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Stahl Gerlafingen baut ab – 95 Arbeitsplätze betroffen

Employees of Stahl Gerlafingen Ltd. heat up scrap metal in a mealting furnace in the production facility hall in Gerlafingen in the canton of Solothurn, Switzerland, pictured on November 14, 2008. The ...
Bild: KEYSTONE
Wirtschafts-News

Stahl Gerlafingen schliesst eine Produktionsstrasse – 95 Arbeitsplätze betroffen

27.03.2024, 13:3927.03.2024, 15:07

Nun ist es Tatsache: Der Schweizer Stahlhersteller Stahl Gerlafingen schliesst eine der beiden Produktionslinien. Der Schritt wurde bereits Mitte März angedroht und betrifft nun laut einer Mitteilung vom Mittwoch maximal 95 Arbeitsplätze.

Aufgrund des «verzerrten Wettbewerbs» im europäischen Stahlmarkt sei die Massnahmen unumgänglich, heisst es zur Begründung. Die Schliessung soll die Zukunft des Stahlwerks sichern.

Die Stilllegung der Produktionslinie habe einen Abbau von maximal 95 Arbeitsplätzen zur Folge. Für die direkt Betroffenen sei ein Sozialplan erstellt worden. Zudem soll ein Teil des Abbaus über natürliche Fluktuation erreicht werden.

Faktisches Importverbot

Stahl Gerlafingen sehe sich seit Mitte 2023 «faktisch mit einem Importverbot der EU konfrontiert». Dies betreffe vor allem den Export von sogenanntem Breitflachstahl. Hinzu kommen laut dem Unternehmen «massive» Fördermassnahmen für die europäische Stahlindustrie, welche die Umsätze und Margen für das Schweizer Werk schmelzen lassen.

«Zudem haben die zwischenzeitlich horrenden Energiepreise und die in der Schweiz im Vergleich zu Europa immer noch rekordhohen Netzabgaben auf Energie die Bilanz von Stahl Gerlafingen tiefrot werden lassen», schrieb das Unternehmen, das der italienischen Familie Beltrame gehört.

Derweil sollen – wie bereits früher angekündigt – das Stahlwerk selbst, die Kombistrasse, das Ringcenter und Instandhaltungen von den bevorstehenden Massnahmen weitestgehend ausgenommen nehmen. Damit würden jene Teile geschützt, die für die Schweiz systemrelevant seien und welche die Versorgung mit strategisch wichtigen Stahlprodukten sicherstellen würden.

Das Stahlwerk stellt aus einheimischen Stahlschrott rund 50 Prozent des jährlich benötigten Baustahls in der Schweiz her. Sollte es stillgelegt werden, müsste der Schweizer Stahlschrott ins Ausland gebracht werden.

Hilfsmassnahmen kommen zu spät

Die Teilschliessung war bereits seit längerem ein Thema bei Stahl Gerlafingen – auch politisch. Die bisherigen Hilferufe des Unternehmens bereits im Juli 2023 an die Bundesverwaltung seien aber verhallt, heisst es dazu. Vor knapp zwei Wochen liess Wirtschaftsminister Guy Parmelin im Schweizer Radio SRF verlauten, dass er die Schweizer Stahlindustrie nicht als systemrelevant erachte.

In der letzten Woche habe sich die Politik intensiv mit der Suche nach Lösungen für das Stahlwerk beschäftigt, erklärte Firmenchef Alain Creteur im Communiqué: «Wir waren sehr positiv überrascht und möchten uns in aller Form für diese Unterstützung bedanken.»

Letztlich kämen die von der Politik zugesicherten Massnahmen aber erst in der Zukunft zum Tragen und damit zu spät, um den Betrieb der Profilstrasse aufrechtzuerhalten. «Angesichts der Gesamtsituation sind Massnahmen wie eine Schliessung der Profilstrasse alternativlos, wenn wir die restlichen Arbeitsplätze sichern wollen», äusserte sich Creteur.

Gewerkschaften fordern Eingreifen der Politik

Nach dem Entscheid von Stahl Gerlafingen, eine Produktionsstrasse zu schliessen, fordern die Gewerkschaften ein Eingreifen der Politik. Diese müsse eine Schweizer Industriepolitik ausarbeiten, verlangten Syna, Unia und Kaufmännischer Verband.

Damit sollen Wege aufgezeigt werden, wie der sozial-ökologische Umbau in den Schweizer Industriebranchen gestaltet werden soll, wie die Gewerkschaften am Mittwoch in einer Stellungnahme schrieben. Stahl Gerlafingen sei eines von zwei verbleibenden Stahlwerken in der Schweiz, das Recycling-Stahl herstelle.

Damit werde ein strategisches Bedürfnis der hiesigen Wirtschaft befriedigt. Denn für die Versorgung der Schweizer Unternehmen sei eine einheimische, relativ CO₂-arme Stahlproduktion zentral, schrieben die Gewerkschaften: «Deshalb haben die Entscheide rund um dieses Unternehmen auch eine übergeordnete industriepolitische Bedeutung.»

Das Ziel von Syna, Unia und vom Kaufmännischen Verband im anstehenden Konsultationsverfahren sei es, die Arbeitsplätze in Gerlafingen zu erhalten. «Es ist aufgrund der vorliegenden Informationen nur teilweise einsichtig, weshalb Produktionskapazitäten abgebaut werden sollen.»

Von der Geschäftsleitung verlangen die Gewerkschaften eine Verlängerung der Konsultationsfrist, um genügend Zeit für eine tragfähige Lösung zu erarbeiten. Zudem müssen von Stahl Gerlafingen und dem italienischen Mutterkonzern Beltrame Group alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden.

Stahl Gerlafingen hatte zuvor die Schliessung der Walzstrasse für Profile angekündigt. Damit droht ein Abbau von 95 Arbeitsplätzen. (rbu/awp/sda)

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