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Hydroxychloroquin-Studie zu Covid-19 nach 4 Jahren zurückgezogen

Hydroxychloroquin wird zur Behandlung von Malaria eingesetzt. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde es auch als Mittel zur Behandlung von COVID-19 getestet.
Hydroxychloroquin wird zur Behandlung von Malaria eingesetzt. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde es auch als Mittel zur Behandlung von Covid-19 getestet.Bild: Shutterstock

Trumps «Geschenk Gottes»: Umstrittene Corona-Studie nach Jahren zurückgezogen

19.12.2024, 18:3625.12.2024, 09:30
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Erinnert sich noch jemand an Hydroxychloroquin? Das Malariamittel mit dem sperrigen Namen sorgte zu Beginn der Corona-Pandemie für Schlagzeilen – vor allem auch, nachdem der damalige US-Präsident Donald Trump die angeblich positive Wirkung des Medikaments gegen Covid-19 gelobt hatte. Der Wirbel, den die vor viereinhalb Jahren im «International Journal of Antimicrobial Agents» mit Co-Eigentümerschaft der Internationalen Gesellschaft für Antimikrobielle Chemotherapie (ISAC) veröffentliche Studie ausgelöst hatte, beeinflusste selbst die Covid-19-Politik von ganzen Staaten.

Von Anfang an zog die Studie von französischen Wissenschaftlern jedoch massive Kritik auf sich. Nun ist das umstrittene Papier vom Verlag Elsevier zurückgezogen worden.

Die Studie wurde weltweit 3'600 Mal von anderen Fachleuten in Studien zitiert. Sie ist damit die am häufigsten zitierte Studie zu Covid-19 und die am zweithäufigsten zitierte Studie überhaupt, die jemals zurückgezogen werden musste.

Der französische Mikrobiologe und Infektiologe Didier Raoult (2021).
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=114322573
Der Hauptautor der Studie, der französische Mikrobiologe und Infektiologe Didier Raoult. Bild: Wikimedia/Chinese Business Club

Hype in US-Medien

Der Ablauf der Geschichte ist für seriöse wissenschaftliche Publikationen unglaublich. Wie das Wissenschaftsmagazin «Nature» erklärte, haben der mittlerweile pensionierte ehemalige Leiter der Forschungseinrichtung IHU in Marseille (F) Didier Raoult und seine Kolleginnen und Kollegen am 16. März 2020 einen Vorabdruck einer Studie veröffentlicht. Diese besagte, dass Hydroxychloroquin in einigen Fällen zusammen mit dem Antibiotikum Azithromycin die SARS-CoV-2-Viruslast bei 20 Teilnehmern gesenkt hatte.

Die Studie ist laut «Nature» von US-Fernsehsendern sofort gehypt worden. Vier Tage später wurde die Arbeit im «International Journal of Antimicrobial Agents» veröffentlicht, bei dem Co-Autor Jean-Marc Rolain Chefredaktor war. Das wissenschaftliche Journal hatte das eingereichte Manuskript innerhalb eines Tages angenommen. Normalerweise dauert das zumindest Wochen.

Trump bezeichnete das Uralt-Malariamittel gar als «Geschenk Gottes». Die Sache sei «bahnbrechend». Mehrere Staaten, so auch die USA, liessen gar die Verwendung von Hydroxychloroquin bei Covid-19 zu.

FILE - In this May 18, 2020 file photo, President Donald Trump tells reporters that he is taking zinc and hydroxychloroquine during a meeting with restaurant industry executives about the coronavirus  ...
Im Mai 2020 sagte Trump an einer Pressekonferenz, er nehme Zink und Hydroxychloroquin gegen Covid-19. Bild: keystone

Bedenken hinsichtlich Datenqualität

Forschende hatten die umstrittene Studie mehrfach kritisiert und Bedenken hinsichtlich der Datenqualität, unklarer ethischer Hintergründe und wegen anderer Faktoren geäussert.

«Nature» führte dazu auf: «... darunter mangelnde Klarheit über den Zeitplan für die Ethikkommission und potenziell verwirrende Unterschiede zwischen den Merkmalen der Teilnehmer in den Kontroll- und Behandlungsgruppen, was darauf schliessen lässt, dass die Teilnehmer diesen Gruppen nicht zufällig zugewiesen worden waren. Sechs mit Hydroxychloroquin behandelte Personen brachen die Studie ab – eine von ihnen starb und drei wurden auf eine Intensivstation verlegt.»

Drei der Mitautoren der Studie hätten darum gebeten, ihre Namen aus der Studie zu streichen, da sie Zweifel an den Methoden der Studie hatten, heisst es in der Mitteilung des «International Journal of Antimicrobial Agents» über den Widerruf. Fünf weitere waren mit dem Widerruf nicht einverstanden und bestritten die darin aufgeführte Begründung.

«Diese Arbeit hätte nie veröffentlicht werden dürfen»

Philippe Brouqui, einer der Mitautoren, schickte «Nature» seine Antwort auf eine frühere Version des vorgeschlagenen Widerrufs, in der er und Raoult dem Verlag Elsevier mitteilten, es gebe in dem Artikel «keine ethischen oder regulatorischen Probleme» und «keine Abweichung von der wissenschaftlichen Integrität». Sie seien überdies «Opfer von Cyber-Belästigung» geworden.

Elisabeth Bik, Bildforensikerin und Beraterin für wissenschaftliche Integrität in San Francisco im US-Staat Kalifornien, die zu den Kritikern der Studie und der Arbeit von Raoult gehört, kommentierte den Rückzug der Studie laut «Nature» wie folgt: «Das ist eine unglaublich gute Nachricht. Diese Arbeit hätte nie veröffentlicht werden dürfen – oder sie hätte sofort nach ihrer Veröffentlichung zurückgezogen werden müssen.» (dhr/sda/apa)

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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Juliet Bravo
19.12.2024 19:51registriert November 2016
Ich war im frühen 2022 mal in Brasilien. Der Freund, der mich begleitete, war beim obligatorischen Test vor der Rückreise leider positiv. Flugs wurden ihm in der Apotheke Hydroxichloroquin und andere zweifelhafte Medis zur Genesung angeboten. Es war die Zeit von Bolsonaro und der war genau wie Trump und andere aus dieser Ecke Feuer und Flamme für das Medikament.
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Pebbles F.
19.12.2024 20:47registriert Mai 2021
Wenn Typen wie Trump mit ihrer Hauruck-Methode sich klug vorkommen, kann die Wissenschaft - also Untersuchungen, Vergleichsstudien von richtigen Forscherinnen - einfach abstinken.
Es ist zum Verzweifeln.
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Joanna Doe
19.12.2024 21:31registriert März 2019
Bildlegende: „Im Mai 2018 sagte Trump an einer Pressekonferenz, er nehme Zink und Hydroxychloroquin gegen Covid-19.“
Mai 2018 vs. COVID-19
Trump war wohl schon damals der Zeit voraus…
;-)
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