Am 10. Juni dürfen Schweizerinnen und Schweizer wieder abstimmen – über eine der komplexesten Vorlagen, welche je vors Volk kam: die Vollgeldinitiative. Hauptziel ist es, das elektronische Buchgeld der Kontoinhaber zu schützen und die private Geldschöpfung der Banken einzuschränken.
Doch einige von uns besitzen bereits «Vollgeld», ohne es zu wissen. Denn seit dem Jahr 2009 existiert eine elektronische Währung, welche die private Geldschöpfung verunmöglicht und jedem Besitzer auch in der digitalen Welt die volle Kontrolle über dieses Geld gibt.
Der Namen dieses «Vollgeldes»: Bitcoin, Ether und Co. Oder einfach allgemein: Kryptowährungen.
Habe ich den richtigen Schlüssel (Private Key), so kann ich (nur ich!) über meine Kryptowährungen verfügen. Es ist wie bei einem Safe. Wenn etwas mal drin ist, bleibt es auch drin, bis ich es mit meinem Schlüssel wieder in die Welt lasse.
Eine private Geldschöpfung ist so – genau wie beim vorgeschlagenen Vollgeld – nicht möglich. Aber eben nur, wenn ich diesen Schlüssel selber verwahre. Denn wie du hier nachlesen kannst (Punkt 12), können Kryptowährungen auch bei zentralen Börsen gelagert werden. Dann haben diese deinen privaten Schlüssel und du verlierst die Kontrolle darüber. Dezentrale Börsen vernachlässigen wir hier mal.
Korrekt, hier liegt ein Unterschied zum geplanten Vollgeld. Denn dieses wäre durch die Schweizerische Nationalbank garantiert. Doch eines hätten Vollgeld und (die meisten) Kryptowährungen gemeinsam: Es liegen ihnen keine fundamentalen Werte zu Grunde. Vollgeld müsste schuldfrei ausgegeben (verschenkt) werden und hätte dementsprechend keinen Gegenwert in der Bilanz der SNB. Das heutige gesetzliche Zahlungsmittel Bargeld ist zwar nicht mehr wie früher 100-prozentig durch Gold gedeckt, jedoch durch andere Positionen. Und die haben es übrigens in sich, wie nachfolgende Grafik zu den grössten Einzelpositionen im US-Aktienmarkt zeigt.
Korrekt, jeder wäre verpflichtet, dieses Vollgeld anzunehmen. Bei Kryptowährungen wird dies in absehbarer Zukunft wohl kaum der Fall sein. Aber braucht es auch nicht zwingend. Denn bereits heute wird nur noch knapp die Hälfte (53 % im Jahr 2016) der stationären Einkäufe mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel CHF-Bargeld bezahlt – der Rest durch Debit-, Kredit- oder Händlerkarten. Und diese beruhen ja auf dem gesetzlich nicht regulierten Buchgeld, das die Initianten zu bekämpfen versuchen.
Würde man darüber hinaus zusätzlich den Online-Handel, private Kaufverträge (Autos, Immobilien, ...) und typischerweise per Rechnung bezahlte Produkte und Dienstleistungen (Krankenkasse, Versicherungen, ...) miteinbeziehen, macht das gesetzliche Zahlungsmittel CHF-Bargeld bereits heute kaum mehr einen Bruchteil aus. Wir bezahlen also schon jetzt den grössten Teil unserer Leistungen mit «ungesetzlichen» Zahlungsmitteln.
Das ist in der Tat eines der grössten Probleme, welches Kryptowährungen noch zu lösen brauchen, sofern sie sich als alternatives Zahlungsmittel etablieren wollen. Kein Mensch will mit einer Form von Geld bezahlen, welche morgen 50 % mehr oder 50 % weniger Wert haben kann. Hier braucht es Kontinuität und Preisstabilität. Doch grundsätzlich wäre diese Preisstabilität auch bei Kryptowährungen einfach zu erreichen.
Zum Beispiel: Sobald der Wert einer bestimmten Kryptowährung über eine definierte Grenze steigt, emittiert ein Smart Contract so lange neue Coins, bis sich dieser Wert wieder in einer bestimmten Bandbreite einpendelt. So wie auch die Nationalbank Deflation durch eine Erhöhung der Geldmenge bekämpft.
Aber wer kriegt diese neu erstellten Coins? Theoretisch könnte man sie anteilsmässig an die bisherigen Coinholder verteilen ... das ist im Grunde genommen genau dasselbe, wie die Initianten im Rahmen der Vollgeldinitiative vorschlagen (Stichwort: Geld verschenken).
Hier wird es schon kniffliger. Und zwar sowohl bei der Vollgeldinitiative wie auch bei Kryptowährungen. Denn Kryptowährungen kann ich bekanntlich bei mir selbst lagern, indem ich den Private Key sicher verwahre. Dann sollte mir diese Coins niemand wegnehmen können. Oder?
Grundsätzlich richtig. Es ist jedoch möglich, eine Kryptowährung so zu strukturieren, dass gewisse Personen (oder ein Smart Contract) die Berechtigung erhalten, Coins zu «verbrennen». Man muss sich jedoch fragen, ob man eine solche Funktion überhaupt im Quellcode einbauen will, da sie auch missbraucht werden kann.
Nun, da müsst ihr unsere SNB-Direktion schon direkt fragen. Als Hauptgrund wurde bisher vor allem die erschwerte Gewährleistung von Finanzmarktstabilität genannt. Insbesondere die im vorherigen Abschnitt genannte Reduktion der Coin-Umlaufmenge bereitet ihnen Sorgen. Aber es gibt auch noch andere Gründe.
Einerseits möchte die SNB die Geldmenge zentral und ohne Smart Contracts steuern. Dann braucht es aber nicht zwingend Blockchain und eine Kryptowährung. Auf der anderen Seite soll die SNB logischerweise auch nicht gleich auf jeden neuen Technologie-Zug aufspringen, sondern erst mal bedächtig abwarten.
Sicher ist jedoch, dass den Vollgeld-Initianten durch einen Schweizer-Franken-Coin (oder nennen wir ihn ab jetzt Stutz-Coin) der Wind aus den Segeln genommen würde. Nicht nur das. Auch das Segel würde ihnen genommen. Und das Boot.
Denn in einem solchen Fall würde die SNB den Stutz-Coin herausgeben. Die Banken und andere Player (ja, liebe Banken – die werden kommen) würden ihren Kunden benutzerfreundliche Wallets für dessen Verwahrung anbieten. Und die Schweizerinnen und Schweizer könnten – sofern sie dies wollen – mit einer offiziellen elektronischen Währung bezahlen. Dem Stutz-Coin!
Kryptowährungen sind übrigens in den letzten Monaten wesentlich stabiler geworden im Vergleich zu den bald zehn Jahren davor. Es ist gut möglich, dass sie sich dereinst durchsetzen werden und Banken sowie Finanzintermediäre überflüssig machen. Erst jetzt, nach 10 Jahren Blockchain beginnen sie, die Technologie ernst zu nehmen und ziehen sie mit massiven PR-Kampagnen in den Dreck. Häufigste Fake-News: Die Blockchain ist gehackt worden. Das ist sie bislang noch nie. Gehackt wurden schon (zentrale) Kryptobörsen.