Mehr Macht für die Finanzmarktaufsicht, periodische Krisensimulationen, schärfere Liquiditätsvorschriften: Für diese und weitere Massnahmen plädiert eine externe Expertengruppe, um einen zweiten Fall Credit Suisse zu verhindern. Nun liegt der Ball bei der Politik.
Nach der Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS Mitte März hatte der Bundesrat eine aus Fachleuten aus Wissenschaft, Bankwesen und Wirtschaft zusammengesetzte Gruppe eingesetzt, um die «Too big to fail»-Regulierung einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Der Bundesrat nahm den Bericht der Expertengruppe «Bankenstabilität» zuhanden des Finanzdepartements am Mittwoch zur Kenntnis.
Am Freitag wurden die Erkenntnisse der achtköpfigen Expertengruppe rund um den Basler Ökonomen Yvan Lengwiler nun öffentlich kommuniziert. Zwar habe das «Too big to fail»-Regime mit verschärften Eigenmittel- und Liquiditätsregeln wichtige Fortschritte im Vergleich zur Situation vor der globalen Finanzkrise 2007/2008 erzielt, hiess es.
Es gebe aber Lücken, die geschlossen werden sollten. Bei einer allfällligen Krise der neuen UBS werde die Fusionslösung mit einer anderen grossen Schweizer Bank nicht mehr zur Verfügung stehen. Deshalb sei es entscheidend, dass die Sanierung funktionieren würde.
Mit Blick auf potenzielle künftige Krisen schlug die Expertengruppe Reformen in vier Bereichen vor: beim Krisenmanagement, bei der Liquidität, der Aufsicht und den Eigenmitteln. Im Fokus steht die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma). Deren Instrumente sollen stark ausgebaut werden. Lengwiler war einst Mitglied des Finma-Verwaltungsrats.
Konkret soll die Finma der Expertengruppe zufolge die Kompetenz erhalten, systemrelevanten Banken organisatorische Änderungen frühzeitig anzuordnen, um sie sanierungsfähiger zu machen. Zusammen mit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) soll die Durchführbarkeit einer Sanierung laufend beobachtet, beurteilt und kommuniziert werden.
Ausserdem soll die Finma systemrelevante Banken auch ausserhalb einer Sanierung anweisen können, genügend Sicherheiten bei der SNB und bei ausländischen Zentralbanken zu platzieren, um jederzeit Zugriff auf genügend liquide Mittel sicherstellen zu können. Gleichzeitig soll die SNB künftig auch nicht marktfähige und schwierig verwertbare Sicherheiten akzeptieren.
Auch soll die Finma neue Instrumente erhalten, damit sie systemrelevante Banken wirksamer beaufsichtigen kann. Die Kompetenz, laufende Verfahren öffentlich zu machen, soll erweitert werden. Die Beschwerdeverfahren sollen gestrafft werden. Darüber hinaus soll die Finma nach Meinung der Experten früher eingreifen können. Sie soll neben Marktinformationen auch Zugang zu «alternativen Datenquellen» erhalten.
Weiter soll die Behördenkoordination periodisch im Rahmen von Krisensimulationen getestet werden. In Bezug auf die CS-Notübernahme sollen die involvierten Kräfte laut der Expertengruppe detailliert darlegen, welche Erwägungen zur Entscheidung geführt hätten und welche Lektionen daraus für die Zukunft zu lernen seien.
Der «Public Liquidity Backstop» - die staatliche Ausfallgarantie, die bei der Notübernahme der CS zum Zug kam - soll laut den Experten gesetzlich verankert werden, um die Liquiditätsversorgung einer systemrelevanten Bank in der Sanierung sicherzustellen.
Keinen Handlungsbedarf gibt es gemäss dem Bericht dagegen bei den Eigenmittelvorschriften. International würden hierzu bereits strengere Regeln eingeführt. Eine weitergehende Verschärfung in der Schweiz sei nicht zielführend.
Ziel der Empfehlungen ist laut der Expertengruppe die Aufrechterhaltung der Stabilität des Schweizer Finanzplatzes. Der Expertengruppe stand es gemäss Mandat frei, eigene Akzente zu setzen. Sie fokussierte sich auf Finanzmarkt- und Stabilitätsfragen ohne staats- und wettbewerbsrechtliche Überlegungen.
Die Empfehlungen der Experten werden als Grundlage für den Bericht über systemrelevante Banken und die Antworten des Bundesrats auf die verschiedenen Postulate dienen, die im Rahmen der Sondersession zur Credit Suisse im Parlament eingereicht wurden und voraussichtlich im April 2024 vorliegen werden.
Für die rückwärtsgerichtete Aufarbeitung der Geschehnisse hat das Parlament eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt. Die Expertengruppe schrieb zur Notübernahme, dass durch den staatlichen Eingriff eine gefährliche Situation schnell habe stabilisiert werden können. Die Schweiz habe damit einen wichtigen Beitrag zur Finanzstabilität geleistet.
(yam/sda)