Die Schärfe von Chili wird traditionell mit der Scoville-Skala gemessen, die bereits 1912 vom Pharmakologen Wilbur Scoville entwickelt wurde. Der Wert – angegeben in Scoville Heat Units (SHU) – beschreibt, in welchem Verhältnis Chilipulver mit Wasser vermischt werden muss, um die Schärfe komplett zu neutralisieren.
Ein Beispiel: Beim Cayenne-Chili, aus dem der gleichnamige Pfeffer hergestellt wird, liegt dieser Wert zwischen 20'000 und 50'000 Scoville-Einheiten. Um die Schärfe eines einzigen Milliliters Cayennepfeffers vollständig zu neutralisieren, müsste man ihn also mit etwa 20 bis 50 Litern Wasser verdünnen.
Heute wird der SHU-Wert aber nicht mehr durch Verkostung, sondern aus dem Gehalt an Capsaicin und Dihydrocapsaicin berechnet – den beiden Hauptwirkstoffen der Chili-Schärfe. Reines Capsaicin erreicht dabei auf der Scoville-Skala einen Maximalwert von 16 Millionen SHU. Die aktuell schärfste bekannte Chilisorte, Pepper X, bringt es immerhin auf 2,69 Millionen Einheiten.
Die Aussagekraft der Scoville-Skala wird nun von US-Forschern infrage gestellt. Die Chemiker Devin Peterson, Joel Borcherding und Edisson Tello beschreiben im Journal of Agricultural and Food Chemistry drei natürliche Verbindungen, die die wahrgenommene Schärfe von Chili deutlich mindern können – selbst bei hohem Capsaicingehalt. Mit anderen Worten: Eine Chilisorte kann trotz eines hohen Scoville-Werts weniger scharf sein als eine andere mit niedrigerem Wert – je nachdem, welche weiteren Inhaltsstoffe die Chilis enthalten.
In der Studie analysierten die Chemiker pulverisierte Proben von zehn Chilisorten – darunter Serrano, Scotch Bonnet und African Bird’s Eye. Durch sensorische Tests mit zwei geschulten Verkostergruppen identifizierten sie drei natürliche Verbindungen, die die wahrgenommene Schärfe deutlich reduzierten: Capsianosid I, Roseosid und Gingerglycolipid A. Keiner dieser Stoffe hat zudem einen Eigengeschmack in Wasser.
Die Entdeckung natürlicher Schärfehemmer stellt nicht nur die capsaicinoidzentrierte Scoville-Skala infrage – sie eröffnet neue Perspektiven für Lebensmittel- und Pharmaindustrie. «Diese Erkenntnisse könnten es ermöglichen, scharfe Aromas individuell anzupassen oder eine Küchenzutat zu entwickeln, die übermässige Schärfe mildert – ein echtes ‹Anti-Scharf-Gewürz›», erklärt Studiencoautor Devin Peterson. Darüber hinaus zeigen die Verbindungen grosses Potenzial für die Entwicklung nicht-opioider Schmerzmittel.
Warum sollte man etwas mit Chilli super scharf machen um es dann mit anti-scharf wieder weniger scharf zu machen? Da kann man doch gleich einen weniger scharfe Chilli nehmen.