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Russland: Geht Putin jetzt pleite? Und falls ja, was bedeutet das?

Staatsbankrott: Geht Putin jetzt pleite? Und falls ja, was bedeutet das?

Bild: shutterstock.com
Jetzt könnte es für Putin ernst werden: Denn die Frist für eine Zinszahlung über 100 Millionen Dollar läuft ab. Überweist er das Geld nicht, droht eine Staatspleite. Aber was hiesse das genau?
15.03.2022, 22:00
Mauritius Kloft / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Russland ist so gut wie abgemeldet, zumindest auf den internationalen Finanzmärkten. Die westlichen Staaten versuchen, mit tiefgreifenden Wirtschaftssanktionen Russlands Präsident Wladimir Putin zum Einlenken zu bewegen. Doch was den Druck auf den Kreml erhöhen soll, birgt für Investoren unangenehme Nebenwirkungen. Und für den russischen Staat.

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Denn bis zum 16. März stehen Zinszahlungen über mehr als 100 Millionen US-Dollar an. Am 4. April läuft eine Anleihe über zwei Milliarden Dollar aus. Experten fürchten, dass es zu einer Staatspleite kommen könnte. Das wäre nicht das erste Mal der Fall: Bereits 1998 musste Russland Insolvenz anmelden, auch wenn sich die Situationen stark voneinander unterscheiden.

Wir erklären, wann Russland pleite wäre – und welche Folgen das für den Angriffskrieg in der Ukraine und die Zukunft des internationalen Finanzsystems haben dürfte.

Warum droht Russland die Staatspleite?

Das Kuriose ist: Die Staatskasse Russlands ist prall gefüllt, nicht zuletzt dank hoher Öl- und Gaspreise. Allerdings ist das Land wegen der westlichen Sanktionen im Zuge des Ukraine-Kriegs von den internationalen Finanzmärkten so gut wie abgeschnitten. Ein Grossteil von Russlands Zentralbankreserven über rund 640 Milliarden Dollar ist eingefroren.

«Es dürfte insgesamt um rund 300 Milliarden Dollar gehen, auf die Russland jetzt keinen Zugriff mehr hat», sagte Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Uni Hohenheim, t-online.

Hans-Peter Burghof: Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim.
Uni HohenheimBild: Uni Hohenheim

Das heisst: Russland kann seine Schulden bei internationalen Gläubigern gar nicht bedienen, selbst wenn der Kreml das möchte. «Ich würde von einem technischen oder inszenierten Bankrott sprechen», sagte Burghof weiter.

So betonen auch die Kreditwächter von S&P und Moody's, dass die Hauptursachen für das erhöhte Risiko eines Zahlungsausfalls nicht Geldnot, sondern die Folgen der Sanktionen sind. Selbst wenn Russland zahlen würde, wäre deshalb ungewiss, ob Gläubiger im Ausland an ihr Geld kommen.

Staatsschuldenpleite sehr wahrscheinlich

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält eine Staatsschuldenpleite Russlands in den kommenden Monaten für sehr wahrscheinlich.

Auch die US-Investmentbank Morgan Stanley geht von einer Staatspleite aus. «Wir sehen einen Zahlungsausfall als wahrscheinlichstes Szenario», schrieb sie vergangene Woche an ihre Kunden.

Wann ist Russland offiziell pleite?

Das lässt sich schwer sagen. Auch wenn die Zahlungen in dieser Woche ausblieben, würde dies nicht bedeuten, dass Russland von heute auf morgen in die Staatspleite gerät.

Denn nach dem ersten Zahlungsversäumnis beginnt gewöhnlich eine 30-tägige Gnadenfrist, sodass der eigentliche Ausfall erst im April erfolgen würde. Der genaue Zeitpunkt des Konkurses dürfte von aussen aber kaum erkennbar sein, sagt Burghof.

epa09812765 People wait in line to withdraw cash from a ATM of Tinkoff Bank downtown Moscow, Russia 09 March 2022. Russian troops entered Ukraine on 24 February 2022, prompting a series of severe econ ...
Menschen stehen Schlange, um an einem Automaten in Moskauer Geld abzuheben.Bild: keystone

Unabhängig davon, ob es sich um einen technischen, teilweisen oder ganzen Zahlungsausfall handele. Denn der Kreml wird sicher nicht damit hausieren gehen, wenn er pleite ist.

«Wenn Privatleute ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, steht irgendwann der Gerichtsvollzieher vor der Tür», so Burghof. «Bei Staaten ist das nicht der Fall.»

Denn die Gläubiger könnten die Schulden nicht einfach unter Androhung einer Strafe einfordern, sagt er. «Es gibt auch kein Insolvenzgericht, das die Pleite Russlands feststellen könnte.» Die Folge wäre lediglich, dass Russland kaum mehr Kredite bekommen würde (siehe nächster Abschnitt).

Welche Folgen hätte eine Staatspleite für Russland?

Die unmittelbaren Folgen für Russland hielten sich in Grenzen, sagt Finanzexperte Burghof. Denn: Angesichts des Angriffskriegs in der Ukraine und den westlichen Sanktionen dürfte es ohnehin ausgeschlossen sein, dass Russland Kredite vom Westen bekommt, sagt der Experte.

Das werde bei einer Staatspleite selbst nach dem Krieg so bleiben. «Weil Investoren wissen, dass jedes Geld verloren ist», sagt Burghof. Die langfristigen Folgen eines Bankrotts wären daher fatal, warnt der Experte.

