Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) spricht sich in einem Zeitungsinterview mit dem «Tagesanzeiger» erneut dezidiert gegen die am 10. Juni zur Abstimmung anstehende Vollgeldinitiative aus. Die Initiative und die eingebrachten Vorschläge seien äusserst problematisch, sagte Thomas Jordan.
«Eine Annahme der Initiative würde dazu führen, dass die Umsetzung der Geldpolitik erschwert würde – wie auch das Funktionieren der gesamten Wirtschaft», warnte der SNB-Präsident in einem am Dienstagabend publizierten Interview.
Die Schweiz habe ein im internationalen Vergleich sehr gutes Bankensystem, eine gute Überwachung, und die Regeln für Banken seien überdurchschnittlich verstärkt worden.
Dass die Schweiz überhaupt über das Thema Vollgeld abstimmt, ist laut Jordan Ausdruck des «enorm grossen» Vertrauens in die Nationalbank als Institution. «Man will uns mehr Aufgaben zuteilen und möchte, dass nur die SNB Geld schöpfen kann.»
Mit der Vollgeldinitiative wollen die Initianten verhindern, dass die Banken zu viel Geld für negative Entwicklungen in die Wirtschaft pumpen, so dass sich etwa gefährliche Blasen an den Kapital- oder Immobilienmärkten bilden.
«Diese Kreditzyklen und Blasen in der Wirtschaft können völlig unabhängig davon entstehen, ob wir Vollgeld haben oder nicht», entgegnete Jordan der Kritik. Als Beispiel diene die Finanzkrise vor gut zehn Jahren. Da seien nicht Bankkredite, sondern vielmehr der Finanzmarkt das Problem gewesen.
Hypotheken seien gebündelt und in Form von Wertpapieren an den Markt gebracht worden, erklärte Jordan. Als die Papiere nicht mehr durch den Wert der ihnen zugrunde liegenden Immobilien gedeckt waren, hätten die Investoren den Schaden eingefahren.
Die bei der Vollgeldinitiative im Zentrum stehenden Kundeneinlagen, durften die während der Finanzkrise im Zentrum gestandenen US-Investmentbanken damals gar nicht annehmen, unterstreicht der SNB-Präsident.
Sollte die Initiative angenommen werden, dann dürften die Banken die in Form von Kontokorrentguthaben zur Verfügung stehenden Mittel nicht mehr produktiv einsetzen, so Jordan. «Es wird Sand ins Getriebe gestreut und die Kreditvergabe erschwert. Die Zinsen würden steigen.»
Die Art und Weise, wie die SNB die Geldpolitik betreibt, wäre mit Annahme der Initiative eingeschränkt. Und sie würde zu einer Verpolitisierung der Nationalbank führen, warnte Jordan.
Jordan äusserte sich überdies auch noch zur aktuellen Frankenstärke gegenüber dem Euro. Die Gemeinschaftswährung ist am Dienstag unter 1,15 Franken gerutscht.
«Die Entwicklung in den vergangenen Tagen zeigt auf, dass die Lage an den Devisenmärkten weiterhin fragil bleibt», sagte Jordan. Er versicherte aber, dass die Geldpolitik der SNB mit dem Negativzins und der Bereitschaft, bei Bedarf am Devisenmarkt zu intervenieren, dieser Fragilität Rechnung trage. (wst/sda/awp)