Inflation ist der Albtraum eines jeden Zentralbankers, nicht wahr? Bis zu einem gewissen Grad. Bei der Bank of Japan (BoJ) stellen sie derzeit den Champagner kalt, weil die Inflationsrate erstmals seit Jahrzehnten wieder rund drei Prozent beträgt. Endlich, so hoffen die Japaner, sind die langen Jahre mit einer leichten Deflation und einem mickrigen Wirtschaftswachstum überwunden.
Die Investoren sind bereits davon überzeugt. Der Nikkei-Index, das japanische Äquivalent zu unserem SMI oder dem amerikanischen Dow Jones, hat am Mittwoch mit 39'098.68 erstmals wieder einen neuen Rekord erzielt. Er hat dafür 34 Jahre gebraucht und musste Rückschläge von über 80 Prozentpunkten verkraften.
Bereits 1989 hatte der Nikkei mit 38'915.87 einen Rekord gebrochen. Er war jedoch nie nachhaltig. Japans Wirtschaft befand sich damals in einem geradezu grotesk überhitzten Zustand, mit einer Börsen- und Immobilienblase von historischem Ausmass. Allein das Grundstück des Kaisers in Tokio soll damals mehr wert gewesen sein als ganz Kalifornien.
Das Platzen dieser gigantischen Blase war einer der schlimmsten externen Schocks, die je eine Volkswirtschaft verkraften musste. Die Japaner konnten jedoch eine schwere Depression vermeiden, indem sie alle Grundsätze der liberalen Ökonomie über Bord warfen. Wie Richard Koo, lange Chefökonom bei der Nomura Bank, in seinem Buch «The Holy Grail of Macro Economics» beschreibt, hat der Staat hemmungslos Schulden gemacht und so die Lücke gefüllt, die eine überschuldete Finanzwirtschaft hinterlassen hat.
Heute befinden sich mehr als die Hälfte der Staatsanleihen in der Hand der japanischen Zentralbank und von japanischen Investoren. Mit anderen Worten: Japan hat sich in der eigenen Währung verschuldet und kann daher nicht bankrottgehen.
Trotzdem hat Japan eine Staatsschuld von rund 250 Prozent des Bruttoinlandprodukts, ein Wert, bei dem klassische liberale Volkswirte nicht nur in Schnappatmung geraten, sondern in Ohnmacht fallen. Weil die Japaner sich auch sehr vernünftig ernähren, sind sie zudem die älteste Bevölkerung der Welt. Fast ein Drittel der Einwohner ist älter als 65.
Trotz dieser ökonomischen Widrigkeiten hat Japan nie den Anschluss an die wirtschaftliche Weltspitze verloren. Derzeit erfreut es sich gar eines unerwarteten Comebacks. Dafür gibt es vier Gründe.
Chinas Volkswirtschaft hat zwar punkto Grösse diejenige von Japan inzwischen vom zweiten Platz verdrängt. Doch das chinesische Wirtschaftswunder ist ins Stocken geraten. Davon profitiert Japan, und auch davon, dass der Yen derzeit unterbewertet ist. Die internationalen Investoren fliehen in Scharen aus Hongkong und Shanghai. Ein grosser Teil dieses Geldes landet in Tokio, dessen Finanzmärkte in neuem Glanz erscheinen, nachdem sie jahrzehntelang von ebendiesen Investoren gemieden wurden.
Der berühmteste Investor der Gegenwart hat den Auftakt zum Run auf die japanischen Wertpapiere gegeben. Er war es, der als Erster wieder den Reiz dieser Papiere entdeckt und damit den Boom ausgelöst hat. Seit Januar haben Ausländer rund 14 Milliarden Dollar in Japan investiert. Dank des billigen Yen sind auch die Unternehmensgewinne explodiert. Das hat dazu geführt, dass der Nikkei seit Jahresbeginn um 16 Prozent zugelegt hat.
In den Achtzigerjahren hat Japan die USA als führender Chip-Hersteller überholt. Damals hat dies zu einer Anti-Japan-Hysterie in Amerika geführt. Inzwischen richtet sich das Augenmerk der Amerikaner jedoch diesbezüglich auf China. Der Boom der Künstlichen Intelligenz kommt derweil auch der japanischen Chip-Industrie zugute. Die Aktien von Tokyo Electron, einem führenden Hersteller, haben seit Jahresbeginn um 45 Prozent zugelegt. Die Aktien von Softbank, der Finanzholding des japanischen Milliardärs Masayoshi Son, sind ebenfalls in dieser Grösse in die Höhe geschossen, denn der Chip-Hersteller Arm ist Teil dieses Unternehmens.
Die Implosion der Finanzmärkte zu Beginn der Neunzigerjahre hat bei den Japanern dieser Generation einen tiefen Schock hinterlassen. Viele hatten ihre gesamten Ersparnisse deswegen verloren und liessen fortan die Finger von den Aktien.
Das scheint sich zu ändern. Die Jungen entdecken wieder die Aktien als Anlageinstrument. Kein Wunder: Den Crash, der ihre Eltern vertrieben hat, kennen sie nur vom Hörensagen. Auf dem Sparkonto war in den deflationären Zeiten kein Geld zu verdienen. Das hat zu einem Umdenken geführt. Gemäss einer Umfrage der Investment Trusts Association, zitiert im «Economist», hatten im vergangenen Jahr 23 Prozent der Zwanzigjährigen ihr Geld in Fonds investiert. 2016 waren es bloss 6 Prozent. Bei den Dreissigjährigen stieg der Anteil im gleichen Zeitraum von 10 auf 29 Prozent.
Der Höhenflug der japanischen Aktien könnte sich noch fortsetzen. «Er ist völlig verschieden von demjenigen der Blasen-Ära», erklärt Seiji Nakata, Präsident der Daiwa Securities, in der «Financial Times». «Dieser Rekord beruht auf einer rationalen Basis und niemand hat das Gefühl, er sei überhitzt.» Masashi Akutsu, Chefstratege bei der Bank of America, glaubt gar, dass der Nikkei bis zum Jahresende auf 41'000 Punkte klettern werde.
Es gibt jedoch auch warnende Stimmen. Sie weisen darauf hin, dass der Nikkei ein schlechter Massstab für den wahren Zustand der Wirtschaft sei. Wie der SMI oder der Dow Jones bildet dieser Index vorwiegend die multinationalen Unternehmen ab. Der Topix hingegen, vergleichbar mit unserem SPI oder dem amerikanischen S&P, der auch kleinere Unternehmen umfasst, liegt immer noch 8 Prozent unter seinem Höchstwert von 1989. Die reale Wirtschaft Japans befindet sich zudem in einer leichten Rezession.
Schliesslich hat sich Japan seit Beginn der Neunzigerjahre grundlegend verändert. Damals war es eine junge, erfolgshungrige Gesellschaft. Mit einem Durchschnittsalter von fast 50 Jahren will sie heute vor allem bewahren, was sie erreicht hat.
Hierzulande setzen wie auf Massenzuwanderung und denken, so für die Zukunft gerüstet zu sein. Was sich als fataler Irrtum herausstellen wird, Unsere Schulen sind bereits am Anschlag und die Zahl der Multikulti-Betreuer explodiert.