Herr und Frau Schweizer bevorzugen in der Regel den «Spatz in der Hand». Die Wirtschaftswissenschaft weiss seit langem aus vielen empirischen Untersuchungen in aller Welt, dass Haushalte in aller Regel nicht warten, bis die Taube endlich vom Dach hinabfliegt.
Diese Erkenntnis ist von herausragender Bedeutung, wenn es darum geht, fiskalische Anreize so zu setzen, dass eine politisch oder gesellschaftlich erwünschte Verhaltensänderung bei den Konsumentinnen und Konsumenten ihre grösstmögliche Wirkung erzeugt.
Der promovierte Ökonom Patrick Bigler und dessen Professorin Doina Radulescu vom Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern haben sich in einem vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschungsprojekt das Wesen von Subventionen zur Förderung des CO2-sparenden privaten Automobilverkehrs angesehen. Dabei sind sie zur Erkenntnis gelangt, dass die staatlichen Förderungsmassnahmen der meisten Kantone diesem Anspruch nicht gerecht werden. Mit einer gezielteren Verwendung der Mittel liesse sich der Treibhausgasausstoss ohne zusätzliche Kosten für die Steuerzahlenden deutlich reduzieren.
Interessant ist die Arbeit von Bigler und Radulescu nicht zuletzt aufgrund des umfangreichen Satzes an Inputdaten. Diese kombinieren das Einkommen der Haushalte im bevölkerungsmässig zweitgrössten Kanton der Schweiz mit deren Entscheidungen beim Neuwagenkauf.
Die erste Erkenntnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt in der obersten Einkommensklasse ein E-Auto kauft, ist sechsmal grösser als für einen Haushalt in der niedrigsten Einkommensklasse. «Logisch», mag denken, wer gerne einfache Schlüsse zieht: Schliesslich sind Elektroautos im Durchschnitt 20'000 Franken teurer als Benziner oder Dieselfahrzeuge.
Doch Bigler und Radulescu können auf der Grundlage eines umfangreichen Datensatzes zeigen: Weder die geringere Preisempfindlichkeit der einkommensstärksten Haushalte noch die in deren Eigenheimen oft vorteilhaften und ökonomisch günstigeren Bedingungen für die Ladeinfrastruktur vermögen die grosse Differenz in der Antriebspräferenz ausreichend zu erklären.
Vielmehr weisen die Autoren nach, dass die im Kanton Bern angewandte Politik der Mobilitätsförderung (die Daten stammen aus dem Jahr 2019) die falschen Anreize setzt. Der Kanton erlässt den E-Autobesitzern ein Grossteil der Gewichtssteuer und in den ersten vier Jahren nach dem Autokauf zusätzlich 60 Prozent der vom CO2-Ausstoss abhängigen Verkehrssteuer.
Was vielleicht gut gemeint ist, bringt zu wenig am falschen Ort: Effizienter und gerechter als die Steuererleichterungen wären nach Biglers und Radulescus Modellrechnungen Kaufprämien, die den Kauf eines E-Autos sofort verbilligen, so wie es viele EU-Ländern schon gemacht haben. Mehr Haushalte mit niedrigen Einkünften würden Elektroautos kaufen und damit ebenfalls in den Genuss der Subventionen kommen.
Zwar käme die Umlagerung der Steuerrabatte in Kaufprämien bei weitem nicht an die Beträge heran, wie sie deutsche, französische oder italienische Konsumenten jüngst noch beim E-Autokauf beim Staat beziehen konnten. Aber auch eine sparsamere Direktsubvention, wie sie hierzulande die Kantone Tessin, Thurgau und Basel-Stadt (für Lieferwagen) angewandt haben, hätten laut Bigler und Radulescu nachweisbar positive Effekte auf den E-Autoabsatz. Doch «Cash-Prämien sind in der Schweiz nicht mehrheitsfähig, schon gar nicht beim Bund», sagt Auto-Schweiz-Sprecher Christoph Wolnik.
Die Frage nach dem Warum steht auf einem anderen Blatt. Wirtschaftsprofessorin Radulescu sagt, man wisse nicht genau, warum die Haushalte eine Präferenz für den Spatz in der Hand haben. Ein Fakt scheint aber zu sein, dass die langfristig erwiesenermassen tieferen Betriebskosten von E-Autos gegenüber herkömmlichen Verbrennern unterschätzt werden. «Kurzsichtigkeit und geringe fiskalische Anreize könnten eine Erklärung dafür sein», glaubt die Wissenschaftlerin.
Vielleicht sind die gleichen Gründe auch für die offenbar in der Mehrheit der Bevölkerung vorherrschende Ablehnung der Kaufprämie zu suchen. Aber immerhin: Der Marktanteil von E-Autos an den Neuwagenkäufen ist 2024 in der Schweiz von 20,9 Prozent auf nur noch immer hohe 19,3 Prozent gefallen. In der EU ging der Marktanteil der E-Autos in der gleichen Zeit von 14,6 Prozent auf 13,6 Prozent zurück.
Die Omi fährt dann ihre jährlichen 2000km zum Einkaufen weiterhin mit einem Benziner. Der Pendler wird aber auf Strom setzen. Wer oft ins Ausland muss, vielleicht auf einen PHEV. Aber der Entscheid würde der insividuellen Situation gerecht.
Dass dies am Effizientesten wäre, wurde schon oft gezeigt. Nur die Politik will nicht vorwärts machen bei der Umsetzung. Im Gegenteil: man verteuert stattdessen den Strom, sodass die Ersparnis durch den Umstieg auf E-Autos dahinschmilzt.
Am Beispiel der Pläne PK und 3a Kapitalbezüge massiv stärker zu besteuern nur weil der Bund Finanzprobleme hat sieht man das Problem gut.