eine harte wirtschaftliche Landung und eine aggressive Lockerung der Geldpolitik im nächsten Jahr ein und positionieren sich entsprechend.»
Zu einer harten Landung der Weltwirtschaft käme es, wenn die Notenbanken die Zinsen zu lange hochhalten und damit eine Rezession herbeiführen. In diesem Szenario würde das Gold als sichere Wertanlage an Attraktivität gewinnen.
Was für eine Landung die Weltwirtschaft tatsächlich hinlegen wird, ist unter Experten allerdings umstritten. Die Prognosen sind mit grossen Unsicherheiten behaftet. Klar ist: Bei der künftigen Zinspolitik im richtigen Moment die Schraube zu lösen, erfordert viel Fingerspitzengefühl. Für eine sanfte Landung müssen die Zinsen folglich gerade hoch genug sein, um die Preisstabilität zu sichern -aber nicht so hoch, dass sie die Wirtschaft abwürgen.
Die ökonomische Theorie veranschaulicht die diffizile Aufgabe mit dem «Goldlöckchen-Prinzip»: Im gleichnamigen Märchen probiert Goldlöckchen drei Schüsseln Brei, wobei ihr jener am besten schmeckt, der «genau die richtige Temperatur» hat, also weder zu heiss noch zu kalt ist. Dies ist ebenso das erklärte Ziel der sanften Landung: Die Wirtschaft sollte weder zu stark abkühlen noch zu stark überhitzen. Die Notenbanker müssen bei der Zinspolitik folglich die Temperatur richtig justieren. Verbrennen sie sich die Zunge, dürfte der Goldpreis weiter in neue Höhen steigen.
"Gold wird aus dem Boden in Afrika oder irgendwo sonst in der Welt ausgegraben. Dann schmelzen wir es ein, graben ein anderes Loch, verstecken das Gold wieder darin und bezahlen dann Menschen, um darum herumzustehen und es zu bewachen."