Klimaaktivist Bill McKibben nannte den gestrigen Tag einen «Wendepunkt». Was war passiert? Der Tweet von Christian Lüthi fasst es zusammen:
Der heutige Tag:
— Christian Lüthi (@chris_luethi) May 26, 2021
✅ Shell wurde durch ein Gericht zu 45% Emissionsreduktion bis 2030 gezwungen
✅ Chevron-Aktionäre stimmten gegen das Management für die Reduzierung von Emissionen
✅ Klima-aktivistische Investoren haben 2 Direktoren in den Vorstand von ExxonMobil gewählt
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Die einzelnen ✔️ nun im Detail:
Ein niederländisches Gericht hat den Ölmulti Shell dazu verdonnert, seine CO2-Emissionen bis ins Jahr 2030 um 45 Prozent zu reduzieren. Shells Reduktionsziele waren wesentlich bescheidener gewesen. Sie lagen bei 20 Prozent bis 2035.
Das für den Bezirk Den Haag zuständige Gericht, wo sich die Hauptverwaltung von Royal Dutch Shell befindet, begründete den Urteilsspruch damit, Shell sei für CO2-Emissionen verantwortlich, die zur Erderwärmung beitragen. Das könne gefährliche Folgen für die Niederlande haben. Ausserdem würde Shells Geschäftstätigkeit die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens gefährden.
Laut eines Berichts des «Guardians» im Jahr 2019 ist Shell seit 1965 für den Ausstoss von 31,95 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent verantwortlich. Das Unternehmen liegt damit auf Platz sieben der Unternehmen mit der grössten Treibhausgasproduktion.
Als Kläger trat ein Konsortium von sieben Umweltverbänden auf. Darunter befinden sich Greenpeace und Friends of the Earth.
Shell zeigte sich enttäuscht über den Beschluss und kündigte an, Berufung einzulegen. Freude herrscht hingegen bei den Umweltverbänden. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland, nannte das Urteil historisch: «Zum ersten Mal in der Geschichte wurde ein Konzern verpflichtet, seiner Verantwortung für die Klimakrise gerecht zu werden und seine Emissionen radikal zu reduzieren. Das fossile Zeitalter neigt sich dem Ende zu. Das müssen auch die letzten grossen Umweltverschmutzer und ihre Lobbyverbände einsehen.»
Mit 43,35 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent auf Platz zwei dieser unrühmlichen Liste befindet sich Chevron. Der US-Erdölkonzern, in den Starinvestor Warren Buffet kürzlich erneut kräftig investierte, veranstaltete gestern sein jährliches Aktionärstreffen. Und die Aktionäre stellten sich gegen den Verwaltungsrat.
Mit 61 Prozent der Aktionärsstimmen wurde ein Vorschlag angenommen, welcher vorsieht, die Treibhausemissionen des Konzerns zu senken. In welchem Zeitraum und in welchem Ausmass wird allerdings nicht festgehalten.
Es handelt sich dabei um sogenannte «Scope 3»-Emissionen. Das sind Abgase, welche durch die Betriebstätigkeit entstehen, aber nicht direkt kontrolliert werden können. Dafür sorgen zum Beispiel der Einkauf von Waren, Geschäftsreisen, die Abfallentsorgung – aber auch der Bereich der Investitionen.
Auf Platz vier der «Guardian»-Liste steht mit 41,9 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent ebenfalls ein US-amerikanischer Mineralölkonzern: Exxon Mobile.
Auch Exxon veranstaltete gestern sein jährliches Aktionärstreffen – und auch hier kam es zum Kräftemessen zwischen Umweltaktivisten und der alten Garde im Verwaltungsrat. Unruhestifter in diesem Fall ist ein kleiner Hedge-Funds namens «Engine No. 1» (EN1).
EN1 versucht, das Schlachtschiff Exxon in friedlichere Gewässer zu steuern – sprich: auf einen nachhaltigen Kurs zu bringen – und damit auch noch gleich Geld zu verdienen. Die Investment-Aktivisten halten Aktien von Exxon im Wert von 50 Millionen – das sind gerade einmal 0,02 Prozent des Konzerns. Doch das reicht für einen kleinen Coup.
Für die Aktionärsversammlung schlug EN1 vier neue Verwaltungsräte vor. Zwei davon sind gestern nun gewählt worden – und verdrängen zwei alteingesessene Mitglieder.
Eine der gewählten ist Kaisa Hietala. Die Finnin war beim finnischen Mineralölunternehmen Neste für die erneuerbaren Produkte zuständig und sorgte dafür, dass sich deren Profite vervierfachten. Ebenfalls neu im Exxon-Verwaltungsrat sitzt Gregory J. Goff.
Exxons grösste Aktionärin, die weltgrösste Investmentfirma Black Rock, unterstützte drei der vier EN1-Kandidaten. Aktuell sind acht der 12 Sitze besetzt und vier vakant. Möglich also, dass die Kampagne von EN1 am Ende noch erfolgreicher wird.
Als kleine Einschätzung der Grösse des Erdbebens, das bei Exxon gerade stattfindet, dient ein Satz aus der «New York Times»: «Analysten können sich nicht daran erinnern, dass es jemals eine Abstimmung gab, bei der das Exxon-Management gegen fremde Kandidaten verlor».
Aber sobald es den Menschen ans Portemonnaie geht, schmilzt die Zustimmung für den Klimaschutz wie die Gletscher in den Alpen.
Wenn die CH dieses Gesetz am 13.06. ablehnt, bin ich nur noch ratlos. Es braucht jetzt jede Stimme für ein JA!
Nachhaltigkeit ist mittelfristig nicht nur ethisch das richtige, sondern auch ökonomisch, da können die Aktionäre gerne drauf drücken, wenn das Management zu kurz denkt.
(Sofern klimaneutralität erreicht wird).