«Putin katapultiert sein Land ins Aus»

«Russland wird auf lange Sicht vom internationalen Finanzsystem ausgeschlossen, wenn das durch den Krieg nicht bereits geschehen ist», sagt er. «Putin katapultiert sein Land ins Aus. Er hinterlässt ein vergiftetes Erbe.» Fraglich sei, ob sich Russland jemals davon erhole.

Möglich wäre aber, dass das Land mittelfristig mit China zusammen einen neuen Block im globalen Finanzsystem bildet. China wirbt bereits seit Jahren dafür, unabhängiger vom Swift-System zu werden, aus dem einige russische Banken ausgeschlossen wurden.

«Wenn China geopolitische Interessen verfolgt, ist es ihm ganz egal, ob Russland zahlungsfähig ist oder nicht», sagt Burghof. «Dann werden sich die beiden Staaten ohnehin zusammentun. Aber dafür wird Russland einen hohen politischen Preis an China zahlen müssen.» Heisst: Sich in die Abhängigkeit Chinas begeben.

Wahrscheinlich sei zudem, dass Russland dann einfach mehr Rubel druckt, was die Inflation weiter steigen liesse. Dabei rechnet die russische Zentralbank schon jetzt mit einer Inflationsrate von 20 Prozent in diesem Jahr.

Was bedeutet eine Staatspleite für Investoren und Banken?

Nichts Gutes. Sie müssten wohl ihr Geld im Zweifelsfall abschreiben. Kreditausfallversicherungen greifen bei einigen Anleihen womöglich nicht.

Auch die grossen Ratingagenturen machen Anlegern wenig Hoffnung. Fitch, Moody's und S&P sehen Russlands Kreditwürdigkeit inzwischen im sogenannten «Ramschbereich» , der hochriskante Anlagen kennzeichnen soll. In jedem Fall zeichnet sich eine vertrackte Lage für Russland ab.

Offen sei, wie genau die Auslandsschulden bei einem Ausfall abgewickelt werden – sprich, wer letztlich die Verluste tragen wird, so Burghof. «Die Frage, wer die Kosten der Staatspleite tragen wird, dürfte Gerichte noch über Jahre beschäftigen.»

Neue Finanzkrise durch russische Staatspleite unwahrscheinlich

Dass es zu einer neuen Finanzkrise durch eine Staatspleite kommt, ist unwahrscheinlich. Auch der Internationale Währungsfonds ( IWF ) geht nicht von gravierenden Auswirkungen auf das weltweite Finanzsystem aus.

Das Gesamtengagement der Banken gegenüber Russland von rund 120 Milliarden Dollar sei zwar nicht unbedeutend, aber «nicht systematisch relevant», sagte IWF-Chefin Kristalina Georgieva jüngst dem US-Sender CBS.

Wie kann Russland einem Staatsbankrott entgehen?

Solange Russland Krieg gegen die Ukraine führt und die Sanktionen des Westens wirken, wird Russland den Staatsbankrott wohl nicht abwenden können. Die westlichen Staaten könnten zwar Teile der eingefrorenen Notenbankreserven freigeben, um die Auslandsschulden Russlands zu bedienen.

Das dürfte aber unwahrscheinlich sein, meint auch Experte Burghof. «Der Westen wird drohen, Russland pleitegehen zu lassen – um den Druck auf Putin weiter zu erhöhen», sagt er.

Russland will Schulden in Rubel zahlen

Russland hat zwar angekündigt, seine milliardenschweren Devisenschulden statt mit Dollar oder Euro im Zweifelsfall mit dem stark abgewerteten Rubel zurückzahlen. Das Finanzministerium in Moskau hat dafür eigenen Angaben nach am Montag ein vorübergehendes Verfahren genehmigt.

Dieses sieht vor, dass die Zahlungen in der heimischen Währung Rubel erfolgen würden, sollten die westlichen Sanktionen wegen der militärischen Invasion in die Ukraine die Banken daran hindern, die Verbindlichkeiten mit Devisen zu begleichen. Doch Gläubiger im Ausland dürften sich dagegen sperren, Rubel zu akzeptieren.

Immerhin hat der Rubel im Zuge des Angriffskrieges stark an Wert verloren, und dürfte im Falle einer Staatspleite noch weiter fallen. «Spätestens wenn Putin die Gelddruckmaschine anschmeisst und die Inflation weiter steigt», sagt Burghof. «In diesem Szenario wird kein vernünftiger Investor noch Rubel akzeptieren.»

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89 Kommentare
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bossac
15.03.2022 22:31registriert Juni 2014
Mir macht Angst wie das Ganze enden soll. Angesichts des Angriffkriegs gegen die Unraine sehe ich die Sanktionen auch als das beste Mittel Putin einhalt zu gebieten, aber dieses Monster, und mit ihm sein Land, wird immer wie mehr in die Ecke gedrängt. Das ist alles so brandgefährlich, besonders da Putin tatsächlich nicht mehr ganz geistig gesund wirkt.
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Schnäggebei
15.03.2022 23:15registriert März 2018
Da wünscht sich einer also die UdSSR zurück, tja Wirtschaftlich betrachtet scheints zu funktionieren🤦‍♂️
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Doppelpass
15.03.2022 23:10registriert Februar 2014
Putin, der immer so machohaft auftritt, hat sich total verzockt und muss jetzt den Chinesen in den A..... kriechen. Er hat sein Land an den Abgrund geführt und muss es jetzt praktisch verschenken.
Das war wohl kaum sein Plan.
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